Herr Augst ist zufrieden
Anmerkungen zu einem Artikel der Siegener Zeitung vom 28.10.2004
Augst hat zwar nur wenig zum Inhalt der Rechtschreibreform beigetragen (einbläuen, Quäntchen, Zierrat), dennoch ist sie weitgehend sein Werk. Denn seinem Geschick und seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, daß sich heute die Mächtigen unseres Landes für die Durchsetzung der Reform stark machen: Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer, SPD-Chef Müntefering, alle Ministerpräsidenten und Kultusminister, STERN, FOCUS und taz. Nur wenige haben es geschafft, sich aus diesem Netz zu lösen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar ausdrücklich festgestellt:
„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“ (Urteil vom 14. Juli 1998, S. 59)
Aber was besagt das schon, wenn die Drahtzieher hinter der Exekutive ihr Machtwort sprechen und dabei die Tatsachen und die Rechtslage nach Belieben verbiegen:
„WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach hält die Rückkehr deutscher Verlage zur alten Rechtschreibung für einen ‚Akt der Selbstüberschätzung’. Das sagte er dem Politikmagazin ‚Cicero’. ‚Ich möchte nicht in der Haut der Kollegen stecken, die geglaubt haben, dass sie die Stimmung im Land kippen können. Sie werden irgendwann zurückrudern und dabei ihr Gesicht wahren müssen’, so Hombach. Über die Rechtschreibreform lasse sich trefflich streiten. Mit der Ankündigung von ‚Spiegel’, ‚Welt’ und ‚Bild’, wieder zur alten Schreibweise zurückzukehren, sei aber eine Grenze überschritten worden. Regeln, die von einer demokratisch legitimierten Institution gesetzt werden, demonstrativ nicht zu befolgen oder aushebeln zu wollen, könne bei einem Staatsnotstand geboten sein. Den hätten die Kultusminister aber ‚sicher nicht ausgelöst’, betonte der ehemalige Kanzleramtsminister und SPD-Politiker in ‚Cicero’.“ (Börsenblatt 27.10.2004)
Hombach interessiert sich so wenig wie Schröder und die anderen Genannten für die Sprache oder gar für die Schulkinder. Die Rechtschreibreform ist eine reine Machtfrage geworden, ein Prüfstein für die Durchsetzbarkeit von Regierungsmaßnahmen gegen jeden Widerstand, sei er sachlich noch so begründet. Den Betreibern der Reform ist es gelungen, das sinnlose, nicht einmal von ihnen selbst so gewollte Regelwerk in diesen Mechanismus einzuschleusen, so daß es sich zu einem politischen Selbstläufer entwickelte.
Seinen Stolz auf diese Leistung hat Augst schon früher in einem autobiographischen Rückblick zum Ausdruck gebracht; über die Unterzeichnung der Wiener Absichtserklärung berichtet er: „Es war für mich ein bewegender Augenblick, aus der zweiten Sitzreihe – neben den Mitstreitern Blüml, Heller, Ebner und Sitta – mitzuerleben, wie neun Beauftragte – darunter leibhaftige Ministerinnen und Minister – die ,Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung‘ am 1. Juli in Wien unterzeichnet haben. 1973 hatte ich zum ersten Mal etwas zur Rechtschreibreform geschrieben. Sah es damals durch den Frankfurter Kongreß ,vernünftiger schreiben‘ nach baldiger Reform aus, so vergingen nun doch noch 23 Jahre schwieriger Arbeit mit einem Auf und Ab der Gefühle, vielen Verunglimpfungen (,Honeckers fünfte Kolonne‘), aber auch Ermutigungen durchzuhalten, vor allem aus der ersten Reihe.“ (H. Strunk [Hg.]: Documenta orthographica, Hildesheim 1998, S. XVIII).
Augst hat es geschafft, in der deutschen Schriftsprache eine Verwirrung herbeizuführen, die in der Sprachgeschichte ohne Beispiel ist. Milliarden Euro an Volksvermögen wurden vernichtet. Die Aufräumarbeiten werden Jahrzehnte dauern. Der Name Augst wird zweifellos in die Geschichte eingehen. Er kann zufrieden sein.
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Th. Ickler
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