Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Notice: Undefined variable: goto in /home/www/rechtschreibung.com/html/Forum/showthread.php on line 3 Forum - Augsts Aussagen
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Augsts Aussagen
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J.-M. Wagner
22.11.2002 21.03
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Namensergänzung

Als Berliner erinnere ich an die Havel.
__________________
Jan-Martin Wagner

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Reinhard Markner
21.11.2002 12.07
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Niederdeutsches v

Der Hinweis auf Luv ist interessant. Herausgerechnet werden von den Reformern traditionell natürlich auch noch die Ortsnamen Cuxhaven und Wilhelmshaven.

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Detlef Lindenthal
21.11.2002 12.01
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Regeln für die Tonne

Das Mackensen-Wörterbuch enthält 10.254 Wörter mit Binnen-v.
Damit jene „Regel“ einigermaßen „stimmt“, müssen die Fremdwörter (Dativ, oval, Olive...) und die Zusammensetzungen (Zeitvertreib, wieviel, anvertrauen ... ) herausgenommen werden.
Fragt sich dann, ob Waschpulver, braver Bub und Sehnerv von den Menschen als Fremdwörter wahrgenommen werden. Und ist Luv kein deutsches Wort?

Früher hatte ich schon mal den Verdacht geäußert, daß dermaßen viel „Regel“quatsch aufgeschreiben wird, weil die Leute im Rheingraben nicht über die Wipfel der Mittelgebirgsränder hinausschauen mögen ins rauhe Germanen-, Kelten und Wendenland, wo man nicht den Überfluß des goldenen Rheinweins hat, um wissenschaftlich-handwerkliche Zweifel zu ertränken.

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Reinhard Markner
21.11.2002 11.12
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Valsch

Natürlich fehlt auch in dem genannten Text nicht die falsche Angabe, es sei »v (statt f) [. . .] bis auf Frevel nur am Wortanfang« anzutreffen (S. 72). Das schreiben unsere Orthographen seit bald 150 Jahren voneinander ab, ohne zu merken, daß in der Zwischenzeit hieven längst gemeinsprachlich geworden ist.

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Reinhard Markner
20.11.2002 23.22
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»Man«

Zur Mannheimer Duden-Grammatik in der 4. Auflage von 1984 hat Gerhard Augst ein in vorangegangenen Bearbeitungen nicht enthaltenes Kapitel »Der Buchstabe« beigesteuert, aus dem hervorgeht, daß er immer schon ein gestörtes Verhältnis zur s/ss/ß-Schreibung im Deutschen und ein Problem mit dem Hineindenken in sprachliche »Laien« hatte. Hier heißt es nämlich zum Abschluß des betreffenden Abschnitts (S. 74 f.):

»Die folgenden Schreibungen muß man sich merken, weil man nicht ermitteln kann, ob das stimmlose [s] auf Auslautverhärtung zurückgeht und daher s geschrieben oder auf das Phonem /s/ und daher ß geschrieben wird :
Eis(bein), Mies(muschel), gries (»grau«), Gries(gram), gleisnerisch, Grus (»Asche«), Reis, preis(geben), Vlies, Gros (»12 x 12«); Grieß(brei), schließlich.«

Mit »man« ist hier offenbar zunächst der gemeine Sprecher des Deutschen, dann aber der Sprachwissenschaftler gemeint. Für ersteren sind nun gerade die häufigsten Wörter in dieser Liste in ihrer richtigen Schreibung leicht zu ermitteln, indem er sich die zugehörigen Genitivformen (Eises, Reises) und den Infinitiv schließen vor Augen führt. Er wird so verfahren wie im Falle von Laus oder Steiß. Sprachhistorische Überlegungen muß er dabei nicht anstellen.

