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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
GZS 1
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Theodor Ickler
15.06.2002 09.29
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schwerst

Die neuen Regeln behaupten bekanntlich, daß solche Superlative nicht allein vorkommen und daher Zusammenschreibung eintritt: schwerstbehindert (aber schwer behindert – neuerdings schon wieder zurückgenommen, aber darum geht es hier nicht). Wie man sich leicht überzeugen kann, kommen die Superlative sehr wohl allein vor. Für schwerst habe ich anderswo schon Beispiele gegeben. Eine kurze Recherche ergibt:
die ältest überkommene Lebensgeschichte
die ältest überlieferte iranische Sprache
die ältest erreichbaren Stufen der jeweiligen Sprache
der ältest bekannte Tetrapode
die ältest mögliche Version ist 4.05
nach der ältest erhaltenen Urkunde
die ältest bestehende Quiz-Show
die ältest fällige Rechnung
ein Tellerlift ältest möglicher Bauart

usw., nach Belieben zu vermehren. Man kann das wohl nicht als falsch geschriebene Zusammensetzungen abtun.
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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
08.06.2002 21.16
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Re: Lücken

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Ja, natürlich, § 36 hat Lücken und leidet außerdem unter zwei Fehlern: undefinierten Begriffen wíe „selbständig“ und Ersatz von Definitionen durch Beispiele, deren Extrapolierbarkeit nicht klar ist.
Was davon steht denn schon in Ihrem „Kritischen Kommentar“? Ich habe mal nach dem Fall solcher (formalen!!) Adjektiv-Adjektiv-Komposita geschaut, deren Bestandteile in dieser Form beide selbständig vorkommen (wie bei schwerfällig). Außer den Anmerkungen zu höchstwahrscheinlich habe ich aber nichts dazu gefunden. Ich finde es durchaus „bemerkenswert“, daß unter formalen Gesichtspunkten dieser Worttyp zwar unter die Regelung des § 36 fällt, jedoch komplett „durchfällt“ weil er weder von der „Positivliste“ (§ 36 [1]-[6]) noch von der „Negativliste“ (§ 36 E1) erfaßt wird.
__________________
Jan-Martin Wagner

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Theodor Ickler
08.06.2002 12.56
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Reziprok

Ich würde zwar die Getrenntschreibung bei reziproken Pronomina nicht geradezu ausschließen, denn sie kommt oft genug vor, aber zweifellos stört die suggerierte und zugleich gar nicht mögliche wörtliche Bedeutung ein wenig. Das fiel mir immer besonders bei sich auseinander setzen auf, wo ja nicht einmal eine Mehrheit von Beteiligten gegeben ist, so daß der eine dem anderen usw. (wie immerhin noch bei nebeneinander gehen usw.).

Übrigens herrscht in deutschen Standardgrammatiken bei reflexiven und reziproken Verben ohnehin ein heilloses Durcheinander. In meiner geplanten Schulgrammatik wird das bereinigt.
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Th. Ickler

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Theo Grunden
08.06.2002 12.46
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Trennung

Immer wieder mal mußten und müssen sich Lebenspartner gegenseitig eingestehen, sich auseinandergelebt zu haben.
Wenn sie solches nun schriftlich tun wollten (und dabei das neue Regelwerk befolgen), müßten sie sich eingestehen, sich auseinander gelebt zu haben. Das aber würde doch voraussetzen, daß es überhaupt möglich wäre, „sich zu leben“. Wie könnte man sich denn besser leben?
Oder hab ich da etwas übersehen?

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Theodor Ickler
24.05.2002 04.22
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Lücken

Ja, natürlich, § 36 hat Lücken und leidet außerdem unter zwei Fehlern: undefinierten Begriffen wíe „selbständig“ und Ersatz von Definitionen durch Beispiele, deren Extrapolierbarkeit nicht klar ist. Außerdem gibt es den hier schon identifizierten Irrtum Hellers, daß höchst usw. (schwerst, meist ...) nicht selbständig vorkommen.
Im ersten Bericht wurde dann einiges geändert, ich habe alles zusammen im Anhang zum Kritischen Kommentar rekonstruiert und dann auch kommentiert (das lag der Kommission schon zur Mannheimer Anhörung vor, obwohl ich unter großem Zeitdruck arbeiten mußte, wegen der verspäteten [Nicht-]Zustellung des Berichts).
Sehr richtig auch der Hinweis auf die mangelnde Übereinstimmung von Regelwerk und Wörterverzeichnis, wo oft auf gar nicht einschlägige Regeln verwiesen wird.
Man könnte auch mal die Vorläufer der unklaren Formulierungen von § 36 in den früheren Entwürfen und dann die verschlungenen Gedanken des Urhebers Schaeder in seinen verschiedenen Aufsätzen nachzeichnen, um das Durcheinander zu erklären; aber dazu habe ich leider im Augenblick keine Zeit. Die anderen Reformer haben jedenfalls weitgehend den Kollegen Schaeder walten lassen und sich um das haarige Gebiet so gut wie gar nicht selbst gekümmert – und als das Debakel deutlich wurde, mächtig geflucht.
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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
23.05.2002 20.40
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Ungeduld

