Gestern abend habe ich die Premierenaufführung des äußerst geistreichen und feinsinnig formulierten Stückes »Der Verdacht« von Paul Hengge am lange schon legendären Heidelberger Zimmertheater miterleben dürfen. Während man von der wirklich einmaligen Inszenierungs- und Regiekunst der Intendantin Ute Richter einmal mehr nur begeistert sein konnte, betrübte mich doch sehr ein Gratis Download: xxx.Zweitausendeins.de (anstelle von xxx müßte es www heißen, aber das kann man hier aus technischen Gründen nicht schreiben) des Stückes mit folgendem Copyright-Vermerk: DAS URTEIL © 12/1996 Paul Hengge 8.Mai 1997.
Danach hätte der 1930 in Wien geborene Autor sein so scharfsinniges wie feinfühliges Stück in einem geradezu katastrophalen Deutsch geschrieben, das irgendwo zwischen Rechtschreibreform und Liederlichkeit anzusiedeln wäre völlig sinnwidrig! Zwar tut den agierenden Personen des Stückes des öfteren (richtigerweise) etwas leid, aber unzählig viele Wörter sind zerrissen, ihrer Aura beraubt, kommen grobschlächtig und richtiggehend gewalttätig daher. In diesem Deutsch hätte Paul Hengge sein Stück nie und nimmer schreiben können.
Dazu kommen Fehler wie:
RABINOVICS Der Herr, der das geschrieben hat, scheint ein Hellseher zu sein; aber ein Blinder.
Oder es fehlen ganze Wörter:
DER FREMDE Weil sie endlich frei sein und miteinander leben wollten.
RABINOVICS Sie die Scheidung verlangen können. Hat sie das versucht?
Es ist ein Graus und fällt gerade wegen des Kontrastes zwischen der hohen Sensibilität des Autors und der Unbeholfenheit seiner Sprache nur um so mehr auf. Wie kommt es zu solchen Entstellungen?
Die Rechte liegen beim Rowohlt Theater Verlag, Reinbek wie mischt da 2001 mit?
Das Stück ist übrigens zunächst als Fersehspiel geschrieben und mit Klaus Löwitsch und Matthias Habich in den Hauptrollen im Oktober 1998 in der ARD ausgestrahlt worden. Die Uraufführung als Theaterstück war am 16.6.99 am Thalia-Theater.
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Dr. Wolfgang Scheuermann
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