Verbesserungsfähiger Stil ...
Lieber Herr Lachenmann, jetzt dementieren Sie schon wieder, typischerweise indem Sie gleich einen Vorwurf damit verbinden: was mir der wieder in den Mund legt, kann sich nur einer wie er selber ausdenken, und es führt zu nichts, sich für Aussagen rechtfertigen zu müssen, die man nie gemacht hat. Neulich haben Sie ja eine ganze Latte von Aussagen zitiert, um den Kommentar anzufügen: Das habe ich alles nicht gesagt und auch nicht gemeint, man tut mir unrecht. Dazu ist zu sagen, daß einem nicht erst andere Aussagen bzw. Meinungen in den Mund legen können, die man so formal nie gemacht hat, sondern daß man das auch selbst tun kann und oft tut: sich selbst Aussagen in den Mund legen, indirekt etwas aussagen.
Ein Beispiel ist der Ausgangspunkt unserer Debatte, Ihr berühmter Beitrag über bitte schön. Er bestand nämlich nur aus drei von Ihnen verfaßten Wörtern (GZS einmal anders) und einem kurzen Zitat aus der Süddeutschen Zeitung. Damit haben Sie eine ganze Menge mitgeteilt, teils gewollt, teils ungewollt. Nämlich, daß Sie die Regelung vor und nach der Reform nicht parat hatten; zweitens, daß Sie den realen Gebrauch nicht kennen; drittens, daß Sie die Getrenntschreibung mißbilligen; viertens (das wollten Sie eigentlich aussagen, und das konnte man zwar nicht sicher herauslesen, aber immerhin erahnen), daß Sie die von Ihnen abgelehnte Schreibung für eine Folge der Rechtschreibreform halten. Das alles mit drei eigenen Wörtern.
Sie haben in Ihren folgenden, viel ausführlicheren Beiträgen noch viel mehr ausgesagt oder ausgesagt, Sie haben Dinge geschrieben, die weiteres als Konsequenz haben, auch wenn Sie diese Inhalte oder die Konsequenzen nicht alle ausdrücklich ausformuliert haben. Kein anderer klagt hier so häufig und teils pathetisch wie Sie: Das habe ich alles nicht gesagt, ich werde falsch verstanden der andere ist unfähig, meine Aussagen richtig zu lesen und zu verstehen. Überlegen Sie mal, woran das liegt, daß man das immer wieder von Ihnen hört, aber sonst kaum von jemandem.
Es kann nämlich auch an Ihnen liegen. Daran, daß Sie nicht verarbeiten, was man Ihnen antwortet; daran, daß Sie vielleicht Ihre spontanen Meinungen nicht genügend prüfen oder deren Konsequenzen durchdenken; daran, daß Sie widersprüchliche Dinge schreiben und dann hin und her springen, je nachdem, woran gerade ein Stück Kritik auftaucht.
Dazu ein aktuelles Beispiel. Sie haben jetzt ziemlich ausdauernd Google kritisiert, weil da alles mögliche erfaßt sei, was Ihrem angestrebten Stilniveau nicht gerecht werde. Nun klagen Sie als Argument in anderer Sache: Wir bekommen doch kaum noch Texte in der Form zu lesen, in der sie von ihren Urhebern geschrieben worden sind, das weiß jeder hier Beteiligte. Das wäre aber gerade wieder ein Argument für die Suchmaschine, denn dort wird eine sehr große Menge von ungeschminkten Texten, von intuitiv gewollten Schreibungen erfaßt. Also was denn nun?
Sie stellen sich immer wieder als Hüter des optimalen Stils dar; der gute Stil sei so wichtig, daß er sogar bei der Gestaltung des Wörterbuchs berücksichtigt werden sollte (was nicht möglich ist oder nur mit einem astronomischen Aufwand, sowohl beim Verfasser als auch beim Nutzer). Es gibt auch guten und schlechten Stil (und Schattierungen dazwischen) bei Diskussionen. Sie schreiben und behaupten sehr viel (teils direkt, teils indirekt). Wenn es eng wird für Ihren jeweiligen Standpunkt, treiben Sie viel Aufwand, um Ihre Aussagen zu stützen, und wenn es gar nicht mehr anders geht, dementieren Sie unter Zuhilfenahme von verächtlichen Vorwürfen (Habe ich nicht gesagt, der Kritiker ist unfähig, meine Texte zu entschlüsseln). Als Krönung kommt dann noch eine halbironische Selbstbeschreibung obendrauf (aktuell: Lachenmann als heldischer Don Quichotte, Lachenmann als umtriebieger Michel Friedmann mit zwiespältigem Wesen, Lachenmann als unfair gefoulter Sportler).
Das sind Merkmale schlechten Stils, wie ich finde. Man muß nämlich ungeheuer viel diskutieren, ohne viel klären zu können, wenn man von A nach B gejagt wird, und sobald man an einer Klärung dran ist, wird A oder B weinerlich dementiert. Anstatt es mit der stilistischen Überempfindlichkeit bei einzelnen Zitatausschnitten maßlos zu übertreiben das hat mit Rechtschreibung nämlich nicht mehr viel zu tun und wird von Außenstehenden als mindestens so daneben empfunden wie eine großzügige Liberalität bei der Regelformulierung hätten Sie meiner Meinung nach Spielraum, an Ihrem Stil bei Diskussionen noch Verbesserungen zu erzielen.
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