Ob Schiffahrt künftig mit drei "f" oder Kuß mit "ß" oder "ss" geschrieben wird, ist heute nicht mein Thema und auch nicht der Sinn unseres Antrages.
Wenn die Volksinitiative erfolgreich ist und entgegen früher Absprachen Schleswig-Holstein zu einer Insel wird, sehe ich für das Parlament einen Prüfauftrag nach einer angemessenen Erprobungsphase.
Weil dies der zweite Volksentscheid in unserem Land ist, bei dem Sie mit Tricks versuchen, dem Anliegen der Bürger Steine in den Weg zu werfen, ist es an der Zeit, eine grundsätzliche Debatte zu führen, in der es zwangsläufig auch um Ihr Demokratieverständnis gehen muß.
Erinnern Sie sich denn schon nicht mehr an unsere Debatte im Vorfeld des Volksentscheides um den Buß- und Bettag? Damals haben wir darüber diskutiert, diese Wahlentscheidung der Bürger zeitgleich mit der Kommunalwahl stattfinden zu lassen.
Ihre Fraktion, Frau Fröhlich, hat sich ihre Entscheidung für eine Zusammenlegung der Termine schnöde abkaufen lassen für den Preis der Einrichtung des Flüchtlingsbeauftragten.
Heute geht es also um die Frage, wie gehen Sie, Frau Ministerpräsidentin, Sie, Frau Bildungsministerin, und Sie von den rot/grünen Koalitionsfraktionen mit dem Souverän unseres Landes, also in diesem Fall mit der Volksinitiative "WIR gegen die Rechtschreibreform", um?
Eines will ich zu Beginn dieser Debatte sehr deutlich sagen: Sie opfern den Geist der seinerzeit von Ihnen selbst massiv eingeforderten plebiszitären Elemente in unserer Verfassung der Beliebigkeit, offensichtlich, weil Sie die Entscheidung des Volkes fürchten wie der Teufel das Weihwasser, oder soll ich sagen manche Eltern die Rechtschreibreform.
Auch diesmal begann Ihr Feldzug gegen eine Volksinitiative wieder mit Terminfragen. Sie haben sich lange geweigert, für den Volksentscheid den Termin der Bundestagswahl zu akzeptieren, weil Sie, eine hohe Wahlbeteiligung verhindern wollten.
Als dies unter dem öffentlichen Druck nicht mehr ging, haben Sie erneut in die Trickkiste gegriffen. Sie haben mit Ihrer Mehrheit einen Alternativantrag zum Antrag der Volksinitiative beschlossen, der nun als Vorschlag des Landtages ebenfalls zur Abstimmung ansteht.
Ich werfe Ihnen dabei nicht vor, daß Sie von dem in der Landesverfassung verbrieften Recht Gebrauch gemacht haben, eine Alternative zur Abstimmung zu stellen. Was ich Ihnen allerdings vorwerfe ist die in Bayern würde man sagen "Hinterfotzigkeit" mit der Sie einen nahezu wortgleichen aber inhaltlich entgegenstehenden Gegenantrag zum Abstimmungsvorschlag der Volksinitiative formuliert und durchgesetzt haben. Dies nenne ich den ersten Akt in einem Schauspiel mit dem Titel: "Wie verwirre ich die Wählerinnen und Wähler?"
Der zweite Akt heißt dann "Drohgebärden". Wie anders sollten es denn die Bürgerinnen und Bürger verstehen, wenn Sie, Frau Simonis, in einem Interview in der Zeitschrift "Focus" vom 20. Juli ankündigen: "Dann könnten wir das durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetz durch ein neues korrigieren".
Was für eine Mißachtung des Willens des Souveräns spricht aus diesen Worten.
Und Sie, Frau Böhrk, drohten ebenfalls den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land. Im Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag sagen Sie bereits am 8. Juli : "Sollte der Volksentscheid erfolgreich sein, werde das Land alle rechtlichen Schritte ausschöpfen, um eine Insellösung zu verhindern".
Zeitlich parallel zu diesen Drohgebärden und Einschüchterungsversuchen vollziehen sich merkwürdige Wandlungen in der Rechtsauffassung des Landesabstimmungsleiters.
- 6. Juli 1998 Schnellbrief an die Kreise und die kreisfreien Städte kurz zusammengefaßt: An dem gemeinsamen Wahltermin werden Synergieeffekte genutzt, das hieß im Klartext: ein Wahlvorstand, eine Wahlurne, ein Wahllokal.
Prima, das war eine vernünftige Entscheidung, könnte man meinen. Sie hatte allerdings nicht lange Bestand.
Drei Wochen später wenige Tage nach Ihrem "Focus"- Interview, Frau Simonis, schreibt der Staatssekretär im Innenministerium an die Kreise und kreisfreien Städte: es seien Zweifel an der Eignung des am 6. Juli beschlossenen Verfahrens aufgetreten, und deshalb hieß es in dem Schnellbrief des Landesabstimmungsleiters nun: Getrennte Wahlvorstände, getrennte Urnen, getrennte Wahllokale.
