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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
Komisch
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J.-M. Wagner
27.01.2002 15.27
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Volksetymologie vs. angelehnte Schreibung; Verfassungsgerichtsfestigkeit

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Die Schreibung potenziell ist, wie viele andere so genannte Vereinfachungen, eine Überflüssigkeit, deren Nutzen allenfalls darin besteht, 'Fortschrittlichkeit' oder eine 'moderne Auffassung' in der Schreibung zu demonstrieren.
Tja, vielleicht; ich halte das eher für eine Volksetymologie (der man evtl. ein wenig nachgeholfen hat, damit sie zustandekommt) – wenn man Potenz schreibt, ist potenziell nicht weit...
Ups, das war wohl ein Schnellschuß, denn das ist ja nur eine Abwandlung der Schreibung und gar keine Volksetymologie, weil beide Wörter („potentiell“ und „Potenz“) die gleiche (lateinische) Herkunft haben (potens, potentis). (Danke für den Hinweis, Frau Philburn!)
Zitat:
Zitat:
Und wie bei fast allen neuen Schreibungen gilt auch hier, daß der Neuschreiber mit dem Versuch, eine einfache Regel abzuleiten, (etwa: Die Schreibungen tial und tiell, da gesprochen /zial/ und /ziell/ schreibt man jetzt zial und ziell) auf die Nase fallen wird:
*Inizialen, *parzial, *parziell, *Exponenzial-, *tangenzial...
Fazit: Hier könnte eine Volksetymologien losgetreten worden sein, so daß letztlich „ti + Vokal“ und „zi + Vokal“ in Fremd- bzw. Lehnwörtern als völlig gleichberechtigt erscheinen. Das potenziell wäre der Auslöser und damit sehr wichtig.
Auch hier geht es nicht um Volksetymologien – zumindest solange man nicht versucht ist, aufgrund der Schreibänderung an eine andere Herkunft des Wortes zu denken (vgl. den Eintrag „Stillstand“ von Herr Ickler zu „Justitium > Justizium“, letzteres ist etymologisch nur korrekt, wenn man dabei nicht an „Justiz“ denkt). Also: keine „Lawine von Volksetymologien“, sondern von an der Aussprache orientierten Eindeutschungen der Schreibung, motiviert durch Beispiele (etymologisch – meist – nicht zu beanstandener) schreiblicher Anlehnungen. – Bei „minutiös, auch minuziös“ bin ich mir in der Beziehung allerdings völlig unsicher, welche die „eigentliche“ (d. h. lange Zeit gebräuchliche) Form ist.

Ein wirkliche Erleichterung dürfte dies aber letztlich nicht sein – nicht nur aus dem von Frau Philburn genannten Grund, daß die Abgrenzung, wie weit man die neugewonnene Freiheit nutzen darf, zusätzliches Wissen erfordert –, weil es einem beim Erlernen einer Fremdsprache (in Deutschland vorzugsweise Englisch oder Französisch) nicht erspart bleibt, sich die andere Schreibweise anzugewöhnen.
Zitat:
Insgesamt läßt sich hier ein gewisses „Strickmuster“ erkennen, das man, etwas überspitzt, so darstellen kann: Die Reformschreibungsregeln, welche ja eine Vereinfachung der Rechtschreibung mit sich bringen sollen, sind in ihrer eigentlichen Form so schwer, daß man vereinfachte Faustregeln benötigt, welche dem Schreibenden das Leben wirklich einfacher machen – weil er sich durch diese in seiner Grundhaltung bestätigt sieht, daß man jetzt schreiben kann, wie man will, und sei es noch so belämmert.
Dazu noch zwei Gedanken: Warum gab es dieses „Chaos“ nicht bereits vor der Reform? Auch damals konnten die Regeln als zu kompliziert empfunden werden. Vielleicht lag es am DUDEN-Privileg, vielleicht lag es aber mehr daran, daß die Faustregeln wirklich funktioniert haben: „Trenne nie 'st', denn es tut ihm weh“, „Ein 'ss' am Schluß schafft Verdruß".