– geändert durch Reinhard Markner am 22.11.2002, 12.57 –

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Theodor Ickler
16.05.2002 09.55
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Faß ohne Boden

Zwischen Fachsprachen und Allgemeinsprache gibt es natürlich überhaupt keine scharfe Grenze (insofern würde ich auch die Bezeichnung von Musikinstrumenten gar nicht so eindeutig zuordnen, lieber Herr Grunden). Und es ist auch nicht ernst zu nehmen, wenn die Reformer uns zumuten wollen, in nennenswertem Umfang anders zu schreiben als die Fachleute, die von denselben Dingen reden. Ein gewisser Anteil von Fachausdrücken wird noch mit dem lateinischen c geschrieben, wo die Allgemeinsprache k oder z hat, aber das ist ja ein alter Hut. In den Zeitungen wie z. B. der FAZ schreibt man auch noch Oxyd, in der Chemie meist Oxid – aber das ist eigentlich kein orthographischer Unterschied mehr, sondern betrifft die internationale chemische Nomenklatur.
Ein ziemlich aktues Problem ergibt sich, wie ich andernorts schon gezeigt habe, daraus, daß zur Großschreibung im amtlichen Regelwerk beispielhaft die botanischen und zoologischen Gattungsnamen angeführt, in der verbreitetsten Auslegung aber als exklusiv aufgefaßt werden, so daß andere Fächer hier nicht betroffen wären. Dem steht aber einerseits der Wortlaut, andererseits auch die selbstverständliche Praxis entgegen: Roter Riese (Astronomie), Rote Irdenware (Archäologie) usw.
__________________
Th. Ickler

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Theo Grunden
16.05.2002 09.08
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Fachsprache - zum Beispiel Musik

Auch die speziellen Bezeichnungen „Viola da gamba“, „Oboe d’amore“ und ähnliche sind ohne Zweifel fachsprachlich (wenn auch aus einem relativ unwichtigen Fach); die Bertelsmann-Sprachberatung bestätigte mir dies zumindest (obwohl ich’s eigentlich immer schon geahnt hatte), und empfahl mir daher auf Nachfrage, deren Schreibweise (trotz § 55.3) unverändert zu lassen. Im Duden 2000 steht aber jetzt „Viola da Gamba“ und „Oboe d’Amore“. Ist also diese Änderung speziell für diejenigen gedacht, die die Begriffe „nur“ umgangssprachlich benutzen??

Jedenfalls haben z.B. Deutscher Taschenbuch Verlag und Bärenreiter Verlag diese Änderungen brav in die ihre gemeinsame Neuauflage (2001) des dtv-Atlas Musik übernommen, die eigentlich durchweg fachsprachlich gestaltet ist. Und bevor davon eine weitere Neuauflage erscheinen wird, hat der Duden wahrscheinlich schon wieder mehrere geänderte hinter sich. Bei „Blue notes“ vergaß man übrigens wohl, daß es dann eigentlich auch „Blue Notes“ heißen müßte, oder gemäß Bertelsmann „Bluenotes“. Und natürlich gibt’s jetzt reichlich „Schlussstriche“, „Schalllöcher“ „Bassschlüssel“, „Basssaxophone“ (hier immer- und weiterhin nur mit „ph“, wie auch alle anderen „-phone“). Die „Bachschen Fugen“ wurden auch nicht zu „bachschen“ gemacht (alles, was von Bach kommt, wird halt bei Musikliebhabern ohnehin sowohl groß- als auch groß geschrieben).

Im Fall der Saxophone gibt sich das aktuelle Musik-Magazin „toniq“ (für Schülerinnen und Schüler der Musikschulen im Verband deutscher Musikschulen, VdM) sehr „fortschrittlich“: hier gibt es nur noch Saxofone.

Fachwechsel: Gehört eigentlich der Begriff „Orthographie“ für Rechtschreibfachleute und -kommissionen zur Fachsprache?

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Theodor Ickler
16.05.2002 07.47
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Fachsprache

Es entspricht zwar dem amtlichen Regelwerk, daß Fachsprache nicht betroffen sein soll, aber das war immer nur eine Vorsichtsmaßnahme, weil die Reformer sich nicht mit den Fachleuten anlegen wollten. Gleichwohl sind ja zum Beispiel die botanischen und zoologischen Gattungen ausdrücklich betroffen durch die festgelegte Großschreibung. (Sie galt auch bisher schon, aber das ist hier irrelevant.) Neuerdings nutzen Augst und seine Genossen das Hintertürchen Fachsprache, um alle möglichen Kritikpunkte zu entkräften, ohne das Regelwerk ändern zu müssen.
Übrigens haben Bundesinnen- und -justizminister verfügt, daß die gesamte Gesetzes- und Verwaltungssprache umgestellt werden. Dagegen hat keiner der Reformer seinen sachkundigen Rat erteilt, daß solches nicht im Sinne des Erfinders sei, im Gegenteil, man frohlockt über diese machtvolle Unterstützung durch die Behörden.
__________________
Th. Ickler

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Theo Grunden
16.05.2002 07.06
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Erste Hilfe für die Fachsprache?