Eine Wende um 180 Grad, bei der es und ich sage dies mit aller gebotenen Vorsicht gewaltig nach politischer Einflußnahme auf das Abstimmungsverfahren riecht, mit dem Ziel, die Teilnahme an dem von Ihnen nicht gewollten Volksentscheid so kompliziert wie möglich zu machen.
Der Plan, der von Ihrem Staatssekretär, Herrn Wienholz, massiv verfolgt wurde, scheiterte zum Glück am Widerstand der Städte, Kreise und Gemeinden.
6. August Erneute Wende des Landesabstimmungsleiters zu seinem Ursprungsvorschlag zurück: Ein Wahlvorstand, eine Wahlurne, ein Wahllokal.
Warum eigentlich, Herr Innenminister, ist von der Spitze Ihres Hauses aus dieses Verwirrspiel initiiert worden? Sind Sie denn schon so weit von er kommunalen Ebene entfernt, daß Sie sich gar nicht mehr vorstellen können, wie schwer es für die Kommunen sein muß 16 000 zusätzliche ehrenamtliche Wahlvorstände zu finden?
Welche Arroganz der Regierenden spricht daraus, sich über den letztlich einmütig formulierten Willen des Landtages hinwegzusetzen, den Volksentscheid so einfach wie möglich abzuwickeln, auch unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung?
Ich glaube nicht daran, daß dieses Hin und Her wirklich eine Folge von juristischen Überlegungen war. Sie haben sich doch eindeutig selbst dem Verdacht ausgesetzt, als wollten Sie mit üblen Verfahrentricks ein positives Votum des Volksentscheids um jeden Preis verhindern.
Dazu paßt dann auch, daß Sie, Frau Simonis, sich sogar in ihrem Urlaub um die Gestaltung des Stimmzettels Gedanken machten. Ihr Staatssekretär, der Chef der Staatskanzlei, mischt sich am 4. August jedenfalls in das Verfahren ein und teilt dem Landtagspräsidenten Ihre Auffassung, Frau Simonis, zur Gestaltung des Stimmzettels mit.
Ganz abgesehen davon, daß Ihre Staatskanzlei offenbar den Volksentscheid zum Buß- und Bettag schon verdrängt hatte, frage ich Sie: Warum kümmern Sie sich eigentlich um Dinge, die Sie nun wirklich nichts angehen? Statt über Stimmzettel nachdenken zu lassen, hätten Sie, Frau Simonis, lieber schon bei der Formulierung des Alternativantrages hier in diesem Hause Vernunft und politischen Anstand walten lassen sollen. Denn nur durch den auch von Ihnen mitgetragenen und mit Mehrheit beschlossenen Alternativantrag des Landtages ist es zu der Verwirrung überhaupt erst gekommen. Sich danach hinzustellen und sich Sorgen um mögliche Falschinterpretationen durch die Bürgerinnen und Bürger zu machen, ist für mich Heuchelei, wenn man zuvor alles getan hat, um die Bürger zu verwirren.
Daß auch das Kabinett nach Zeitungsberichten eineinhalb Stunden über Modalitäten des Volksentscheids beraten hat, um dann seine Unzuständigkeit festzustellen, paßt in das Bild einer Regierung, die sich vom Volk schon meilenweit entfernt hat.
Wesentlicher Anlaß für unseren Mißbilligungsantrag ist allerdings Ihre Verhaltensweise, Frau Böhrk. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, daß Sie den nur Ihnen zustehenden Dienstweg dazu ausnutzen, gegen das Vorhaben der Volksinitiative massiven Wahlkampf zu machen.
Am 14. August 1998 schreiben Sie an alle Schulleiterinnen und Schulleiter und fordern Sie dazu auf, Ihre Informationen zum Thema "Rechtschreibreform und über die möglichen Auswirkungen des Volksentscheids" umgehend an den oder die Vorsitzenden der Schulelternbeiräte weiterzuleiten.
Am 18. August laden Sie Landeselternbeiratsvorsitzende ins Bildungsministerium ein und legen ihnen nahe, die Eltern aufzufordern, am 27. September nicht gegen die Rechtschreibreform zu stimmen.
Sie scheuen auch nicht davor zurück, nachgeordnete Dienststellen wie das IPTS in Ihrem Feldzug gegen die Volksinitiative zu instrumentalisieren. Auf jeden Fall muß das IPTS unter dem Datum vom 11. August und der Überschrift "Artbeitspapiere zur Unterrichtsfachberatung" den Beitrag einer Mitarbeiterin des Bildungsministeriums veröffentlichen, in dem in sehr einseitiger Weise die angeblichen Konsequenzen aus einem für die Bürgerinitiative positiven Votum des Volksentscheides aufgelistet werden.
Ihre Argumente jedoch, Frau Böhrk, sind fadenscheinig und sie sind vor allem von der Furcht getragen, am 27. September nicht nur die Bundestagswahl zu verlieren, sondern mit einem positiven Volksentscheid auch eine entscheidende bildungspolitische Niederlage einstecken zu müssen.
