"Nachhaltige Beschädigung ..."
Herr Wagner schreibt:
Ich frage mich, von wie vielen die RSR wirklich als »nachhaltige Beschädigung« der Sprache ansehen wird.
Ja, Herr Wagner, das frage ich mich auch. Und ich fürchte, es sind tatsächlich nicht so viele. Nicht wenige scheinen die Reformschreibung für etwas staatlich Vorgegebenes und damit Verbindliches anzusehen, wie eine Mehrwertsteuererhöhung, über die man schimpft, mit der man sich aber abfindet, weil man eh nichts machen kann. Sehr oft treffe ich auf Eltern von Schulkindern, die sich mit der neuen Schreibung beschäftigen müssen, obwohl sie die Reform kritisch oder ablehnend betrachten. Sie wollen ihren Kindern ja auch helfen können, fürchten einen Spagat zwischen alter (die ihnen angenehmer ist) und neuer Schreibung und arrangieren sich deshalb mit der neuen. Die wenigsten kennen die sprachwissenschaftlichen Hintergründe der jeweiligen Schreibweise und können die Bevorzugung der einen bzw. Ablehnung der anderen entsprechend begründen. Und wer nicht erkennt, wie er etwas ändern kann, will sich nicht gern aufreiben lassen, winkt ab und sagt, es würde sich schon von selbst regulieren. In diesem Komplex liegt m. E. die größte Hürde für die RSR-Kritik.
Der VDS hat es da leichter. Er kann diese Modewelle englischer Blah-Wörter genüßlich angreifen und sich großer Zustimmung sicher sein. Es kostet den einzelnen nichts, und Nachteile hat auch niemand zu befürchten, der über Denglisch mosert. (Ich arbeite in einer Branche, wo man – gerade auch in der CeBIT-Zeit – manchmal kaum soviel essen kann, wie man k..... möchte, wenn man manche Profilneurotiker mit ihren Fachbegriffen erlebt. Aber es nervt es eben nur, schadet nicht wirklich und blamiert gelegentlich die Sprecher/Schreiber.)
Weshalb ich mich hier so mit dem VDS beschäftige, ist dessen Werben für staatliche Eingriffe in die Sprache und sein entlarvendes Verhalten in seinem Forum. Die Wirkungskette liegt klar vor Augen: Unwohlsein ob der sprachlichen Dummheiten aufgreifen (hat wohl jeder mehr oder weniger) — Emotionen wecken (Wer sind wir denn, ist unsere eigene Sprache so schlecht?) — Angst schüren (stroke unit) — Schutzbedürfnis wecken (Tut denn keiner was?) — staatliche Eingriffe fordern. Eine satte Ladung Populismus bildet einen hervorragenden Treibsatz und schon geht die Reise los. Da kommt es dann auch nicht immer so darauf an, wer noch mit im Boot sitzt, Hautpsache, er ist gegen Denglisch. Und was die Vereinshaltung zur RSR betrifft, hat es vielleicht in der Lobby beim Bund und in den Ländern tatsächlich mal einen Wink gegeben, nicht zu sehr an dieser Peinlichkeit zu rühren, wenn man mal ein Sprachgesetz haben will. Also – die Reihen schließen ...
Das alles geht entschieden gegen meinen Begriff von Freiheit – der Wissenschaft, der Kunst, der Kultur, der Sprache ... – vor Eingriffen des Staates. Diese grundsätzliche Auseinandersetzung zu führen, halte ich für wichtig. Auch mit RSR-Kritikern, die die VDS-Haltung zu einem Sprachgesetz grundsätzlich unterstützen.
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Michael Krutzke
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