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Deutschlandfunk Interview
Montag bis Sonntag
26.8.2004
Kommissionsvorsitzender verteidigt Rechtsschreibreform
Interview mit Karl Blümel, Vorsitzender der zwischenstaatlichen Rechtschreib-Kommission
Moderation: Peter Lange
[Bild Duden in braungrau]
Der Duden (Foto: AP)
Peter Lange: In diesem Sommer gab und gibt es in der öffentlichen politischen Debatte im Grunde zwei Fronten. An der einen kämpfen die, die um ihre finanziell Existenzgrundlage besorgt sind, Stichwort Hartz IV, an der anderen kämpfen die, bei denen es nicht so aufs Geld ankommt, Stichwort Rechtschreibreform. Am Montag traf sich in Wien die zwischenstaatliche Kommission, die für die Rechtschreibreform verantwortlich ist. Dieser Tage kommt der neue Duden in den Buchhandel, und da klagen nun Reformgegner, anders als mal von den Kultusbürokraten versprochen gibt es bei vielen kritisierten Regelungen doch keine Wahl zwischen Neu und Alt, sondern die neuen Regelungen werden nun auch noch verbindlich. Also die nächste Runde im Streit um die Rechtschreibung ist programmiert. Am Telefon in Wien begrüße ich nun Karl Blümel. Er ist zur Zeit der Vorsitzende der zwischenstaatlichen Kommission, die diese Rechtschreibreform auf dem Weg gebracht hat und weiter begleitet. Herr Blümel, Sie sind also, wenn ich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgen darf, der Chef dieses Geheimbundes, der ständig unsere Rechtschreibung verschlimmbessert. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Karl Blümel: Also zunächst einmal muss ich Sie ein bisschen korrigieren. Es gab in Wien keine Sitzung der zwischenstaatlichen Kommission. Das war nie vorgesehen, ich weiß nicht, wer das erfunden hat. Auf jeden Fall gab es ein Treffen der Beamten, die sich mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob es nach dem Ende der Übergangsfrist auch so ein Gremium wie der Rat für deutsche Rechtschreibung oder so etwas geben soll. Das Zweite, was sage ich nun zu meiner Verteidigung? Wir haben, als wir vor acht Jahren die Reform gemacht haben, auf jeden Fall in vielen Bereichen eine bessere Rechtschreibung erzeugt als sie vorher war, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Es ist das erklärte Ziel gewesen, dass man die Zahl der unendlichen Ausnahmen schlicht und einfach reduziert, so dass deutsche Schreibung wieder stärker den Regeln folgt, was seit 1901 nicht geschehen war. Das ist gelungen, das ist überhaupt keine Frage. Dass es nicht einfach geworden ist, das ist eine andere Sache. Eine Schreibung, die seit vielen Jahrhunderten besteht, kann nicht einfach werden, aber sie ist einfacher und besser lehrbar geworden, und das ist der wesentliche Punkt, nämlich für die Kinder besser lehrbar.
Lange: Aber trotzdem wirkt das Ganze immer noch wie eine Baustelle. Alle Jahre wieder gibt es da einen neuen Duden, da sind wieder neue Schreibungen drin. Jetzt haben wir einen neuen, da sind auch wieder einige Merkwürdigkeiten drin. Nehmen wir mal das Beispiel Getrennt- und Zusammenschreibung von Partikel und Verb. Also hier bleiben schreibt man auseinander, dableiben zusammen, dort bleiben wieder auseinander, wegbleiben wieder zusammen. Wer soll das kapieren?
Blümel: So darf man das nicht sehen. Normalerweise hat man ja nicht eine Liste von Partikeln vor sich das ist ja nur in einem Regelwerk so , sondern üblicherweise richtet sich Getrennt- und Zusammenschreibung danach, welche Bedeutung hier zum Tragen kommt. Was wir dazugetan haben, ist ja nur, grammatische Hilfen zu geben. Es wurden hier die Partikel aufgelistet, was normalerweise kein Mensch macht, dass er eine Liste von Partikeln anschaut. Das ist ja nur für die Wörterbuchmacher, dass sie nachschauen können. Es gibt nicht alle Augenblicke Änderungen, muss ich sagen, sondern es hat eine Einführung gegeben im Jahre 1996, und jetzt kommt mit dem vierten Bericht der Kommission eine Änderung, die eigentlich erst ab 2005 gültig sein wird, aber der Duden hat sie jetzt schon zum allergrößten Teil übernommen, weil sie sagen, sie haben jetzt die Jubiläumsausgabe. Dazwischen gab es keine einzige Änderung. Es wurde nur viel diskutiert, das ist richtig.