Wir haben Sie, Frau Böhrk, von Anfang an davor gewarnt, die neuen Rechtschreibregeln schon einzuführen, bevor alle denkbaren Rechtszüge gegen die Rechtschreibreform genutzt sind. Sie haben trotzdem mit Erlassen die Schulen angewiesen, schon nach den neuen Regeln zu unterrichten, und heute rühmen Sie sich dafür, daß 93 Prozent der Schleswig-Holsteinischen Schulen die neuen Regeln anwenden.
Hätten denn die Schulen Ihre Anweisungen nicht befolgen sollen? Mit dem gleichen Recht könnte sich die Bundesregierung dafür loben, daß z. B. 99 Prozent der Autofahrer im Besitz des Führerscheins sind. Beides ist gleichermaßen unsinnig. Sie haben allerdings, Frau Böhrk, bei dem Beharren auf Ihren Erlassen ein erstaunliches Maß an Sturheit gezeigt. Während zum Beispiel Herr Schröder in Niedersachsen schon nach dem ersten Urteil gegen die Rechtschreibreform die entsprechenden Regeln erst einmal aussetzte und jetzt erst seit dem 1. August anwenden läßt, haben Sie mal wieder auf der Vorreiterrolle Schleswig-Holsteins bestanden und dadurch die Atmosphäre möglicherweise so angeheizt, daß es jetzt zum Volksentscheid kommen muß.
In diesem jetzt anlaufenden Wahlkampf um den Volksentscheid zeichnen Sie, Frau Simonis, und Sie, Frau Böhrk, an erster Stelle nun das schreckliche Bild von der Sprachinsel Schleswig-Holstein, die bei einer Ablehnung der Rechtschreibreform durch die Bürgerinnen und Bürger angeblich entstehen würde. Ganz abgesehen davon, daß das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich das föderale System auch in diesem Punkt unterstrichen hat, wird die von Ihnen skizzierte Sprachinsel Schleswig-Holstein eine Fata Morgana bleiben.
Der riesige Finanzaufwand, mit dem die Schulbuchverlage nach Presseberichten eine Propaganda-Schlacht in Schleswig-Holstein führen wollen, spricht doch eher dafür, daß diese Verlage um den Bestand der Reform in ihrer Gesamtheit fürchten.
Daß eine Entscheidung in Schleswig-Holstein die gesamte Rechtschreibreform kippen kann, hat ja auch schon vor über einem Jahr der Bundesgeschäftsführer der SPD erkannt. In einem Brief an die "lieben Genossinnen und lieben Genossen" vom 14. August vergangenen Jahres stellt der Chef ihrer "Kampa" fest: "Sollte ein Land ausscheren wäre die Reform gescheitert". Und noch schwerer als diese Erkenntnis Ihres Bundesgeschäftsführers, Frau Böhrk, wiegt das, was der damalige Präsident der Kultusministerkonferenz, Ihr niedersächsischer Kollege Professor Wernstedt, am 7. August 1997 erklärt hat: "Sollte irgendein Land letztinstanzlich gerichtlich gezwungen werden, eine gesetzliche Grundlage für die Schreibreform zu schaffen, ist im Interesse der Einheitlichkeit der Regeln im deutschen Sprachraum ein abgestimmtes Vorgehen der Länder und des Bundes unerläßlich." Ist nicht der Volksentscheid nach unserer Verfassung eine letzte Instanz?
In diesem Zusammenhang dürfen Sie auch nicht außer Acht lassen, daß der Deutsche Bundestag in seiner Resolution vom 4. März diesen Jahres die Bundesregierung aufgefordert und die Kultusminister gebeten hat, ein Verfahren zu entwickeln, in dem die Fortentwicklung der Sprache behutsam nachgezeichnet und festgestellt wird, was als Konsens in der Sprachgemeinschaft gelten kann. Und weil der Bund Entscheidungsträger zwar nicht für die Schulen, wohl aber für die deutsche Amtssprache ist, ist die Rechtschreibreform eben noch nicht endgültig beschlossen und eingeführt.
Sie beschwören das Bild von der Insellage, weil Sie um eine Reform fürchten, die Sie zu Ihrem Dogma erhoben haben. Dabei nutzen Sie in Ihrem Werben für die Reform alle Ihnen auch dienstlich zur Verfügung stehenden Mittel und setzen auch das Geld der Steuerzahler ein. Sie lassen damit jeden Respekt vor dem Souverän vermissen und vergeuden Steuergelder.
Diese Regierung macht Wahlkampf gegen das Volk.
Und ich bin sicher, daß die Sozialdemokraten, die seinerzeit für die plebiszitären Elemente massiv gekämpft haben, wie zum Beispiel Gert Börnsen, Ihr Vorgehen gegen den Souverän nicht mittragen würden.
In der Resolution des Deutsches Bundestages heißt es treffend: "Die Sprache gehört dem Volk". Nicht den Kultusministern und nicht der Ministerpräsidentin. Sie haben dies bis jetzt gröblich mißachtet. Und deshalb muß der Landtag heute Ihr Verhalten, Frau Böhrk, mißbilligen.