Hartmut GÜNTHER:
Nach GÜNTHER, der alte und neue Regelung im Hinblick auf die Substantiv-Verb-Komposita vergleicht, argumentieren die Duden-Regeln (1996) hierzu 'grundsätzlich lexikalisch-semantisch'.
Eine syntaktisch orientierte Getrennt- und Zusammenschreibung variiert jedoch die Schreibung mit der syntaktischen Struktur des Satzes. Mit MAAS proklamiert GÜNTHER daher eine GuZ, die es sich zur Aufgabe macht, die 'grammatische Artikulation' des Textes sichtbar zu machen.
Sowohl die Schreibweise
(1) Ich bin 800 km Auto gefahren (mit 'Auto' als Modifikator zu 'fahren')
als auch
(2) Ich bin 800 km autogefahren (mit 'autofahren' als intern nicht strukturiertem Ausdruck)
muß möglich sein. 'auto' in 'autofahren' kommt keine syntaktische Funktion zu.
Die GuZ ergibt sich somit nicht aus (wie auch immer zustande gekommenen) Lexikoneinträgen, sondern 'über die Organisation im Satz'. In (2) ist das Substantiv nicht erweiterbar, d.h. ein Einschub zwischen Substantiv und Verb nicht möglich.
Die neuen rigiden Schreibweisen schaffen syntaktische Fakten, die ggf. gar nicht gegeben sind. Groß und getrennt erscheint das Substantiv als ein Substantiv, das eine syntaktische Beziehung zum Verb unterhält:
(1) Hans möchte mit seinen Kindern Eis kaufen.
(2) Hans möchte mit seinen Kindern Eis laufen.
Damit ist der Zweck der Orthographie, als 'Signalement syntaktischer Beziehungen' zu fungieren, dahin.
Die Analysen von GÜNTHER (1997), Eisenberg (1981) und WURZEL (1993) belegen, daß die Substantiv-Verb-Verbindungen 'in Bewegung' sind. Eine starre, fixierende orthographische Regelung wie sie die Neuregelung für die GuZ darstellt wird der Dynamik in diesem Bereich nicht gerecht.
Während sich GÜNTHERS Ansatz in Richtung stärkerer Grammatikalisierung der (Recht-)Schreibung bewegt, beschreitet die Neuregelung genau die entgegengetzte Richtung hin zu weniger (ortho-)graphischer Abbildung der grammatischen Strukturen.
GÜNTHERs Vorschlag läßt nicht nur 'autofahren' (wie implizit WURZEL und explizit MAAS) zu, sondern darüber hinaus auch 'Auto fahren' je nach syntaktischer Umgebung. Die Schreibweise signalisiert so die jeweilige grammatische Struktur des Satzes, die mit der Aussageabsicht des Schreibenden korrespondiert.
Gefunden in: Ulrike Sell, Die aktuelle Rechtschreibreform. Ausgewählte Argumente des Für und Wider, Magisterarbeit 1999 im Fachbereich Neuere Philologie der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Deutsche Sprache und Literatur.
– geändert durch gestur am 13.05.2004, 21.49 –
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