Und: Was bedeutet diese Art der „volkstümlichen Umsetzung“ der Reformschreibungsregeln (durch unbrauchbare Ersatzregeln) für die vom BVerfG betonte Akzeptanz der Rechtschreibreform? Dazu Passagen aus dem Urteil vom 14. Juli 1998:
Zitat:
(Abs. 79 bis 83)
2. Gegen die Erteilung des Unterrichts nach den neuen Regeln haben die Beschwerdeführer Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ihr Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht aus den folgenden Gründen zurückgewiesen (vgl. NJW 1997, S. 2536): [...] Die Rechtschreibung beruhe im deutschen Sprachraum nicht auf Rechtsnormen, sondern auf sprachlichen und damit außerrechtlichen Regeln, die auf Akzeptanz angewiesen seien. [...] Bei der Konkretisierung des gesetzlichen Schulauftrags habe das zuständige Ministerium sinngemäß die Prognose gestellt, daß die Rechtschreibreform die notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde. Nach derzeitigem Kenntnisstand sei diese Prognose nicht zu beanstanden.
In den unmittelbar darauffolgenden Sätzen heißt es aber:
Zitat:
(aus Abs. 83)
Da die außerrechtlich normierten Regeln der Reform auch durch staatlichen Einfluß, insbesondere den der Kultusministerkonferenz, geprägt seien, hänge die Akzeptanz maßgebend von der innerstaatlichen und fachlichen Kompetenz dieses Normgebers ab. Rechtschreibreformen würden in Deutschland seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als letztlich staatliche Aufgabe verstanden.
Diese Passagen gehen auf das Oberverwaltungsgericht zurück; das BVerfG selbst hat festgestellt:
Zitat:
(Abs. 167 und 168; Hervorhebung: J.-M. W.)
2. Nach diesen Maßstäben ist der angegriffene Beschluß des Oberverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Oberverwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung die Bedeutung der Rechtschreibreform für die Spracherziehung in der Schule gewürdigt. Es hat die künftige Rechtschreibung in Beziehung gesetzt zum Schulauftrag nach den §§ 4 und 11 SchulG und für die Unbedenklichkeit der schulischen Einführung „einer künftig geltenden Schreibweise der deutschen Sprache“ im Erlaßwege darauf abgestellt, daß sich die Schule lediglich allgemein zu erwartenden Rechtschreibänderungen anpasse. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, daß es der Rechtschreibreform nicht nur um eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache, sondern um eine Reform der Schreibweise der deutschen Sprache im deutschen Sprachraum überhaupt gehe und daß nach der nicht zu beanstandenden Prognose der Kultusverwaltung die Rechtschreibreform die für eine Sprachgeltung notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bedeutung dieser Reform für den Schulunterricht also darin gesehen, daß sich an dessen Ziel, Schülern die allgemein üblichen Rechtschreibkenntnisse zu vermitteln, nichts ändern werde. Diese Auffassung liegt nicht so fern, daß es die Beteiligten vor dem Erlaß der angegriffenen Entscheidung darauf hätte hinweisen müssen.
Auch hier wird wieder das OVG zitiert; der letzte Satz gibt zu erkennen, daß das BVerfG inhaltlich mit dem OVG übereinstimmt.

Mein Eindruck: Solange die »fachliche Kompetenz des Normgebers« als Maßstab für die Akzeptanz der Rechtschreibreform gesehen wird, spielt die tatsächliche Umsetzung der Reform (d. h. in der alltäglichen Praxis) keine Rolle – selbst wenn dies mittels unbrauchbarer Faustregeln geschieht und selbst wenn die verschiedenen Zeitungsverlage ihre unterschiedlichen Hausorthographien pflegen. Gestützt wird dies durch eine fatale „Selbstkonsistenz“ – besser: selbsterfüllende Prophezeihung -: In der Erwartung, daß sich der allgemeine Schreibgebrauch an die Reformschreibung anpassen wird, wird diese an den Schulen unterrichtet – aber letztlich ändert sich ja ersterer erst aufgrund der Unterrichtspraxis, und zwar mit dem Hinweis, daß die Reformschreibung die den Schülern vertrautere sei. Auf diese Weise kann man allerdings jede Reform „begründen“, denn dieser Zirkelschluß funktioniert auch, wenn man irgend etwas anderes an Stelle der „Reformschreibung“ einsetzt; der Inhalt spielt hierbei keine Rolle.

