Hans Paasche
In der „jungen Welt“, die weiterhin in bewährter Rechtschreibung erscheint, erinnert Helmut Donat an Hans Paasche und seine »Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland«, dessen fiktiver Reisebericht vor hundert Jahren in Briefform erschien:
Alles, was die Deutschen damals als besonders wertvoll und selbstverständlich ansahen, stellt Lukanga in Frage. Der Hurrapatriotismus, die Heuchelei und Großmannssucht, der Korpsgeist und die Vergötzung der Macht, der Pflicht- und Ehrbegriff, das Erbrecht und die soziale Ungerechtigkeit, die Organisation des Arbeitslebens, der Volkswirtschaft, des Verkehrs und Geldwesens, die Eß- und Trinkgewohnheiten, das »Rauchstinken«, die sinnlose Geschäftigkeit und Bierseligkeit, die »Unsitte des Bekleidens«, die Reklame und Buchstabengläubigkeit, die Schmutz- und Schundliteratur, die alltäglichen Lebenslügen und Verrücktheiten der Weißen: All das und mehr wird von Lukanga Mukara staunend betrachtet und anschaulich und geistreich, spöttisch und verabscheuend, aber auch mitfühlend für das Leid der Betroffenen geschildert...
In Ostafrika war er [Hans Paasche] 1905 an der Niederwerfung von Aufständen beteiligt und wandelte sich vom Marine- und Kolonialoffizier zum Ankläger des Militärwesens und »Freund Afrikas«. Er trat für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für Umwelt-, Tier und Naturschutz ein, bekämpfte den Militarismus und Nationalismus, die Todesstrafe und den Alkoholismus, wirkte für Vegetarismus, Bodenreform, Frauenstimmrecht und »natürliche Lebensweise«. Wegen seiner Kriegsgegnerschaft wurde Paasche im Oktober 1917 inhaftiert und in ein Berliner Nervensanatorium gesteckt. Rosa Luxemburg, Carl von Ossietzky, Kurt Tucholsky und Friedrich Wilhelm Foerster bewunderten ihn... Im Mai 1920 erschossen ihn rechtsradikal gesinnte Reichswehrsoldaten auf seinem Gut »Waldfrieden« in der Neumark. Hans Paasche hat den Erfolg seines »Lukanga Mukara« nicht mehr erlebt.
jungewelt.de 12.05.2012
Ich besaß während meiner Schulzeit den „Papalagi“ von Erich Scheurmann und war erstaunt, als ich erfuhr, daß dieser nur ein wenig später erschienenes Ideenplagiat von Paasches Brieftexten war. Als der „Papalagi“, neu aufgelegt, im Zuge der Alternativwelle 1977 zu einem ungeahnten Erfolg wurde, kam es zu einem bemerkenswerten Rechtsstreit mit bundestypischem Ausgang – siehe ZEIT v. 24.11.1989, noch in „unverzimmerter“ Rechtschreibung.
Paasche wäre ein würdiger Namengeber für Straßen u.ä. Anscheinend hat das aber noch niemand erfolgreich vorschlagen können.
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