Meinungs- und Pressefreiheit und Tendenzschutz - auch im IDS?
Elke Philburn schreibt: Wahrscheinlicher ist wohl, daß sich in vielen Fällen doch nur eine Form durchsetzen wird, und auch die Lehrer vielfach nur eine der Varianten vermitteln und auch nur diese nach 2005 als die richtige durchgehen lassen.
Als Berufsschullehrer kann ich dem nur zustimmen. Das Leben und der Beruf verlangen Eindeutigkeit. Die Aufgabe der Schule läßt sich noch immer mit den Worten Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir (Non scholae, sed vitae discimus) beschreiben.
Die Verwendung von Nebenvarianten (z.B. Orthografie anstatt Orthographie) könnte zum Teil einem vorauseilenden Gehorsam entspringen, sozusagen einer unterwürfigen Verbeugung vor dem Geßlerhut bestimmter Medienkonzerne. Willige Vollstrecker und damit schlechtes Vorbild waren und sind die Nachrichtenagenturen. Die Chefredakteure befinden sich dagegen in Interessenkollisionen: Einerseits fochten viele Chefredakteure lange Zeit wacker für die Pressefreiheit gegen die Rechtschreibreform, andererseits ließen sie sich im Herbst 1998 durch die Desinformationen der Deutschen Presse-Agentur übertölpeln, die im Grunde genommen ein Ausfluß des sogenannten Tendenzschutzes interessierter Verleger sind (Direktionsgewalt). Viele Verleger verhalten sich heutzutage als Gesellschafter von Zeitungsimperien häufig wie kühl rechnende Aktionäre, die für Arbeitsbeschaffung für ihre Druckereien und damit für Gewinnmaximierung sorgen, damit ihre Kasse stimmt. Und was kann es unter diesem kapitalistischen Gesichtspunkt Schöneres für sie geben, als Wörter zur Ware zu machen und sie ständig hin- und herzureformieren?
Der Kommentar des Chefredakteurs des Münchner Merkur Ernst Hebeker: Jeder wie er will vom 28. Februar 2002, den ich in der Rubrik VRS kurz kommentierte, ist ein kleines Aufblitzen von Zivilcourage, ein Aufmucken gegen den Zwang der Medienkonzerne unter Führung des Kraken Bertelsmann.
Die Verwendung von Nebenvarianten ist daneben wohl weniger ein Ausdruck von Individualität, als mehr zum Teil auch ein gewisser spätpubertärer Protest der Alt-68er-Generation (zu der auch Gerhard Augst gehört) und der von ihr Indoktrinierten gegen tatsächliche und vermeintliche gesellschaftliche Normen, Unterdrückungen und Zwänge.
Daß permanente Rechtschreibreformen auch die Arbeitsplätze in den staatlich finanzierten Sprachvereinen Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), Wiesbaden, und Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim, sichern, erkannte schon sehr früh der ehemalige PEN-Präsident, Gert Heidenreich. Heidenreich hielt am 12. Februar 1998 in Passau die Laudatio auf die Germanistin, Romanistin und Anglistin, Gesamtschulrektorin der Carl-Zeiss-Oberschule Berlin-Lichtenrade, Gisa Berger, die Leiterin der Berliner Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform, die von der Passauer Neuen Presse für ihren unerschrockenen Kampf gegen die Rechtschreibreform den BÜRGER-OSCAR 1998 für Zivilcourage erhielt. Gert Heidenreich sagte in seiner Lobrede:
Sie hat sich auf eine erstaunlich zähe und erfreulich unverzagte Weise gegen jene Kommission gewehrt, deren Mitglieder mit dem großen Lauschangriff auf die Schreibgewohnheiten ihre eigenen Arbeitsplätze gesichert haben.
Man wird auf die Laudatio auf den Germanisten Professor Dr. Hans-Werner Eroms, Universität Passau, gespannt sein, der morgen, am 13. März 2002, im Rittersaal des Mannheimer Schlosses den Konrad-Duden-Preis 2001 der Stadt Mannheim entgegennehmen wird. Konnte er sich als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim) und als Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift Deutsche Sprache des Instituts für Deutsche Sprache gegen die Rechtschreibreform wehren?
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Manfred Riebe
Vorstandsmitglied des VRS
Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V.
- Initiative gegen die Rechtschreibreform
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg
Manfred.Riebe@raytec.de
http://www.vrs-ev.de
– geändert durch Manfred Riebe am 13.03.2002, 09.39 –
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