Vielleicht hat aber das BVerfG bezüglich der »für eine Sprachgeltung notwendige[n] allgemeine[n] Akzeptanz« eine andere Auffassung als das OVG. Ob man es dazu bringen kann, die Gleichsetzung von Akzeptanz und Normgeberkompetenz zu hinterfragen?

Es bleibt für mich außerdem die Frage, ob nicht in der Darstellung des OVG ein Widerspruch deutlich wird, wenn einerseits darauf hingewiesen wird, daß die Rechtschreibung »nicht auf Rechtsnormen, sondern auf sprachlichen und damit außerrechtlichen Regeln«, andererseits aber Änderungen dieser außerrechtlichen Regeln (= Rechtschreibreformen) »als letztlich staatliche Aufgabe verstanden« werden. Damit ist keine Widersprüchlichkeit der Ausführungen des OVG gemeint, sondern ein Widerspruch eben in dem Verständnis, was eine staatliche Aufgabe sei.

Meine Meinung: Was außerrechtlich ist, bleibt es nur, wenn der Staat „die Finger davon läßt“ und also keine Verordnungen dazu erläßt. In diesem Punkt stimme ich Herrn Icklers Forderungen nachdrücklich zu (vgl. den Strang „Der Fetisch Norm“). Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Rechtspraxis, die zu dem beschriebenen Verständnis geführt hat, sollte dringend überprüft und geändert werden.
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Jan-Martin Wagner

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Elke Philburn
27.01.2002 11.22
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Was sagt uns das?

Ohne äußeren Zwang schreiben die Leute so, wie sie es immer getan haben und wie es ihnen immer richtig erschien. Man muß ihnen schon auf die Finger klopfen, um ihre Orthographie in Richtung Neuschreib zu verbiegen.

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Christian Dörner
26.01.2002 22.24
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Inzwischen hat Yahoo den Irrtum wohl bemerkt und den »Fehler« korrigiert.
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Christian Dörner

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Christian Dörner
26.01.2002 18.36
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Oho!

Zur Zeit ist auf der Startseite von Yahoo folgendes zu lesen:

»Winterschlußverkauf läßt ab Montag die Preise purzeln«

Absicht oder doppeltes Versehen?
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Christian Dörner

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Ursula Morin
26.01.2002 18.35
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Auch ohne Korrektorat

Aus meiner „Fund Grube“ TV Hören und Sehen ...

Auf Anfrage hat man mir bei der Zeitschrift mitgeteilt, daß man sich einen Lektor nicht mehr leisten könne. Das wäre ja OK, wenn die anderen Mitarbeiter wenigstens schreiben könnten. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, oder sind hier die neuen Korrekturprogramme wieder am Werk? Ist es vielleicht so, daß man korrekte Beiträge per Programm verschlimmbessert? Oder gibt es tatsächlich Journalisten, die folgendes (das weit über die Anforderungen der RSR hinausgeht) zu Papier bringen?

... jemanden, der gerne einmal über die Strenge schlägt ..
... und der setzt Erreger Schach matt.

Eine „Pisa-Studie“ über deutsche Journalisten wäre doch ganz interessant, vielleicht auch eine Psychoanalyse derselben. Da sich in Deutschland nunmehr gerade noch die FAZ anbietet, lese ich recht oft englische Zeitungen. Aber selbst die Boulevard-Blätter scheinen sich ein Lektorat leisten zu können. Solche hanebüchenen Fehlleistungen sind dort nicht anzutreffen. Was ist los mit den deutschen Zeitungen? Hat Bertelsmann vielleicht in alle Redaktionen „Aliens“ implantiert – und warum?

– geändert durch Ursula Morin am 27.01.2002, 23.42 –

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Elke Philburn
25.01.2002 21.01
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Astronomie

Sind die Astronomen tatsächlich verschont geblieben? Bei Schreibungen wie 'Okkultation' und 'Okular' müßte es den Spracherneuerern doch in den Fingern jucken...

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Elke Philburn
25.01.2002 20.38
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Zitat:
Hier ist diese Umwandlung quasi rückwärts angewandt worden, denn „pretiös“ ist Reformschreibung (deswegen das Sternchen)!

