Präfix, der stolze Gallier
Die von Sigmar Salzburg genannte Auslegung würde ich für etwas verschroben halten, viel wahrscheinlicher kommt es mir vor, diesen Satz so zu verstehen, daß die Strafverfolgung im Bereich der illegalen Prostitution verbessert werden soll; etwa mit vermehrten Einsatz spontaner Razzien, um die Huren womöglich in flagranti ertappen zu können. Man will sie auf diese Weise eben besser stellen können.
Daran wird deutlich, daß das Wort stellen selbst schon nicht ganz eindeutig ist. Auch wenn man es in dieser Schlagzeile nicht im obigen übertragenen Sinne von "überführen versteht (das seinerseits auch ganz andere Bedeutungen haben kann), kann das stellen einerseits auf Positionierung deuten (richtig aufstellen), aber auch für ausreichende Stabilisierung des Stehens (richtig hinstellen).
Eine typische Pro-Rechtschreibreform-Argumentation, die die derzeit amtlichen neuen GZS-Regeln verteidigt, würde nun auf diesen Umstand aufbauen. Die Sprache funktioniere doch offenbar auch trotz dieser Mehrdeutigkeiten, also könnten doch die neuen Mehrdeutigkeiten durch vermehrte Getrenntschreibung (bzw. eigentlich unsachgemäße Regelung dieses Bereichs) nicht so schädlich sein, wie die Reformgegner immer behaupteten. Dabei läßt sich nebenher noch auf die Tatsache verweisen, daß es keine Zusammen- und Getrenntsprechung in der Rede, analog zur GZS in der Schrift, gibt und die mündliche Kommunikation darunter doch anscheinend auch nicht leidet.
Bei solcher Argumentation wird aber folgendes verkannt: Wie man oben an meiner näheren Differenzierung des Begriffs stellen durch aufstellen und hinstellen sieht, werden Wörter, hier Verben, durch die verbundene Schreibung eines anderen Wortes, hier einer Präposition, genauer bestimmt. Dies ist unwiderlegbar eine Optimierung der Leistung von Sprache. In der Rede unterscheidet sich aufstellen klanglich nicht von auf stellen, insofern, als daß im zweiten Fall gewöhnlich nicht etwa eine Sprechpause eingefügt wird, und sei sie auch noch so kurz. Wieso funktioniert der Mechanismus trotzdem auch dort? Entweder durch die syntaktische Einbettung des entsprechenden Wortes, so sind aufstellen und auf stellen nicht an derselben Stelle eines Satzes frei austauschbar. Oder, wenn ebengenanntes Erkennungskriterium nicht ausreicht oder möglich ist, durch hervorhebende Betonung.
Die Zusammenschreibung in der normalen deutschen Rechtschreibung der Gegenwart bei Verbzusatzkonstruktionen baut auf den erwähnten Mechanismus der genaueren Bestimmung auf. Das Motiv für eine genauere Bestimmung kann unterschiedlich sein, meistens handelt es sich um Richtungs- oder Ergebniszusätze, und vor allem diese sind für eine präzise Sprache besonders unentbehrlich. Leider ist dieses Phänomen in der Reformregelung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die Wortgruppe besser stellen bedeutet nach bisherigem Sprachverständnis eine Verbesserung des Vorgangs des Stellens. Demgegenüber tritt bei der Zusammensetzung besserstellen durchs Stellen eine Verbesserung ein. Zwei ganz unterschiedliche Aussagen.
Fazit: Die oft angeführte Anmerkung von Reformern und Geistesgesellen, Wörter seien auch unabhängig von GZS schon mehrdeutig, ist zwar richtig. Die GZS einbezogen, können sie sogar darauf aufmerksam machen, daß unechte Zusammensetzungen bei Distanzstellung die gleiche Uneindeutigkeit aufweisen wie bei einer getrennt geschriebenen Stellung nebeneinander. Die Sprachtechnik der Zusammenschreibung soll aber nun gerade genau diesen Uneindeutigkeiten der Sprache abhelfen, wie oben gezeigt. Daher ist es so verfehlt, ausgerechnet bei GZS den Kontext bemühen zu müssen, um die Eindeutigkeit herzustellen, die durch den mutwilligen Eingriff der Reformer in diesen Bereich verlorengegangen ist. Und was die aufgespaltenen Zusammensetzungen in Distanzstellung betrifft, so werden auch deren Bestandteile bei direkter Nachbarschaft unter bestimmten Umständen gemäß Neuregelung zusammengeschrieben. Andere jedoch wiederum nicht, wodurch eine einfache Präzisierungsmöglichkeit des betreffenden Ausdrucks dank der neuen Regeln versperrt bleibt.
Die Bedeutungslast der GZS auf den Kontext umverlegen zu wollen, ist bei genauer Betrachtung ein Eingeständnis des Scheiterns, diesen Bereich besser zu regeln als bisher. Der Kontext war ja auch vor der Reform schon immer da, es ist also trotz aller Verteidigungsversuche der Reformbefürworter summa summarum auf jeden Fall ein Funktionsverlust der Schriftsprache zu beklagen. Wenn der Ansatz der Bestimmung durch Kontext überhaupt schon verfolgt wird, wäre es zudem wenigstens eine tatsächliche Vereinfachung der Regeln gewesen, die Zusammenschreibung gleich komplett abzuschaffen. Dann hätte in diesem Bereich die eine einzige Regel gereicht: Alles, was einzeln als Wort vorkommen kann, wird in jedem Fall auch einzeln (d.h. getrennt) geschrieben.
– geändert durch Christian Melsa am 11.05.2001, 17:17 –
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