Wie ist es denn nun, Herr Ickler: Hat § 36 eine erhebliche, d. h. systematische Lücke oder nicht?
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
22.05.2002 09.10
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Ein glasklarer Widerspruch (*Glas klar??)

Sie haben es wunderbar beschrieben, lieber Herr Wrase: Man kommt um die Erkenntnis nicht herum, daß man es bei § 36 mit glasklaren Widersprüchen zu tun bekommen kann, wenn man ihm bestimmte Wörter vorstellt und ihn quasi nach seiner Meinung befragt, wie diese Wörter denn geschrieben werden müßten. Ich möchte das einmal satirisch zusammenfassen:

Der Chef von's Janze (der Herr Paragraphentext) sagt: Gut, daß sie zu mir gekommen sind, ich bin für diese Wörter zuständig und sage Ihnen: Schreiben Sie sie zusammen! Sofort melden sich die sechs Abteilungsleiter zu Wort und behaupten das genaue Gegenteil: Wir sind dafür nicht zuständig, wir können diesen Auftrag der Zusammenschreibung nicht übernehmen. Die Revisionsabteilung, an welche das Problem verwiesen wird, kommt zu dem Schluß, daß für derartige Fälle keine explizite Regelung vorgesehen ist, verweist aber auf ihren Leitsatz: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein und also können diese Wörter nicht zusammengeschrieben werden. Da meldet sich der Chef wieder zu Wort und sagt, daß das ja wohl nicht sein kann, daß seine Beschlüsse übergangen werden. Die Schlichtungsstelle hat sich in den Streit aus formalen Gründen gar nicht erst eingemischt und lehnt auch jetzt jede Bearbeitung ab, weil sie für Anweisungen des Chefs nicht zuständig ist, sondern nur zwischen den Abteilungsleitern und der Revision vermittelt.

Fazit: Aufgrund einer Endlosschleife bekommt man auf die Frage nach der Schreibung gewisser, unter § 36 fallender Wörter nie eine Antwort. Das ist natürlich Murks, aber ob deswegen gleich »alles sinnloser Murks« ist, halte ich noch nicht für zweifelsfrei bewiesen; dazu müssen wir erst noch über die anderen Paragraphen herfallen. (Daß § 35 kompletter Murks ist, ist klar.)

Aber zunächst sollten wir abwarten, bis es Herrn Ickler und seiner E-Mail wieder möglich ist, sich unbeschwert an diesem Disput zu beteiligen.
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Jan-Martin Wagner

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Theodor Ickler
21.05.2002 18.27
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Entschuldigung

Ich hätte eigentlich hier schon längst zur eingehenden Auseinandersetzung mit § 36 Stellung nehmen sollen, aber ich habe zur Zeit einfach zu viel zu tun. Ich will aber zwischendurch wenigstens anmerken, daß die „Erläuterungen“ (also die „E“) im amtlichen Regelwerk, wie schon Gallmann und Sitta 1996 feststellten, oft gar keine Erläuterungen sind, sondern ganz wesentliche Sonderregeln usw. Die berühmte „Architektur“ der Neuregelung (wie Augst es nennt), ist eigentlich die einer Bruchbude.

Den lieben Freunden kund und zu wissen: Meine E-Mail funktioniert immer noch nicht, ich empfange zwar, kann aber nicht antworten. Seid mir also nicht böse und geduldet euch noch ein wenig, der Techniker wird schon noch kommen und den Router besser konfigurieren!
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Th. Ickler

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Wolfgang Wrase
21.05.2002 14.35
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§ 36 Ich streiche lieber die Segel

Lieber Herr Wagner,

vielen Dank für die Beispiele und die scharfsinnig angewandte Interpretationskunst. Ich räume ohne zu zögern ein, daß mir früher als Ihnen die Puste ausgeht, wenn die Aufgabe lautet, § 36 auf den Wortschatz anzuwenden. – Hat übrigens jemand die alten Duden-Kommas bei „ohne zu zögern“ vermißt? Ein Beispiel dafür, daß es manchmal besser ist, auf sie zu verzichten; man beachte auch den Sinn „ohne zu zögern“, der durch die Komma-Unterbrechungen nicht gerade unterstützt werden würde. Weglassen ist laut Ickler-Wörterbuch möglich (= gelegentlich vorkommend) bei kurzen Infinitivsätzen.