Hmm.. ich sehe auch gerade, daß der alte Fremdwörterduden bereits die Formen preziös und Preziosen enthält. Wozu also die Form mit t? Es ist doch gerade dieser Eintrag, der den Leser verwirrt, weil das Prinzip "z im Stammwort führt zu z im abgeleiteten Adjektiv“ hier schon wieder nicht mehr gilt, denn es hat nunmal kein Wort Prez.

Zitat:
so daß man sagen könnte, der eigentlich zu kritisierende Punkt sei die behauptete Einfachheit der „neuen“ Regeln.

Dem stimme ich zu.

Zitat:
Andererseits wird es einem ja auch nicht zu schwierig gemacht, wenn auch „pretiös“ als regelkonform gilt und genauso evtl. auch andere „nahe liegende“ Varianten. – Spätestens bei „gratiös“ (von „Gratie“) wäre aber Schluß mit lustig (oder schon bei „Nazion“?).

Ich schätze mal, Schluß mit lustig ist, wenn's der Lehrer so entscheidet. Der ist da vermutlich eher pragmatisch und biegt sich die verpfuschte Regel so hin, daß sie Sinn macht und er sie der Schulklasse vermitteln kann.

Die Vorstellung, mehrere 'erlaubte' Schreibweisen für ein Wort seien eine Erleichterung für den Schreiber, ist verlockend, aber ich halte sie für falsch, weil sie allzu leicht zu falschen Analogien führt und es zusätzliches Wissen erfordert abzugrenzen, wie weit man die neugewonnene Freiheit nutzen darf. Die Erleichterung der neuen Rechtschreibung für den Schüler wird mit einer höheren Toleranz gegenüber sprachlichen Schludrigkeiten erkauft.

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Theodor Ickler
25.01.2002 18.14
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Stillstand

Sehr gewundert habe ich mich ja auch über den neuen Eintrag Justitium > Justizium („Stillstand der Rechtspflege“) bei Duden und Bertelsmann, während Solstitium ("[scheinbarer] Stillstand der Sonne“) unverändert bleibt, wahrscheinlich weil die Reformer zwar Justiz kennen, aber nicht Solstiz. (Das gebrauchen wir Astronomen aber auch.)

Zur Erläuterung: In justitium und solstitium steckt jeweils ein status (von stare 'stehen'); iustitia ist dagegen eine Ableitung von iustus und hat damit gar nichts zu tun. Natürlich ist gegen die Angleichung der Schreibweise an deutsche Aussprachegewohnheiten nichts einzuwenden, aber die Reformer bzw. ihre lexikographischen Dienstboten Wermke usw. glauben zu Unrecht, daß in diesen Fällen die neuen Regeln greifen. Man kann potenziell analog zu Potenz schreiben (beide zum Stamm potent-, mit unterschiedlichem Integrationsgrad), aber bei Justitium handelt es sich um eine Zusammensetzung und damit um einen ganz anderen Fall, den die besagten Zeitgenossen offenbar nicht durchschaut haben.

Bei dieser Gelegenheit will ich noch einmal auf einen früher besprochenen Fall zurückkommen: Photogrammetrie usw. Ich war ursprünglich der Meinung, daß hier ein griechisches -ph (graphein, -graph) an das folgende m von metrisch usw. assimiliert, die Verdoppelung also bereits das letzte Wort sei. Nun sehe ich aber, daß schon der alte Duden das fertige Substantiv Photogramm als Erstglied ansetzte und die Zusammensetzung daher im Trennungsfall als Photogramm-metrie auflöste. Nach der neuen Dreibuchstabenregel müssen auch ohne Trennung alle drei m geschrieben werden. So verfahren der Duden von 1996 und der Bertelsmann in allen Ausgaben. Die Neubearbeitung des Duden von 2000 bekehrt sich jedoch zu meiner oben vorgetragenen Deutung und schreibt: „Photogram-metrie [alte Trennung mm-m]"! Der Wandel der etymologischen Auffassung läßt sich auch beim Übergang von der ersten zur zweiten reformierten Ausgabe des Universalwörterbuchs beobachten. Übrigens ist der Hinweis „alte Trennung“ natürlich irreführend, da er die falsche Auffassung nahelegt, es handele sich hier um eine Auswirkung der neuen Rechtschreibregeln.
– geändert durch Theodor Ickler am 27.01.2002, 09.57 –
__________________
Th. Ickler

