Thomas Paulwitz (JF) zu den Ratsberichten
Einzelheiten zur Rechtschreibreform 2011
Dürftig fällt die neue Reform der Reform aus. Der Rat für deutsche Rechtschreibung übergab in Brüssel am vergangenen Donnerstag seinen zweiten Tätigkeitsbericht der Kultusministerkonferenz. Er umfaßt den Zeitraum von März 2006 bis Oktober 2010. Die Reform ist zum einen gerade einmal so groß, daß neue Wörterbücher zu drucken sind. Zum anderen ist sie jedoch so winzig, daß sie keinen wesentlichen Mangel behebt, wie zum Beispiel den Wirrwarr doppelter Schreibweisen.
Rüffel für den Duden
Zwar erhält die Duden-Redaktion in dem Bericht einen deutlichen Rüffel für die Empfehlung altreformerischer Schreibweisen: „Als nicht sehr glücklich wurde angesehen, dass zumindest eines der auch im Rat vertretenen großen Wörterbücher von der ‚Beobachtungsmaxime‘ des Rats deutlich abgewichen ist und – v. a. im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung – die Schreibungen empfohlen werden, die mit der Reform von 1996ff. verbunden sind.“ An der Ursache des Übels, daß nämlich die Doppelschreibweisen verschiedene willkürliche Empfehlungen zulassen, ändert sich jedoch überhaupt nichts.
„Sketsch“ geht, „Schmand“ kommt, „Spagetti“ bleibt
Unter dem Strich bleibt von viereinhalb Jahren Ratsarbeit die folgende Empfehlung: „Der Rat empfiehlt die Streichung der Variantenschreibungen Butike, Fassette, Kabrio, Katarr, Krem/Kreme, Kupee, Maffia, Maläse, Mohär, Myrre, Scharm (inkl. scharmant), Schikoree, Schose, Sketsch, Sutane, transchieren. Der Rat empfiehlt die Aufnahme der Schreibungen Caprice, Clementine, Crème, Schmand.“ Das war’s. Nicht einmal zu einer „Spaghetti“-Reform hat es gereicht: Die von den Reformern erfundene Fehlschreibung „Spagetti“ bleibt den Schülern erhalten.
Keine Verwechslungen beim „dass“?
Ein Witz ist, daß der Rat die in der „AG Korpus“ versammelten Wörterbuchverlage damit beauftragte zu begutachten, ob sich die eigenen Textsammlungen für eine Beobachtung des Schreibgebrauchs eignen. Und, welch ein Wunder: „Dabei zeigte sich sehr schnell, dass Vorbehalte im Hinblick auf die Grenzen einer Korpusanalyse unbegründet waren.“ Die Textsammlungen wiesen erstaunlicherweise „einen hohen Grad an Zuverlässigkeit“ auf. Wer bescheinigt sich schon selbst etwas Schlechtes?
So kommt die AG Korpus zum Beispiel für das Wort „dass“ zu dem Ergebnis einer „Normentsprechung von 100% nach dem Jahr 2000“. Die Schreibung „dass“ statt „daß“ wenden die Zeitungen also angeblich völlig problemlos an. Eine kleine Stichprobe in „Google News“ genügt, um nachzuweisen, wie wirklichkeitsfern dies ist. So gibt es immer noch jede Menge Belege für „daß“ statt „dass“ und für die fehlerhafte Schreibung von „dass“ statt „das“. Ebenso lassen sich mit Leichtigkeit Belege finden, bei denen von „das“ statt von „dass“ zu lesen ist. Die vermeintliche „Normentsprechung von 100%“ ist also hundertprozentiger Blödsinn.
Eisenbergs Rückbauversuch scheiterte
Der Versuch des Sprachwissenschaftlers Peter Eisenberg, über eine Neuformulierung der Regeln den Rückbau der Reform fortzusetzen, scheiterte mit Pauken und Trompeten. So heißt es in dem Bericht vorwurfsvoll, Eisenbergs Entwurf sei „an einer entscheidenden Stelle von den geltenden Regeln“ abgewichen. So habe er „Kleinschreibung für einzelne Formen substantivierter Adjektive in erstarrten Verbindungen mit idiomatisierter Bedeutung“ vorgesehen. Eisenberg wollte also wieder Schreibungen wie „im allgemeinen“ (statt „im Allgemeinen“) zulassen.
Das kam bei den übrigen Ratsmitgliedern allerdings schlecht an. Die Rats-„AG Linguisten“, in der neben Eisenberg die Altreformer Richard Schrodt und Peter Gallmann sitzen, und die „AG Korpus“, die die Wörterbuchverlage umfaßt, zogen die Notbremse und gaben eine gemeinsame Stellungnahme ab. Der Direktor des Instituts für deutsche Sprache (IDS), das den Rechtschreibrat beherbergt, faßte sie so zusammen: „Die zu erarbeitende Textfassung … darf keine neuen Schreibungen erzeugen, muss aber sich vollziehende Änderungen in der Schreibgewohnheit aufnehmen können. … Die Erarbeitung einer solchen Textfassung wird von den Mitgliedern der beiden AGs als mittelfristige Aufgabe verstanden, die ohne äußeren Druck angegangen werden sollte.“
Das bedeutet, daß das Regelwerk unangetastet bleiben soll und lediglich Varianten gestrichen werden können, allerdings frühestens in fünf Jahren, wenn der Rat seinen dritten Bericht abliefert.
Solange Altreformer und Wörterbuchverlage die Arbeit des Rechtschreibrats bestimmen, wird die Rechtschreibreform weiterhin lediglich im Schneckentempo zurückgebaut.
jungefreiheit.de 11.12.2010
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