Ist es nicht so, daß man sich bei dem Versuch, § 36 anzuwenden, früher oder später im Kreis dreht? Wie man es auch anstellt, immer muß man irgendwelche Prämissen unterstellen, gelangt dann doch irgendwo zu Widersprüchen und je nach gewähltem Weg im Labyrinth zu der Folgerung, daß einmal an dieser, einmal an anderer Stelle die Regel und/oder das Wörterverzeichnis nicht in Ordnung ist; mal bei einer Regelformulierung, mal bei einem Beispiel, mal bei einer Anmerkung im Wörterverzeichnis. Ihre letzten Beiträge illustrieren das, wie ich meine.

Das fängt doch schon damit an, daß es heißt: A, B, C, D, E können mit B oder F Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie zusammen. Dann erfährt man auch, (1) bis (6), was das für Fälle sein sollen. Aber dann heißt es: In den Fällen, die nicht durch (1) bis (6) geregelt sind, schreibt man getrennt. Das wären also Kombinationen, die keine Zusammensetzungen sind. Aber woher will man wissen, was dafür überhaupt in Frage kommt? Dazu braucht man wiederum die Ausführungen im Anschluß, also unter E1 – obwohl die Anweisung „In den anderen Fällen getrennt“ eigentlich genügen müßte und E1 damit überflüssig wäre. Andererseits kommen Sie nach einigem Überlegen sogar zu dem Schluß, daß E1 unvollständig sein soll ...

Oder die Beobachtung, daß unter (2) eine Reihe von Wörtern wie „kleinmütig“ auftauchen, bei denen man eigentlich nicht davon ausgegangen wäre, daß es sich um Kombinationen von (in diesem Fall) Adjektiv + Adjektiv handelt. Kann ja auch nicht sein, denn wenn es den zweiten Bestandteil gar nicht selbständig als Wort gibt, kann er auch keiner Wortart angehören. Dennoch sollen das Beispiele für die Kombination „Bestandteil + Adjektiv/Partizip“ sein. Ein glasklarer Widerspruch. Und wenn man nun diesen Widerspruch erkannt hat, soll man dann trotzdem gleich konstruierte Wörter wie „großherzig“ ebenso zu diesem Paragraphen rechnen? Das müßte man, wenn man die Beispiele in (2) ernst nimmt. Daraus ergäbe sich Getrenntschreibung, weil (2) nicht zutrifft (es gibt sowohl „groß" als auch „herzig“).

Nun widerspricht das aber dem elementaren Sprachgefühl: „groß herzig“ getrennt, nur weil es beide Teile selbständig gibt? Also flüchtet man sich in die Frage, ob der ganze Paragraph vielleicht gar nicht dafür zuständig ist. (Natürlich habe ich mir das überlegt.) Und man meint, damit die richtige Zuflucht gefunden zu haben: Ist ja gar keine Kombination aus zwei Wörtern, also trifft der ganze Paragraph (Kombination aus zwei Wörtern) nicht zu. Ist ja auch keine Zusammensetzung, sondern das kommt von „großes Herz“ und ist davon eine Ableitung.

Aber Moment, dann paßt ja wieder (1): steht für eine Wortgruppe – „großherzig“ = „mit großem Herzen“, oder wie? So gesehen, stünde aber auch „hochwertig“ für eine Wortgruppe (= „von hohem Wert“), aber wir hatten doch festgestellt, daß die Regeln Getrenntschreibung erfordern?

Und so weiter. Lieber Herr Wagner, Sie kamen zuletzt zu dem Ergebnis, daß der Abschnitt E1 (Getrenntschreibung) unvollständig sei. Man könnte auch an anderer Stelle flickschustern und zum Beispiel (1) erweitern: zu „steht für eine Wortgruppe“ noch etwas ergänzen wie „oder ist aus einer Wortgruppe oder Zusammensetzung abgeleitet“; dann hätte man „großherzig“ eindeutig zusammengeschrieben – wobei man dann noch die Priorität gegenüber (2) festhalten müßte ...

Und dann haben wir ja noch die Widersprüche im Zusammenspiel mit dem Wörterverzeichnis, „höchstwahrscheinlich“ usw.