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J.-M. Wagner
25.01.2002 18.08
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Die Schreibung potenziell ist, wie viele andere so genannte Vereinfachungen, eine Überflüssigkeit, deren Nutzen allenfalls darin besteht, 'Fortschrittlichkeit' oder eine 'moderne Auffassung' in der Schreibung zu demonstrieren.
Tja, vielleicht; ich halte das eher für eine Volksetymologie (der man evtl. ein wenig nachgeholfen hat, damit sie zustandekommt) – wenn man Potenz schreibt, ist potenziell nicht weit...
Zitat:
Und wie bei fast allen neuen Schreibungen gilt auch hier, daß der Neuschreiber mit dem Versuch, eine einfache Regel abzuleiten, (etwa: Die Schreibungen tial und tiell, da gesprochen /zial/ und /ziell/ schreibt man jetzt zial und ziell) auf die Nase fallen wird:
*Inizialien, *parzial, *parziell, *Exponenzial-, *tangenzial...
Schöne Beispiele! Ich vermute, daß es durchaus Leute gibt, die auf die Idee kommen, es so zu schreiben, obwohl es nicht im Wörterverzeichnis steht, und obwohl die Reformschreibungsregeln an der Stelle recht klar sind: »potentiell – potenziell (wegen Potenz), substantiell – substanziell (wegen Substanz)« (§ 32 (2) Doppelschreibungen) und also eigentlich eine andere Faustregel nahelegen. (Warum eigentlich „Inizialien“? Meinen Sie evtl. „Inizialen“?)

Andererseits heißt es in dem erwähnten Paragraphen: »Im Prozess der Integration entlehnter Wörter können fremdsprachige und integrierte Schreibung nebeneinander stehen.« Das kann man auch so verstehen, daß diese „Varianten“ als regelkonform angesehen werden können.
Fazit: Hier könnte eine Lawine von Volksetymologien losgetreten worden sein, so daß letztlich „ti + Vokal“ und „zi + Vokal“ in Fremd- bzw. Lehnwörtern als völlig gleichberechtigt erscheinen. Das potenziell wäre der Auslöser und damit sehr wichtig.

Zitat:
Die Vermutung, man dürfe nur t zu z machen, wenn das entsprechende Substantiv ein z enthält, bestätigt sich nicht, denn im Duden gibt es auch die Beispiele pretiös > preziös und Pretiosen > Preziosen.
Diese Bemerkung verstehe ich nicht. Zum einen sagt die Regel, daß beide Schreibungen verwendet werden können, zum anderen findet man im (amtlichen) Wörterverzeichnis die Einordnung von „preziös“ als Haupt- und von „pretiös*" als Nebenform. – Ach so, jetzt verstehe ich: Hier ist diese Umwandlung quasi rückwärts angewandt worden, denn „pretiös“ ist Reformschreibung (deswegen das Sternchen)!

Na, dann ist doch alles klar: Einerseits ist die Reformschreibung (mal wieder; vgl. die s-Schreibung) gar nicht so einfach, wie sie zunächst scheint – was man aber nur merkt, wenn man sich die echten Regeln in Ruhe anschaut und klarmacht (z. B. steht „nach Langvokal ß, nach Kurzvokal ss“ nicht im Regelwerk) –, so daß man sagen könnte, der eigentlich zu kritisierende Punkt sei die behauptete Einfachheit der „neuen“ Regeln. Andererseits wird es einem ja auch nicht zu schwierig gemacht, wenn auch „pretiös“ als regelkonform gilt und genauso evtl. auch andere „nahe liegende“ Varianten. – Spätestens bei „gratiös“ (von „Gratie“) wäre aber Schluß mit lustig (oder schon bei „Nazion“?).

