Und noch einige Anmerkungen zum Umgang mit Blüten
Die Frittenbude ...
Der VDI zählt nach eigenen Angaben 126.000 Mitglieder, ein Drittel davon Studenten und Jungingenieure. Er ist ein technisch-wissenschaftlicher Verein mit dem zentralen Anliegen des Transfers von Technikwissen durch Tagungen, mit Hilfe der Wochenzeitung VDI-nachrichten und natürlich durch Internet-Aktivitäten. Bedeutend ist der VDI auch bei der Formulierung anerkannter Regeln zum Stand der Technik in den VDI-Richtlinien. Es würde mich nicht wundern, wenn die dort erforderliche sprachliche Eindeutigkeit bei auf Neuschrieb umgestellten Texten in einigen Fällen Umformulierungen nötig machte.
Die Zeitung VDI-nachrichten hat sich erst spät der freiwilligen Medien-Gleichrichtung angeschlossen. Der von mir sehr geschätzte Heiko Mell durfte noch ein paar Wochen länger die hohe inhaltliche und sprachliche Qualität seiner Beiträge in der Rubrik Karriereberatung orthographisch angemessen zum Ausdruck bringen. Vor einigen Jahren gab sich der seinerzeit eher konservativ und vielleicht auch ein bißchen verstaubt anmutende Verein (bei Einladungen zu geselligen Veranstaltungen hieß es schon mal mit Damen ...) ein neues Erscheinungsbild. Vielleicht gibt es auch da einen Zusammenhang mit der Wahl der Rechtschreibung.
Über meinen Mitgliedsbeitrag bin ich Teilhaber der VDI-Frittenproduktion. Meine Ablehnung der Rechtschreibreform und ihrer Umsetzung in den VDI-Medien fußt auf meinem gewachsenen Sprachgefühl, sprachwissenschaftlich bin ich völliger Laie. Damit kam ich bisher ganz gut zurecht, allerdings beobachte ich bei mir (und auch in meinem Umfeld) zunehmende Unsicherheiten und einen vermehrten Bedarf, im Wörterbuch nachzuschlagen. Für mich eine Folge der Reform, und ich neige dazu, dies auch den Reformern anzukreiden. Andere Folgen ebenso – etwa Übergeneralisierungen oder das, was man als Beliebigkeit bei der Schreibung ansehen kann. Natürlich werden die Reformer sagen, das seien Übergangsprobleme, alles sei in Ordnung und überhaupt wimmele es von falschen Beispielen. Wenn aber diese falschen Beispiele durch die reformgestiftete Verwirrung entstehen, spricht das mindestens soviel gegen die Reformer wie gegen die Unwissenden, die diese Beispiele liefern.
... und die Bonbonpapierchen
Mit einer Beispielsammlung werde ich ein Schreiben an den VDI garnieren, das ich gerade vorbereite. Da bin ich bisher bei weitem nicht so eifrig gewesen wie etwa Frau Salber-Buchmüller, deren Unermüdlichkeit Respekt verdient.
Herrn Icklers Feststellung, gesammelte Bonbonpapierchen schadeten nicht, kann ich aus Gesprächen mit RSR-Befürwortern aus meinem Umfeld nur bestätigen; anhand von Beispielen ergaben sich immer mal interessante (wenn auch laienhafte) Fragestellungen zu Sinn und Unsinn der Reform – dem Thema dieses Strangs.
Meine Vorstellung: Setze sich jeder auf den ihm zugänglichen Ebenen mit der Reform und ihren Folgen auseinander. Entsprechend der eigenen sprachwissenschaftlichen Reichweite finden die Gourmets dann die wirklichen Pralinen, und das weniger genußfähige Volk begnügt sich mit dem einen oder anderen Bonbon, das dann vielleicht auch mal nicht ganz so schmackhaft ist. Daß ein Herr Augst sich von Pralinen so wenig beeindrucken läßt wie von Bonbons, hat er ja hinlänglich bewiesen. Er weiß die Mächtigen im Staat und in den Medien hinter sich, kann auf die normative Macht des Faktischen bauen und hat – verbündet mit unfähigen Kultus-Apparatschiks und einer Lehrer-GEWerkschaft – einen entscheidenden strategischen Vorteil: die amtlich befohlene und gerichtlich erlaubte Geiselnahme der Schulkinder.
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Michael Krutzke
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