Also, ich bitte, mich aus dieser Diskussion zurückziehen zu dürfen. Professor Ickler hat sich ja schon hinreichend durch das Paragraphendickicht durchgeschlagen („Kritischer Kommentar zur Neuregelung“). Ich finde, es muß erlaubt sein – nach einigen vergeblichen Versuchen, § 36 und andere wortgetreu umzusetzen –, den Schluß zu ziehen, daß das alles sinnloser Murks ist.


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J.-M. Wagner
21.05.2002 11.08
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*selbst_ständig -- gehört das auch dazu?
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
20.05.2002 15.00
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noch mehr Beispiele

ab_artig, frei_willig, groß_artig, schwach_sinnig, tief_sinnig, *toll_patschig, wider_sinnig

Nebenbei bemerkt: Ist Ihnen aufgefallen, daß alle bisher gesammelten Beispiele eine Eigenschaft gemeinsam haben? ab_artig, frei_willig, groß_artig, gut_willig, hoch_wertig, leicht_sinnig, schwach_sinnig, schwer_fällig, tief_sinnig, *toll_patschig, wider_sinnig und zu_fällig enden alle auf -ig.
Dabei sind ab_artig, leicht_sinnig, tief_sinnig, *toll_patschig, wider_sinnig und schwach_sinnig direkt von Abart, Leichtsinn, Tiefsinn, *Tollpatsch, Widersinn bzw. Schwachsinn abgeleitet.

Nochmal zu dem „in dieser Form“ in § 36 (2): Die angegebenen Beispiele sind u. a. blauäugig, großspurig, kleinmütig, deren zweiter Bestandteil ja jeweils von Auge, Spur, Mut stammt bzw. daran erinnert -- äugig, spurig, mütig kommen jedoch als Formen jener Wörter nicht selbständig vor. Das hier angeführte kleinmütig ist nun von der gleichen Art wie die obigen Beispiele abartig, leichtsinnig etc. -- eine Ableitung von dem zugehörigen (zusammengesetzten) Substantiv. Und genau dies halte ich für den Anknüpfungspunkt zu § 36 (2): Es handelt sich bei den obigen Beispielen um Zusammensetzungen, deren beide Bestandteile jedoch in der vorliegenden Form selbständig vorkommen.

Was aber folgt daraus im Hinblick auf § 36 (2)? Es gibt zwei Möglichkeiten: a) Sie können nicht nach § 36 (2) zusammengeschrieben werden. b) Sie können nach § 36 (2) nicht zusammengeschrieben werden. Der Fall a) schließt eine Zusammenschreibung nicht generell aus, stellt aber fest, daß diese nicht mit § 36 (2) begründet werden kann. Der Fall b) schließt die Zusammenschreibung wegen des Nichtzutreffens von § 36 (2) aus. Auf das letztere Argument laufen die bisherigen Betrachtungen zu diesen Beispielen hinaus.

Mir scheint, daß das eigentliche Problem aber woanders liegt, denn der eigentliche Paragraphentext lautet ja: »§ 36: Substantive, Adjektive, Verbstämme, Adverbien oder Pronomen können mit Adjektiven oder Partizipien Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie zusammen.« Nach dieser Regel müssen alle obigen Wörter zusammengeschrieben werden, denn es handelt sich um Zusammensetzungen. Insofern widerrufe ich hiermit meine vorherige Aussage »gäbe es weitere Fälle, in denen zusammengeschrieben wird, wären sie dort aufgeführt.« Statt dessen halte ich den „Dies betrifft“-Teil von § 36 für unvollständig und damit die vorliegende Fassung des Paragraphen für fehlerhaft; dies zeigt sich ja eben daran, daß die hier diskutierten Fälle auch nicht von E1 erfaßt werden.

(Weitere Beispiele: höchst_wahrscheinlich, wohl_temperiert; zu ersterem siehe den „Kritischen Kommentar“ von Th. Ickler, S. 90. -- Ist die hiesige Diskussion zu den [möglichen] Folgen von § 36 [2] evtl. eine sinnvolle Ergänzung Ihrer dortigen Ausführungen, Herr Ickler?)
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
17.05.2002 17.03
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falsche Fährte?

