Re: Staat und Sprache
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Der Staat hat immer nur die Schulorthographie geregelt, dann haben auch Behörden nachgezogen. Die Ausstrahlung der Schulorthographie auf alle Bereiche ist unausweichlich. Sie ist auch unproblematisch, solange das vielzitierte Wort gilt, daß die Schule sich nach der Erwachsenenwelt zu richten habe. Das war ja 1902 auch so. Aus der Schulorthographie erfährt die Sprachgemeinschaft gewissermaßen nur, wie sie selber schreibt. Heute ist es umgekehrt: die Schule wird zum Zwecke der Gesellschaftsveränderung mißbraucht. Das hat Augst so geplant: Die Schule macht den Vorreiter.
Also kann der Ausweg aus der jetzigen Misere prinzipiell nur über eine offizielle Änderung der 1996er Reform führen. Was aber sollte die Kultusminister zu so einem Schritt veranlassen, wenn die Kommission, welche »auf längere Sicht wissenschaftlich begründete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Regelwerkes zu erarbeiten« hat und somit die Kultusminister berät (etwa durch den aktuell anstehenden dritten Bericht der Kommission), sich auch aus Mitgliedern zusammensetzt, welche die Reform selber mit ausgearbeitet haben? Begriffe wie »Befangenheit« oder »Gewaltenteilung« gehen mir dabei durch den Kopf, jeweils mit einem Fragezeichen versehen... Ob sich die Kultusminister dessen bewußt sind? Wessen Idee war es denn, diese Kommission so zusammenzusetzen?
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Man braucht keine staatlichen Vorgaben und kein privilegiertes Wörterbuch. Andere Bereiche der Sprache sind ebenfalls durch Gewohnheiten geregelt, die in einer so dichten Kommunikationsgemeinschaft stets auf Einheitlichkeit konvergieren werden. Das ist zum Beispiel mit der englischen Orthographie so gegangen, die ja viel schwieriger ist und dennoch ziemlich einheitlich und wenig umkämpft. Spelling spielt in englischen Schulen eine große Rolle. Die besten Wörterbücher wirken durch ihre bekannte Qualität, nicht aufgrund staatlicher Privilegierug.
Eine derartige Qualität setzt meines Erachtens eine differenzierte Untersuchung der Sprache voraus, wie sie sich hier in der Diskussion über die »Halbzusammensetzungen« (ich kannte das Wort bisher nicht) im Haupt- und im Nebensatz ergab. Das möchte ich durch meine Zwischenfrage keinesfalls abwürgen... Ist z. B. »eislaufen« wirklich nur ein Gewohnheitsgefüge? Ich kann mir vieles vorstellen, was ich mit Eis machen kann: ich kann Eis sägen, Eis lutschen, Eis hacken, Eis tragen, Eis zerbrechen aber Eis laufen? Was soll das sein?
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Jan-Martin Wagner
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