Fachsprache liegt also – was die Schreibung betrifft – nach der „augstschen“ Theorie „außerhalb der amtlichen Norm“. Ich verstehe das so, daß fachsprachliche Ausdrücke grundsätzlich ihre bisherige Schreibung beibehalten; diesbezügliche Änderungen könnten dann wohl allenfalls fachsprachliche Gremien, die dazu (von wem auch immer) ermächtigt worden sind (oder es noch werden, oder vielleicht als „Bibelverfasser“ ihres Fachs schon anerkannt sind), beschließen, und/oder Fachwörterbücher der betreffenden Fachgebiete könnten sie dokumentieren? Da kann man gespannt sein auf weitere Erläuterungen.

Aber warum nur, so frage ich mich, hat Herr Augst – oder eines der „gleich denkenden“ Kommissionsmitglieder – nicht wenigstens einem der Duden-Redakteure vor der Neuauflage 2000 den Tip (meinetwegen auch den Tipp) gegeben, daß (z.B.) „Erste Hilfe“ als fachsprachlicher Ausdruck nach wie vor groß zu schreiben ist? Dann hätte der Duden ja zumindest eine differenzierende Angabe dazu machen können, wie z.B. beim Genus von „Virus“ (fachspr. das, ugs. auch der): fachspr. Erste Hilfe, ugs. erste Hilfe. Und die Ausnahmenliste der dpa wäre schon mal etwas kleiner ausgefallen. Wo hätte ein an Rechtschreibung interessierter „Durchschnittsbürger“ eigentlich bisher nachsehen müssen, wenn er die „augstsche“ Auslegung/Ergänzung(?) zum Regelwerk schon vor ihrer Veröffentlichung in der Märkischen Allgemeinen hätte kennen wollen?

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Theodor Ickler
10.05.2002 02.20
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Scheingefecht

Herr Melsa hat das Augst-Interview überaus treffend analysiert. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich von einem Mitglied der Reformkomission ganz sicher weiß, daß das „Pro und Kontra“ nur zum Schein vorgetragen wird und die (im Grunde ja schon 1997 ins Auge gefaßten) Korrekturen der Reform tatsächlich geplant sind und bei nächster Gelegenheit beschlossen werden sollen. Dafür müssen nur noch die Kultusministerien, der Kulturstaatsminister (also Frau Palmen-Schrübbers) und das Bundesinnenministerium gewonnen werden. Das dürfte gelingen, wenn Bertelsmann grünes Licht gibt. – Das ist die wirkliche Lage, und man muß alle Äußerungen der allerdings sehr still gewordenen Kommission in diesem Lichte betrachten.
__________________
Th. Ickler

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Elke Philburn
09.05.2002 22.29
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Ich habe mich beim Lesen des Ickler-Interviews gefreut.

Augst, wie Christian Melsa schon herausarbeitete, erscheint mitunter eher desinformiert, um nicht zu sagen, konfus.

(Großschreibung zur Hervorhebung! Tststs...)

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Christian Melsa
09.05.2002 19.59
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Einen ausführlichen Kommentar zum MAZ-Interview mit Gerhard Augst kann ich mir nicht verkneifen:

Die Rechtschreibreform steht erneut in der Kritik ...

Augst: Sie ist wieder in die Kritik geraten, weil Einige den dritten Bericht
der Kommission in einem Sinne gelesen haben, in dem man ihn wirklich
nicht lesen kann. Behauptet wird, wir würden die Reform der Reform
empfehlen. Das steht mit keinem Wort in dem Bericht.