Insgesamt läßt sich hier ein gewisses „Strickmuster“ erkennen, das man, etwas überspitzt, so darstellen kann: Die Reformschreibungsregeln, welche ja eine Vereinfachung der Rechtschreibung mit sich bringen sollen, sind in ihrer eigentlichen Form so schwer, daß man vereinfachte Faustregeln benötigt, welche dem Schreibenden das Leben wirklich einfacher machen – weil er sich durch diese in seiner Grundhaltung bestätigt sieht, daß man jetzt schreiben kann, wie man will, und sei es noch so belämmert.
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Jan-Martin Wagner

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Elke Philburn
25.01.2002 13.48
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Die Schreibung potenziell ist, wie viele andere so genannte Vereinfachungen, eine Überflüssigkeit, deren Nutzen allenfalls darin besteht, 'Fortschrittlichkeit' oder eine 'moderne Auffassung' in der Schreibung zu demonstrieren.

Eine Suche bei Altavista für den Zeitraum 01.01.01 – 01.01.02 ergibt:

Suche „potentiell“ Ergebnisse Web-Seiten: 12396 Seiten gefunden
Suche „potenziell“ Ergebnisse Web-Seiten: 3100 Seiten gefunden


Und wie bei fast allen neuen Schreibungen gilt auch hier, daß der Neuschreiber mit dem Versuch, eine einfache Regel abzuleiten, (etwa: Die Schreibungen tial und tiell, da gesprochen /zial/ und /ziell/ schreibt man jetzt zial und ziell) auf die Nase fallen wird:
*Inizialien, *parzial, *parziell, *Exponenzial- *tangenzial...

Die Vermutung, man dürfe nur t zu z machen, wenn das entsprechende Substantiv ein z enthält, bestätigt sich nicht, denn im Duden gibt es auch die Beispiele pretiös > preziös
und Pretiosen > Preziosen.

BelÄmmert, gell? *määh*

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Christoph Kukulies
24.01.2002 15.29
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Bewährte Rechtschreibung verkauft sich besser..

Mal gerade in http://www.ebay.de reinschauen. Die Banner wechseln ja stündlich, aber genießen wir mal wieder ein
„potentiell“. Aaah, tut das gut.



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Christoph Kukulies

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J.-M. Wagner
24.01.2002 14.58
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Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
»Die Regulierungsbehörde hatte Ende März 2001 befunden, dass die derzeitigen DSL-Preise von mindestens 7,62 Euro nicht Kosten deckend seien.« (dpa, 15.01.2002)

Die neuen Regeln, die Kosten sparend (wegen »... spart Kosten«), aber kostendeckend (wegen »... deckt die Kosten«) vorschreiben, hat die dpa (wie auch die meisten Zeitungen) nach zweieinhalb Jahren Neuschreibung immer noch nicht verstanden.
Der neue Duden stellt bekanntlich kostensparend regelwidrig wieder her, im Duden-Universalwörterbuch wird jedoch erneut nur Kosten sparend zugelassen.
Die DUDEN-Redaktion tut durchaus gut daran, „kostensparend“ wieder einzuführen, denn es gibt ja noch den Fall mehrfacher, sich aufeinander beziehender Adjektive: »Das ist eine praktizierbare Kosten sparende Idee.«

Auf diese Weise gebildet, sollte es möglich sein, sehr viele „schöne“ Beispiele anzugeben.

(Fast möchte ich behaupten, daß ich die reformierte Schreibung liebe, weil sie so schöne Stilblüten hervorbringt... Leider bleibt mit häufiger das Lachen abrupt im Halse stecken, als daß ich es freien Herzens herauslassen kann.)
__________________
Jan-Martin Wagner

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Jörg Metes
23.01.2002 01.51
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Internationales Congress Centrum Berlin

In allen Eingängen zum ICC Berlin klebt in der Tür eine Plakette mit dem Text:

» Dieses Haus ist Video überwacht «
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Jörg Metes

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Theodor Ickler
22.01.2002 04.44
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Starker Abgang

Minister Hans Zehetmair hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Kultur bewegt“. Das Wortspiel ist nur möglich, weil viele Leute glauben, dies sei eine reformbedingte Neuschreibung von kulturbewegt und daher doppelsinnig.
So bekennt sich Zehetmair, ohne den es nie zu dieser Rechtschreibreform gekommen wäre, noch einmal zu seiner historischen Leistung, die er gleichwohl im privaten Gespräch als größte Dummheit seiner Ministerlaufbahn bezeichnet haben soll.
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Th. Ickler