Lange: Meinen Sie denn wirklich, dass das jetzt die letzten Änderungen waren? Gehen Sie wirklich davon aus, dass das Ganze ab 2005 verbindlich wird und ich dann nicht alle paar Jahre einen neuen brauche?
Blümel: Ich gehe davon aus, dass sich in bestimmten Bereichen die Schreibung natürlich weiterentwickeln wird. Das geht gar nicht anders, das war immer so und wird auch in Zukunft so sein. Sie erinnern sich vielleicht, durch die Medien ist diese Sage von Marcel Reich-Ranicki mit dem wohlverdient. Es war falsch, was er gesagt hatte. Sowohl nach der alten Rechtschreibung als auch nach der neuen schreibt man es zusammen. Da hätte er ohne Weiteres nachschauen können, und er hätte es in jedem Wörterbuch gefunden, aber das erst seit zehn Jahren, denn zum Beispiel im Duden von 1968 gab es das Wort wohlverdient noch überhaupt nicht. Das ist erst dann entstanden. Und so gibt es immer wieder neue Wörter, neue Zusammensetzung, weil eben die Notwendigkeit besteht, bestimmte Dinge neu auszudrücken.
Lange: Diese zwischenstaatliche Kommission sitzt ja nun seit vielen Jahren zusammen. Dieses nicht sehr schmeichelhafte Porträt der FAZ, auf das ich am Anfang eingegangen bin, beschreibt dieses Gremium, gelinde gesagt, als einen abgehobenen, eitlen, intellektuellen Zirkel. Müssen Sie nicht inzwischen zugeben, dass es da doch eine gewisse Unfähigkeit der Kommission gab, vielleicht auch noch gibt, diese Reform zu vermitteln, eine Unfähigkeit zur öffentlichen Kommunikation?
Blümel: Sehen Sie, das ist eine gewisse Schwierigkeit. Die Kommission wurde überhaupt erst 1997 geschaffen mit der expliziten Aufgabe, sie soll die Reform begleiten, also sehen, wie sie umgesetzt wird, und dann den zuständigen Behörden Rückmeldungen geben, ob etwas geändert werden soll. Es ist nie gesagt worden, dass die Kommission in die Öffentlichkeit treten soll. Sie hat eine ganz bestimmte Aufgabe bekommen. Die verantwortlichen staatlichen Stellen haben sie eingesetzt. Das war in Deutschland die KMK, in Österreich das Bildungsministerium und in der Schweiz die EDK, und sie haben gesagt, ihr beobachtet, wie die Reform angenommen wird, und dann sagt ihr bis 2005, soll etwas geändert werden oder nicht geändert werden. Die Leute, die jetzt in dieser Kommission sitzen, sind nicht dieselben, die die Reform gemacht haben.
Lange: Nicht nur in Deutschland, auch bei Ihnen in Österreich kehren ja jetzt die ersten Zeitungen zur alten Rechtschreibung zurück.
Blümel: Nein, bei uns kehrt keiner zurück.
Lange: Die Kronenzeitung las ich gestern.
Blümel: Nein, nein. Da gab es einige Änderungen, das sind sogenannte Hausorthografien, das geschieht auch bei Ihnen. Also fast alle Zeitungen haben Hausorthografien.
Lange: Aber ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss, wenn jeder seine eigene Hausorthografie hat? Frühe konnte man Schülern sagen, lies die Zeitung, und dann hast du die Grammatik, die Schreibweise intus. Das geht ja jetzt gar nicht mehr.
Blümel: Na ja, es wird nicht jede Zeitung eine haben, aber Hausorthografien hatten immer schon alle großen Verlagshäuser und alle Zeitungen, und Hausorthografien heißt im Wesentlichen, man bestimmt dort, wo es zwei Möglichkeiten gibt, eine als die, die in dem Hause immer verwendet wird. In dem Sinne habe ich nicht so große Angst. Natürlich wäre es pädagogisch sinnvoller, wenn die Zeitungen ganz genau die Rechtschreibung verfolgten, wie sie im Duden steht, aber das taten sie nie.
Lange: Vielen Dank für das Gespräch.
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