Es wird nicht offen ausgesprochen. Aber welchen Sinn sollen die Erwägungen des Berichts haben, wenn keine Reform der Reform angepeilt wird? Viele der erwogenen Vorschläge sind nicht mit der Neuregelung in Einklang zu bringen – jedenfalls nicht ohne „Toleranz-Metaregeln“.

Es gab aber Änderungen?

Augst: Nur 1996 durch die Einführung der neuen Rechtschreibung.
Seither gibt es nur Auslegungen. Auch im Bericht haben wir nur
Probleme diskutiert, die immer wieder genannt werden. Wir haben
gefragt, was spricht für unsere Lösung, was für die alte, und was für die
Vorschläge der Kritiker.


Die Rechtschreibung besteht eigentlich aus den Schreibweisen. Wenn durch neue (ohnehin teilweise sehr abenteuerliche) Auslegungen Schreibweisen geändert werden, dann sind das selbstverständlich Änderungen der Rechtschreibnorm. Und diese hat es seit 1996 nachweislich in vielen Fällen gegeben.

Um was handelt es sich dabei?

Augst: Dazu gehören Fälle wie das „schwarze Brett“. Da haben die
Nachrichtenagenturen gesagt, so etwas wollen wir groß schreiben. Also
haben sie eine Liste mit 40 Ausdrücken vorgelegt, die groß zu
schreiben wären.

Also wie früher?

Augst: Zwar steht im alten Duden, man schreibe derartiges groß. Aber
im Wörterteil werden 60 Prozent dieser Fälle klein geschrieben. Da war
also schon etwas nicht in Ordnung. Damals wurden dann die schwarzen
Koffer populär und die Agenturen haben wieder bei uns angefragt. Na,
haben wir gesagt, nun seh’n Sie, wie schwer das zu entscheiden ist.


Es steht im Regelteil des alten Duden nicht nur, man schreibe derartiges groß, sondern auch, daß manches derartiges auch klein geschrieben wird. Insofern gab es da gar keinen Widerspruch zwischen Regelwerk und Wörterteil.

Was dagegen wirklich eigenartig ist: Erst kommen die Agenturen mit einer Liste von 40 Ausdrücken, die abweichend von der Reformschreibung groß geschrieben werden sollen, und bei einem neuen Fall wenden sie sich ratsuchend an ausgerechnet die Institution, deren Vorschläge zu genau diesem Thema sie zuvor mißachtet haben? Da stimmt doch etwas nicht.

Wie haben Sie entschieden?

Augst: Im Sinne einer einfachen Handhabung – Kleinschreibung bleibt
die Norm. Wenn du aber etwas um es hervorzuheben groß schreiben
willst, dann tu’s.


Also wurde doch eine Entscheidung getroffen, die eine Abweichung vom Reformregelwerk bedeutet, denn diese Wahl wird dort so nicht gelassen. Oder soll die Freiheit nur den Nachrichtenagenturen gestattet sein, Schülern oder Beamten jedoch nicht?

Kleinschreibung war immer schon die Norm, Großschreibung das Besondere. Und natürlich geht es bei der besprochenen Sache ja nicht wirklich um „Hervorhebung“ im eigentlichen Sinne, sondern um eine Markierung zur Unterscheidung zwischen Sein und Heißen. Natürlich kann jeder von Schwarzen Koffern schreiben, aber im Vergleich zu schwarzen Koffern wäre das dann ein Hinweis: hinter dem Ausdruck steckt eine Bedeutung, die nicht erfordert, daß die Koffer wirklich schwarz sind.

Es gibt aber auch rechtliche Begriffe, bei denen Großschreibung sinnvoll
ist. Beispiel: die „Erste Hilfe.“

Augst: Dabei handelt es sich um Fachsprache. Die liegt außerhalb der
amtlichen Norm.


Wieso gibt es dann einen Eintrag die erste Hilfe* in der Wörterliste der amtlichen Neuregelung?

Das Gesetz, eine Fachsprache?

Augst: Ja, Termini des Gesetzes sind Rechts-Sprache. Darin liegt ja
deren „Gemeinheit“: Man meint den Sinn zu verstehen, aber das Wort
bedeutet etwas anderes – denken Sie nur an den Unterschied von
„Besitz“ und „Eigentum“.