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Michael Schneider
21.01.2002 14.55
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Fund Stücke aus dem Gemeinde Blättchen

Das Mitteilungsblatt meiner Heimatgemeinde übersteigert die Getrenntschreibung in einem Maße, wie ich es bisher nirgendwo sonst gesehen habe. Die folgenden Beispiele stammen alle aus einer einzigen Ausgabe (Wir in Mittenaar und Siegbach 8/2000):

„XXX Mark ... stand im letzten WiMS auf der Seite 6, als es um die Erreichbarkeit im DGH Bicken und um die Kaution für das aus zu leihende schnurlose Telefon ging. Selbstverständlich hat der Betrag bei der Drucklegung des Textes schon fest gelegen, der Schreiber hat ihn nur nicht ein getragen.“ (S. 3)

„Er wird Ihnen bei Rückgabe natürlich auch wieder aus gezahlt.“ (S. 3)

„Es macht Sinn, wieder einmal darauf hin zuweisen, dass auf unseren Friedhöfen die unmittelbare Umgebung der Grabstätten von den Pflegeberechtigen sauber zu halten sind [sic].“ (S. 3)

„Die zahlreichen Böschungen müssen mit der Motorsense gemäht werden und da ist herum fliegendes Gras nicht zu vermeiden.“ (S. 3)

„Zähneknirschend hat unser Gemeindevorstand der Auswechslung des Kegelstellautomaten durch eine Fachfirma zu gestimmt.“ (S. 3)

„Daraus wurden 88 aus gewählt.“ (S. 4)

„Doch jede Demokratie lebt von Wahlen und die müssen anständig ab laufen.“ (S. 4)

„Deshalb sind wir dankbar, dass es auch bei der Wahl unseres Landrates wieder 27 Mitbürgerinnen und Mitbürger gegeben hat, die bereit waren, in den vier Wahlvorständen mit zu arbeiten.“ (S. 4)

„Denen fällt es nicht leicht, im Not- oder im Brandfall das Haus 'Gewanneweg 14' zu finden, wenn dort noch zahlreiche andere Häuser herum stehen und die Nummer fehlt.“ (S. 4)

„Das Angebot ist enorm – einige haben schon ihre Grundstücke an geboten und Weitere werden folgen.“ (S. 5)

„Danach werden im Moment diejenigen in das Kartenwerk auf genommen, die sich aufgrund der bisherigen Veröffentlichungen gemeldet haben.“ (S. 5)

„Bei diesen Eigentümern ist davon aus zu gehen, dass ihnen die entsprechenden Informationen fehlen.“ (S. 5)

„Er empfahl den Eigentümern, die entsprechenden Karten im Rathaus ein zu sehen und sich auch dort Informationen ab zu holen. Nach seiner Einschätzung wird das Verfahren bis 2004 ab geschlossen sein.“ (S. 5)

„In die Flurbereinigung seien sämtliche rund 550 Grundstücke mit ihrer vollen Fläche auf genommen worden. Der Kauf oder der Tausch von Teilgrundstücken sei nicht vor gesehen. Das Verfahren werde es aber zu lassen, dass innerhalb des Gebietes verstreut herum liegende Parzellen an geeigneter Stelle vereinigt werden könnten.“ (S. 5)

„Wir sollten den Mumm besitzen und immer wieder auf die jungen Leute zu gehen“. (S. 5)


Das eingeheftete Gemeinsame Amtsblatt für Mittenaar und Siegbach bot zusätzlich:

„Gegen die Vorschlagsliste kann innerhalb einer Woche [...] mit der Begründung Einspruch erhoben werden, dass in sie Personen aufgenommen wurden, die nach § 32 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nicht auf genommen werden durften oder nach den §§ 33 und 34 GVG nicht auf genommen werden sollten.“ (S. 1)

„Und wieder ist es uns gelungen, in diesem Jahr während der Sommerferien 28 Aktionen in unser Ferienpassprogrammheft auf zu nehmen.“ (S. 2)

__________________
Michael Schneider

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