Blick ins Gästebuch
Ich stelle hier einige Beiträge von Henning Upmeyer aus dem "bisherigen Gästebuch" ein, weil ich sie zum einen beachtenswert finde, zum anderen über die Suchfunktion hier leichter wiederfinde. J.-M. W.
Dienstag, 12.11.2002:
Die Wortart adverbiales Substantiv oder der Adverb-Fall des Substantivs, der Adverbativ
mit dem Auto, Bus, Zug, Fahrrad, Taxi, Schlitten fahren -> Auto, Bus, Zug, Fahrrad, Taxi, Schlitten fahren;
mit dem Sack hüpfen -> Sack hüpfen, hüpft Sack;
mit Tusche, mit Kreide zeichnen -> Tusche, Kreide zeichnen, zeichnet Tusche, Kreide;
mit Ölfarbe malen -> Ölfarbe malen, malt Ölfarbe;
auf Skiern, Schlittschuhen, Rollschuhen, auf dem Eis, auf der Mauer laufen -> Ski, Schlittschuh, Rollschuh, Eis, Mauer laufen, läuft Eis, Mauer;
auf dem Rücken, auf der Brust schwimmen -> Rücken, Brust schwimmen, schwimmt Rücken, Brust;
auf dem Kopf, dem Posten, in der Schlange stehen -> Kopf, Posten, Schlange stehen, steht Kopf, Posten, Schlange;
auf der Schreibmaschine schreiben -> Schreibmaschine schreiben, schreibt Schreibmaschine;
auf dem Seil tanzen -> Seil tanzen, tanzt Seil;
auf dem Boden, Dach sitzen -> Boden, Dach sitzen, sitzt Boden, Dach;
am Reck, Barren turnen -> Reck, Barren turnen, turnt Reck, Barren;
auf den Berg steigen -> Berg steigen, steigt Berg;
auf den Baum klettern -> Baum klettern, klettert Baum;
im Fels, im Eis klettern -> Fels, Eis klettern, klettert Fels, Eis;
im Wirtshaus sitzen -> Wirtshaus sitzen, sitzt Wirtshaus;
im Bett liegen -> Bett liegen, liegt Bett;
in der Wanne baden -> Wanne baden, badet Wanne;
Dazu meine Meinung:
Adverbiale Substantive sollten wie Adverbien klein und mit dem Verb zusammengeschrieben werden. Der jetzige Zustand (teils teils) ist in alter und neuer Rechtschreibung sehr unordentlich und unlogisch und bietet beiden Parteien Grund zur Kritik an der jeweils anderen Schreibweise.
Die Präpositionen sollten eigentlich dazu dienen, möglichst viele von den ursprünglich acht gemein-indogermanischen Fällen samt Endungen einzusparen (Entwicklung von einen synthetischen zu einer analytischen Sprache).
Wenn jetzt die Präpositionen eingespart werden, braucht man eigentlich wieder die entsprechenden Fall-Endungen, damit die Substantive getrennt stehen können und nicht für Akkusativobjekte gehalten werden. (Zurückentwicklung von einer analytischen zu einer synthetischen Sprache; die Rechtschreibreform scheint dieses Ziel zu verfolgen) Denkbar ist auch eine neue Bezeichnung als Adverb-Fall des Substantivs, vielleicht Adverbativ, wobei beim Lesen Verwechslungen mit dem Akkusativ möglich sind. Das Lesen soll ja laut Rechtschreibreform sowieso erschwert werden.
Mittwoch, 13.11.2002:
Ungleichbehandlung von Partizipien und Verben bei Zusammensetzungen mit Substantiven [I]
Getrennt- und Zusammenschreibung von Substantiven und Partizipien (§ 36 Absatz (1)):
Bei Zusammensetzungen aus Substantiv und Partizip soll zusammengeschrieben werden, wenn der erste Bestandteil für eine Wortgruppe steht:
angsterfüllt (= von Angst erfüllt), freudestrahlend (= vor Freude strahlend) usw.
(früher: wenn die Zusammensetzung eine Präposition oder einen Artikel erspart)
Getrennt- und Zusammenschreibung von Substantiven und Verben (§ 34 Absatz (5)):
Bei Zusammensetzungen aus Substantiv und Verb soll getrennt geschrieben werden, auch wenn der erste Bestandteil für eine Wortgruppe steht:
Eis laufen (= auf dem Eis laufen), Schlange stehen (= in der Schlange stehen) usw.
(d.h. auch bei Getrenntschreibung soll die Präposition oder der Artikel weggelassen werden)
Hier bevormundet die Rechtschreibung die Grammatik.
Was ist, wenn von Verben Partizipien gebildet werden:
Wird dann das Partizip einfach aus Substantiv + Verb gebildet, und gilt dann § 34 Absatz (5), Getrenntschreibung bei Verben:
Ich sehe eine Schlange stehende Frau, ein Eis laufendes Kind, einen Kopf stehenden Mann, einen Ski laufenden Mann, usw.
oder gilt dann das Substantiv beim Partizip wieder als für eine Wortgruppe stehend und § 36 Absatz (1), Zusammenschreibung bei Partizipien:
Ich sehe eine schlangestehende Frau, ein eislaufendes Kind, einen kopfstehenden Mann, einen skilaufenden Mann, usw. ?
Nach meinem Rechtsverständnis gilt das letztere, oder ?
Dazu meine Meinung:
Die Rechtschreibreformer betonen an mehreren Stellen, daß das Partizip eine Verbform ist und entsprechend behandelt werden soll. Die Ungleichbehandlung von Partizipien und Verben bei Zusammensetzungen mit Substantiven ist daher unverständlich und unlogisch und verstärkt den Eindruck der Willkür.
Das Weglassen von Präpositionen und Artikeln, die das getrennt geschriebene Substantiv als adverbiale Ergänzung kennzeichnen und die Verwechslung mit einem Akkusativobjekt ausschließen, ist ein Grammatikfehler. So wird fehlerhaftes Deutsch gelehrt.
Freitag, 15.11.2002:
Ungleichbehandlung von Partizipien und Verben bei Zusammensetzungen mit Substantiven [II]
Substantiv + Verb
Gemäß § 34 Absatz (5) Getrenntschreibung, obwohl Ersatz für eine Wortgruppe (obwohl eine Präposition oder ein Artikel eingespart wird):
Tusche zeichnen (= mit Tusche zeichnen);
Öl malen (= in Öl malen);
Maschine schreiben (= mit der Maschine schreiben);
Pleite gehen (= in die Pleite gehen);
Substantiv + Partizip II
Gemäß § 36 Absatz (1) Zusammenschreibung, weil Ersatz für eine Wortgruppe (früher: weil eine Präposition oder ein Artikel eingespart wird):
tuschegezeichnet (= mit Tusche gezeichnet);
ölgemalt (= in Öl gemalt);
maschinegeschrieben (= mit der Maschine geschrieben);
pleitegegangen (= in die Pleite gegangen);
Also, wenn ein Substantiv für eine Wortgruppe steht:
§ 34 Absatz (5): Er wird Tusche zeichnen, Öl malen, Maschine schreiben, Pleite gehen;
§ 36 Absatz (1): Er hat tuschegezeichnet, ölgemalt, maschinegeschrieben, ist pleitegegangen;
Ist es auch Blödsinn, ist es doch nach Vorschrift.
Eine Schreib-Erleichterung ist es nicht.
Non vitae, sed scholae discimus. Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. (entgegen Seneca d.J., 1 65 n. Chr.)
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Henning Upmeyer
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