Fakultativ
Möglicherweise hatte ich noch nicht genau genug verstanden, was den Unterschied zwischen obligatorischer und fakultativer Zusammenschreibung ausmacht; möglicherweise hatte ich mich zu sehr an dem Wort fakultativ orientiert als an Zusammenschreibung. Ich hoffe, daß ich es jetzt etwas besser verstanden habe. Also:
Ich habe mir nochmal §§ 8-10 der Hauptregeln angeschaut, und dabei ist mir klargeworden, daß zum einen § 8 bei dem Thema Zusammenschreibung bei Verbzusätzen quasi immer hinzuzuziehen ist, zum anderen, daß es bei § 10 zwar um fakultative Zusammenschreibung geht, die Betonung aber auf Zusammenschreibung liegt. Mir scheint, daß es unter § 9 -- obligatorische Zusammenschreibung -- im wesentlichen um solche Zusätze geht, die (bezogen auf den Infinitiv), sehr grob gesprochen, in dieser Form nicht selbständig vorkommen bzw. als eigenständige Wörter weder einen modalen noch einen resultativen Zusatz bilden würden.
Das ist nun bei schlecht_reden zugegebenermaßen nicht der Fall, und somit, weil es nicht unter die Kategorie der obligatorischen Zusammenschreibungen fällt, gehört es zu der anderen Gruppe (fakultative Zusammenschreibung) -- was ja letztlich bedeutet, daß die Zusammenschreibung sinnvoll, aber nicht zwingend ist. Insofern ist gewissermaßen die Getrenntschreibung bei den Wörtern dieser zweiten Kategorie fakultativ. (Ich hatte fakultative Zusammenschreibung zunächst so verstanden: Die Vorzugsvariante wäre Getrenntschreibung, aber man kann es auch zusammenschreiben.) -- Habe ich es einigermaßen richtig nachvollzogen?
Eine andere Ursache für Irrwege ist m. E. an dieser Stelle, daß zwar modale Zusätze immer (stimmt das? Ich vermute es nur, aber sicher bin ich mir nicht) in Getrenntschreibung auftreten, umgekehrt aber eine Getrenntschreibung keineswegs immer eine Modalfunktion des Zusatzes impliziert -- so ein Zusatz kann durchaus auch resultativ sein; das muß dann aber aus dem Zusammenhang heraus klarwerden.
Ein beispielhaft schwieriger Fall scheint mir hierbei das schlecht_machen zu sein, welches ich ebenfalls nicht den Obligatorischen zuordnen würde. »Er wird es schlecht machen« bietet nicht genug Kontext, um die Funktion des schlecht klar erkennen zu können, und dies könnte man zum Anlaß nehmen, die Anwendung der Zusammenschreibung in solchen Fällen einzufordern, bei denen eine derartige Verwechslungsgefahr besteht. Ich habe keine Ahnung, was so eine Regel nach sich ziehen würde; mir scheint, daß es jedoch bereits genügt, eine entsprechende Empfehlung oder Anmerkung bzw. einen Hinweis darauf mit in die Regeln zur Zusammenschreibung von Verbzusätzen aufzunehmen, obwohl klar ist, daß bei einem modalen Zusatz die Zusammenschreibung garnicht in Frage kommt. (Der letzte Satz gilt nur unter ausdrücklichem Irrtumsvorbehalt!)
Ja, ich nehme mein striktes Fazit insofern zurück, daß bei schlecht_reden nur obligatorische Zusammenschreibung möglich sei; nichtsdestoweniger plädiere ich in diesem Fall weiterhin strikt für die Bevorzugung der Zusammenschreibung bei resultativer Bedeutung, um dem Leser keinen Anlaß zu geben, es für einen modalen Zusatz zu halten -- was ja gerade bei schlecht recht naheliegend ist. In meinen Augen ist die Getrenntschreibung nicht sinnvoll, streng bzw. durchgängig verbieten kann man sie allerdings nicht.
Interessant finde ich, wie schlechtreden weiter ergänzt werden kann: Er hat die Vorschläge auffallend energisch schlechtgeredet; sich etwas nicht durch und durch schlechtreden lassen etc. -- in solchen Fällen erschiene mir die Getrenntschreibung zwar weiterhin strenggenommen nicht als falsch, aber als eine erhebliche Zumutung für den Leser.
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Jan-Martin Wagner
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