Sick
Bastian Sick zieht über Leute her, die ein frohes „Neues Jahr“ wünschen.
… Das neue Jahr ist aber kein feststehender Begriff, sondern eine ganz gewöhnliche Fügung aus einem Eigenschaftswort und einem Hauptwort. …
Es besteht in der deutschen Volksseele eine tiefe Verunsicherung [vermehrt durch die „Rechtschreibreform“] darüber, wann etwas großgeschrieben wird und wann nicht. Auf unzähligen Schildern, Tafeln und Transparenten werden Reisende und Kunden mit den Worten Herzlich Willkommen begrüßt. Das sieht schön aus, ist aber orthografisch nicht einwandfrei; denn willkommen ist hier kein Hauptwort, sondern ein Adjektiv und muss folglich kleingeschrieben werden…
Wer Herzlich Willkommen! schreibt, denkt oft schon an Auf Wiedersehen!. Bei Letzterem ist es nämlich richtig, das zweite Wort großzuschreiben, da es sich um ein substantiviertes Verb handelt: Auf Wiedersehen ist die Kurzform von Auf ein Wiedersehen.
[Hier unterwirft sich Sick unkommentiert der Reformgroßschreibung, deren Unsinn in einer Reihe ähnlicher Wörter offenbar wird: „… bei Letzterem ist es richtig, bei Diesem und Jenem aber nicht mehr!“]
… Hier Bitte Münzen einwerfen, steht auf einem Automaten oder Affen Bitte nicht füttern an einem Tiergehege. Dabei ist bitte ein Adverb und ist bitte nur dann großzuschreiben, wenn es am Satzanfang steht. Danke!
Beim bitte-Schwesterwort danke ging die Verwirrung so weit, dass die Rechtschreibreformer beschlossen, die Großschreibung für zulässig zu erklären. Nicht beim Verb danken (Ich Danke dir ist nach wie vor falsch), sondern beim Adverb danke: Ich möchte dir Danke sagen. Das ist heute erlaubt, sogar empfohlen. Die klassische Schreibweise Ich möchte dir danke sagen ist nur noch zweite Wahl...
[Der „Dank“ wird in Reformer-Denke zur „Danke“.]
Als ich meine Freundin Sibylle einmal per SMS fragte, ob ich sie ins Kino einladen dürfe, schrieb sie neuorthografisch korrekt zurück: Da sage ich nicht Danke!
In der nächsten Rechtschreibreform wird dann vielleicht Herzlich Willkommen für korrekt erklärt und Neues Jahr zum Namen ernannt. Das möchte ich aber Bitte nicht mehr erleben müssen!
spiegel.de 11.4.2012
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