Lieber Herr Wrase -- werfen Sie die Flinte nicht zu früh ins Korn! Wir haben uns ja bisher nur darüber unterhalten, welche Konsequenzen die Anwendung von § 36 bei den betreffenden Beispielen hat. Aber: Ist § 36 hier wirklich zuständig? Sind nicht vielmehr gutwillig und schwerfällig nur „zufällig“ (*zu fällig??) aus eigenständigen Wörtern zusammengesetzt, bilden aber völlig selbständige Begriffe (im abstrakten Sinn)? Warum sollten diese unter § 36 fallen? Ich bin mir da, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher. Wenn ich mir aber § 36 (2) anschaue, dann sind die dort aufgeführten Beispiele allerdings inhaltlich von einer ähnlichen Art wie die hier diskutierten Fälle, so daß das doch der Fall sein könnte... Letztlich zeigt das nur, worauf Sie schon treffend hingewiesen haben -- die jetzigen Regeln haben ihre Grenzen, wenn man versucht, ihnen Vorrang einzuräumen und die Schreibweisen aller Wörter aus ihnen abzuleiten.
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Jan-Martin Wagner

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wrase
17.05.2002 00.01
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Zustimmung

Lieber Herr Wagner,

Ihre Darlegung ist einwandfrei. Eine makellose Regelanwendung, sie hat mich überzeugt. Somit sind wir uns also einig: laut Neuregelung „hoch wertig“, aber auch „gut willig“ usw.

Meine Ausführungen waren hingegen schwer fällig und leicht sinnig. Aber nun ist dies ja mit Ihrer Hilfe geklärt! Vielleicht fallen uns noch mehr solche Wörter ein, die man als Neuschreiber eigentlich zerlegen müßte.
__________________
Wolfgang Wrase

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J.-M. Wagner
16.05.2002 19.12
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Re: schwermütig

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von wrase
Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluß, daß zum Beispiel „schwerfällig“ getrennt geschrieben werden müsse, nur weil § 36 (2) nicht zutrifft. Sondern es könnten ja andere Kriterien der Regel zutreffen, also muß man den Paragraphen danach absuchen.
Da möchte ich Ihnen widersprechen -- auch wenn sie von einem deratigen Exerzitium nicht viel halten. Die eigentliche Regel ist § 36 (1) bis (6), E1 und E2 sind dagegen lediglich Erläuterungen. Was die Regel nicht hergibt, kann auch nicht aus den letzteren folgen -- sonst wäre es eine neue/andere Regel.
Zitat:
Ich komme dabei zu dem Ergebnis, daß überhaupt keines der genannten Kriterien zutrifft, so daß man schließlich irgendwann bei E2 (Beliebigkeit) landet – und sich vor allem fragt, was das soll, dieses Regelexerzitium.
Wenn keines der unter § 36 (1) bis (6) genannten Kriterien zutrifft, gilt m. E. die Getrenntschreibung -- auch wenn keiner der Fälle E1 (1) bis (4) zutrifft; offensichtlich ist die Erläuterung unvollständig. Denn die Aussage »In den Fällen, die nicht durch § 36 (1) bis (6) geregelt sind, schreibt man getrennt« ist völlig klar und selbstverständlich -- gäbe es weitere Fälle, in denen zusammengeschrieben wird, wären sie dort aufgeführt.

Außerdem landet man bei den hier betrachteten Beispielen m. E. keineswegs bei E2, weil es dort heißt: »Lässt sich in einzelnen Fällen der Gruppen aus Adjektiv, Adverb oder Pronomen + Adjektiv/Partizip zwischen § 36 und § 36 E1 keine klare Entscheidung für Getrennt- oder Zusammenschreibung treffen, so bleibt es dem Schreibenden überlassen, ob er sie als Wortgruppe oder als Zusammensetzung verstanden wissen will ...« E2 greift also nur, wenn man in einen Konflikt zwischen § 36 und § 36 E1 gerät, mithin also eine Auffassung möglich ist, daß nach einem der Kriterien § 36 (1) bis (6) die Zusammenschreibung in Frage kommt. Das ist aber hier offensichtlich nicht der Fall.
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Jan-Martin Wagner

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wrase
16.05.2002 16.36
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schwermütig

Richtig, das und „gutmütig“ stehen im Wörterverzeichnis mit Verweis auf § 36 (2). Stimmt ja auch, „mütig“ gibt es nicht, und wenn man das will, kann man auf diese Weise begründen, daß „gutmütig“ keine zwei Wörter sein können, sondern daß es sich um ein einziges Wort handeln muß, das folglich nicht getrennt geschrieben werden kann.

Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluß, daß zum Beispiel „schwerfällig“ getrennt geschrieben werden müsse, nur weil § 36 (2) nicht zutrifft. Sondern es könnten ja andere Kriterien der Regel zutreffen, also muß man den Paragraphen danach absuchen. Ich komme dabei zu dem Ergebnis, daß überhaupt keines der genannten Kriterien zutrifft, so daß man schließlich irgendwann bei E2 (Beliebigkeit) landet – und sich vor allem fragt, was das soll, dieses Regelexerzitium.
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Wolfgang Wrase

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