Die Grenze zwischen Fach- und Umgangssprache ist aber schwer
auszumachen...

Augst: Sie ist fließend. Die Fachsprache greift auf die
Allgemeinsprache zurück und neue Fachbegriffe wachsen in den
Sprachgebrauch hinein.


Dann ist es aber doch überflüssig problematisch, wenn Begriffe wie Erste Hilfe (oder schwerbehindert usw.) in der Allgemeinsprache plötzlich anders geschrieben werden sollen als in der Fachsprache. Vollkommen albern.

Bei diesen Fällen schimmert noch das alte Ziel durch, die
Kleinschreibung einzuführen. Im Ganzen haben wir aber mehr
Großschreibung. Wieso?

Augst: Der Internationale Arbeitskreis hatte den deutschsprachigen
Staaten empfohlen, die gemäßigte Kleinschreibung einzuführen. Das
wurde jedoch abgelehnt. Um schwierige Randphänomene abschaffen zu
können, musste man also eine neue Lösung finden.


Natürlich sind in Wirklichkeit die gleichen Randphänomene immer noch vorhanden, nur daß der Randverlauf etwas geändert wurde, allerdings sprachhistorisch nachweislich rückschrittlich. Systematisch vereinfacht wurde dabei überhaupt nichts.

Warum fiel die so gegensätzlich zum ersten Plan aus?

Augst: Schon vor der Reform haben viele – nicht etwa nur Kinder und
Halbalphabeten – Begriffe wie „im Voraus“ groß geschrieben, weil sie
den Ausdruck als Substantiv verstanden haben. „Im“ gilt als
Zusammenschluss von „in“ und „dem“. Da haben wir gesagt, okay, soll
man’s doch einfach groß schreiben.


Mit dieser Logik müßte man dann aber auch am Höchsten usw. schreiben (Superlative).

Und sich damit von der Grammatik entfernen?

Augst: In dem Fall ist das eindeutig so, anderswo weniger: Ich habe
Linguisten erlebt, die sich stritten, ob bei „heute Abend“ ein Adverb oder
ein Substantiv vorliegt. Wenn die sich schon nicht einigen, kann man
das doch auch dem Normalschreiber nicht zumuten.


Es wird dem Normalschreiber immer noch zugemutet, nur unter umgekehrtem Vorzeichen. Denn laut Reform ist nur heute Abend richtig, dafür heute abend falsch. Wenn man schon zu dem Schluß kommt, daß sich die Wortart nicht genau klären lasse bzw. daß sie Ansichtssache sei, dann müßte man doch die Schreibung freigeben. Augsts Begründung ergibt da also keinen rechten Sinn.

Die Reform sollte das Schreiben vereinfachen. Warum hält sich der
gegenteilige Eindruck?

Augst: Das Alte, wenn’s auch schwierig war, wird für besser gehalten,
als das Neue. Aber viele haben sich schon an die neue Schreibung
gewöhnt. Auch, weil die Zeitungen umgestellt haben.

Gerade bei denen belegen Untersuchungen aber höhere Fehlerquoten...

Augst: Das ist doch klar: Aus der Sicherheit gestoßen, beginnt man zu
überlegen. So, wie der Tausendfüßler, der nachdenkt, wie er das 556.
Bein bewegt. Am Ende kann er dann gar nicht mehr laufen. Außerdem
kommt es darauf an, wer die Studien erstellt und ob er alle Fehler zählt,
oder nur die von der Neuschreibung verursachten. Unser Bericht enthält
eine Untersuchung von 18 Tageszeitungen...


Interessant, Augst gibt zu, daß die Umstellung große Schwierigkeiten bereiten kann. Mehr noch, er geht sogar davon aus, daß vor der Reform eine Sicherheit vorherrschte („Aus der Sicherheit gestoßen...“)! Warum hat man es denn bei diesem wunderbaren Zustand nicht einfach belassen?

Wie fiel die aus?

Augst: Wir haben festgestellt, dass die neue Orthografie zu 94 Prozent
richtig angewendet wird. Fehler treten gerade bei Wörtern auf, die im
Kopf gespeichert sind – etwa „muß“ mit „ß“.


