Passauer Neue Presse
PNP (Waldkirchen) vom Donnerstag, 23. März 2006
Enttäuschung über die Reform der Reform
Erneute Änderungen der Rechtschreibung Regeln verwirren und verärgern Lehrer, Schüler und Eltern
von Elisabeth Salwiczek.
Waldkirchen. 18 Jahre ist Veronika alt und so hat sie in ihrer Schullaufbahn schon einiges mitgemacht in Sachen Rechtschreibreform. »Über Trennungen wie Tee-nager und Julia-bend haben wir uns eigentlich nur lustig gemacht«, sagt die Waldkirchner Abiturientin. »Wirklich mitbekommen haben wir die vielen Änderungen allerdings nicht, ich schreibe mehr nach Gefühl. «
So einfach können es sich die Lehrer allerdings nicht machen und so ist nach der jüngsten Reform der Reform in den Lehrerzimmern der Frust groß. »Wer nicht weiß, wohin er will, braucht sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt«, sagt zum Beispiel der Waldkirchner Grundschulleiter Heinz Pollak. »Man hat sich mit Nebensächlichkeiten wie die Schreibweise von Stengel, bzw. Stängel oder Gemse bzw. Gämse verzettelt. «
Schlicht als Blamage bezeichnet Pollak die Entwicklung der Reform der letzten zehn Jahre: »Unterm Strich ist nichts Vernünftiges übrig geblieben und das rechtfertigt den riesengroßen Aufwand und die erheblichen Kosten in keinster Weise. « Der Schulleiter sah ohnehin von Anfang an keine Notwendigkeit, überhaupt etwas bei der Rechtschreibung zu ändern und ihm fehlte bei vielen Dingen der Reform die Logik.
Das Hin und Her um die richtige Rechtschreibung ärgert Heinz Pollak aus mehreren Gründen: »Nicht nur die Schüler sind dadurch äußerst unsicher, auch wir Lehrer und viele Eltern wissen in manchen Fällen nicht mehr, wie jetzt korrekt geschrieben wird. Außerdem gibt es an Schulen viel größere Probleme wie etwa die hohen Klassenzahlen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. «
Für den Leiter der Maria-Ward-Grundschule müssen Reformen Verbesserungen bringen und wenn das Ergebnis im Wesentlichen der Stand von vor der Reform ist, dann sei am Ziel vorbei gearbeitet worden. »Manche Änderungen wurden auch unzureichend erklärt. Es hieß, aus ,ß‘ wird ,ss‘. Dass jedoch nicht jedes ,ß‘ ein ,ss‘ wird, hat keiner gesagt. Da wurde dann der Fuß mit Doppel-s geschrieben. «
Auch Hanns Morhard, Schulleiter der Hauptschule Waldkirchen, ist mit der Entwicklung in Sachen Rechtschreibreform alles andere als zufrieden: »Das ist so überflüssig wie ein Kropf. Die Reform hat keine Vereinfachung gebracht, sondern alles nur schwieriger gemacht. « Er beklagt vor allem die entstandene Unsicherheit: »Mit welcher Version sollen wir nun an der Schule den Unterricht gestalten?« Bei den Schülern sei das nicht so schlimm, da in Bayern Übergangsregeln gelten. Sie dürfen im Prinzip so schreiben, wie sie wollen. »Aber wir Lehrer müssen uns ja an die korrekte Schreibweise halten. Und welche Version ist denn nun die richtige Version?«
Einzig sinnvolle Änderung wäre laut Morhard die Regelung der Groß- und Kleinschreibung gewesen: »In anderen Ländern wie England oder Frankreich gibt es so etwas nicht, da schreibt man bis auf Namen alles klein. Mit einer solchen Änderung hätte man sehr vereinfachen können. «
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»Als ob wir nicht andere
Probleme hätten«
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Beklagenswert seien auch die immensen finanziellen Ausgaben für aktualisierte Lehrmittel. »Ob ich DM oder Euro zusammenzähle, ist egal es geht um den richtigen Rechenweg. Aber Lehrbücher für Deutsch müssen in der korrekten Rechtschreibung verfasst sein«, sagt der Hauptschulleiter. Nach der erneuten Änderung müssten folglich die Bücher auch geändert werden. »Als ob wir in Deutschland nicht genug andere Probleme hätten,« kritisiert Morhard. »Sprache ist etwas Lebendiges sie entwickelt sich von selber weiter. Man braucht hier nicht künstlich reformieren.«
Gedanken gemacht haben sich zu dem leidigen Thema Rechtschreibreform auch Anita Fischbacher und Maria Fürst von der Förderschule in Waldkirchen: »Wir würden uns freuen, wenn wenigsten wir Lehrer bald wüssten, wie wir was zu schreiben haben. Gegen eine sinnvolle Vereinfachung ist überhaupt nichts einzuwenden. « Wichtig erscheint ihnen allerdings, dass die Schreibweise in allen Bereichen der Öffentlichkeit einheitlich angewandt wird.
Problematisch sehen sie die oft absurde Eindeutschung gängiger Fremdwörter. Ein Beispiel: Aus Ketchup wurde Ketschup. Sollte es dann nicht sinnvollerweise und dem Gedankenweg folgend Ketschap heißen?
Dr. Gerlinde Wucherpfennig, Elternbeiratsvorsitzende der Grundschule in Waldkirchen, begrüßt indes die jüngste Änderung: »Viele Dinge waren nach der Rechtschreibreform nicht logischer als vorher. Solche Trennungen wie I-gel, E-cho, U-fer, a-ber und O-zon verhindern bei Kindern das flüssige Lesen. « Allerdings glaubt sie nicht, dass die Änderungen dazu führen, dass neue Schulbücher gedruckt werden müssen so wie damals, als die Rechtschreibreform das erste Mal zugeschlagen hat. Ein neuer, abermals geänderter Duden kommt aber und zwar im Sommer.
Lokalteil Waldkirchen: http://www.pnp.de/waldkirchen
[Nach Passauer Neue Presse v. 23.3.2006 (Online)]
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