Zitat: Wie darf ich denn künftig die Heysesche S-Regelung einschätzen?
Die Heysesche ist doch das, was wir jetzt haben.
Da heißt es, nach Langvokal kommt ß, nach Kurzvokal ss.
Eine leicht zu lernende Regel, sofern man mit der alten schon längst vertraut ist. Dann ersetzt man ganz einfach alle ß mit ss, sofern ein Kurzvokal vorangeht.
Was nun Grundschulkinder betrifft, stellt sich die Sache wohl nicht mehr so einfach dar, mutmaße ich mal. Denn die Vokalregel geht für die meisten Sprecher schon bei das und dass flöten, weil es den Längenunterschied in ihrer Aussprache gar nicht gibt.
Und auch sonst ist wohl die Vokalregel nur mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn selbstverständlich ist es nicht so, daß alle /s/-Laute nach Kurzvokalen als ss geschrieben werden (z. B. biss statt bis). Harald Marx hat ja da auch viele Fälle von Übergeneralisierung bei Grundschülern feststellen können.
Ich bin mir nicht sicher, was ich von der Adelungschen s-Schreibung halten soll. Sie ist natürlich komplexer als die Heysesche, täuscht aber andererseits keine Einfachheit im Sinne einer schlichten Orientierung an der Aussprache vor. Vielmehr sind die Formen ß und ss Alternationen, deren Auftreten von der phonetischen Umgebung und der morphologischen Position abhängt. In dieser Hinsicht ist die Adelungsche Regel allerdings völlig konsistent.
Mein Eindruck ist, daß den Kindern nichts erspart bleibt. Sie haben jetzt eine leichtere Regel zu erlernen, mit der sie allerdings auch schneller Schiffbruch erleiden können. Denn alle Wörter, die schon immer mit auslautendem s oder st geschrieben wurden, müssen notgedrungen Ausnahmen sein. Die wenigen Ausnahmen, die der Duden angibt, werden bei weitem übertroffen, wenn man nur ein bißchen überlegt. Mir fallen dabei ein mies, fies, dies, Kies, las, Gras, Glas, Gas, Moos, Mus, Maus, Klaus, Laus, raus, Saus und Braus. Nimmt man auslautendes st dazu, kommen noch die ganzen Flexionsformen für 2. Person singular hinzu liest, siehst, Biest, niest, gehst, nähst, drehst, rast, Faust, saust, baust, meist, feist, reist.
Letztendlich bleibt dem Schüler nichts anderes übrig, als die Schreibung jedes Wortes einzeln zu erlernen, sofern er Fehler durch Übergeneralisierung vermeiden will.
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