Das Beispiel ist schlecht gewählt, denn ein Fehler wie „muß" gehört gerade zu jenen, die der genannten Untersuchung zufolge am seltensten auftreten. Auf ganze Prozente gerundet sind für die verschiedenen Bereiche der Reform folgende Fehlerquotienten festgestellt worden:

Laut-Buchstaben-Zuordnung: 1 %
Getrennt-/Zusammenschreibung: 17 %
Schreibung mit Bindestrich: 6 %
Groß-/Kleinschreibung. 13 %
Worttrennung: 19 %

Der in der Tabelle des Berichts angegebene Gesamtfehlerquotient beträgt 4,4 %. Man muß noch die Zeichensetzungsfälle unter „fakultativ alt“ rausrechnen, weil die sich auf gesetzte Kommas beziehen, die bereits vor der Reform üblich waren und nicht dadurch reformspezifisch werden, daß man sie gemäß Reform auch weglassen könnte. Das sind übrigens fast alle Fälle; daran sieht man, wie wenig Gebrauch von den neuen Komma-„Freiräumen“ gemacht wird. Berücksichtigt man diesen Umstand, kommt man auf den Gesamtfehlerquotienten 6 %, also die 94 % richtiger Anwendung, von der Augst spricht.

Der Quotient bezieht sich also natürlich nur auf solche Wörter, die von der Reform überhaupt betroffen sind. Die ss/ß-Regelung wurde in den untersuchten Texten offenbar sehr sicher umgesetzt. Da diese reformspezifische Laut-Buchstaben-Zuordnung bei weitem am häufigsten vorkommt, fallen auch andere Fehler in diesem Bereich prozentual nur minimal ins Gewicht. Die ss/ß-Regelung ist zudem die einzige reformspezifische Regel, die streng systematisch eindeutig anwendbar und gegenüber der bisherigen tatsächlich geringfügig systematisch vereinfacht ist (was die resultierenden Schreibweisen aber erwiesenermaßen für Schulkinder nicht einfacher lernbar macht, denn beseitigt wurden ausgerechnet die einfachsten, augenfälligsten Elemente des Systems). Für die bisherige ss/ß-Regelung sprechen ja auch weniger rein logisch-systematisch bessere Lernbarkeit als das stochastisch bedingt geringere Fehlerrisiko und die Vorzüge, die sie fürs Lesen bietet (Oberlängen-Silbenfugenmarkierung usw.).

Allerdings sind im Bereich der Laut-Buchstabenzuordnung etwa im gleichen Umfang Fehler nach Neuschrieb gemacht worden wie zugelassene Varianten jeweils „progressiv“ und „konservativ“ vorkamen. Die wirklich enorm schwierigen Bereiche der Reformschreibung liegen aber nicht in der Laut-Buchstaben-Zuordnung, wo man sich als Schreiber mit der Zeit schlicht die entsprechenden Neuschrieb-Wortbilder angewöhnen kann (so wie man das als Schreibenlernender mit der bisherigen Rechtschreibung vor der Reform jedoch noch besser machen konnte, weil es keine Verwirrung durch alternative Rechtschreibungen gab), sondern dort, wo tatsächlich eine situationsspezifische grammatische Analyse erforderlich ist, um die richtige Schreibung zu ermitteln, also hauptsächlich bei der Getrennt-/Zusammenschreibung und bei der Groß-/Kleinschreibung.

Nur auf diese beiden Bereiche bezogen, die in den untersuchten Texten 16 % der Abweichungen von der alten Rechtschreibung ausmachten, beträgt der Fehlerquotient aber bereits 15 % (mit anderen Worten, in diesen 16 % der reformspezifischen Änderungen waren 85 % nach Ansicht der Kommission richtig umgesetzt).

Die Kommission untersuchte 18 Tageszeitungen vom 15. Januar 2001. Man müßte einmal die Ausgaben derselben Zeitungen aus dem Januar 1996 zum Vergleich heranziehen, um sagen zu können, ob Fehlerzahlen zugenommen haben oder nicht.

Warum aber müssen wir auch nur diese vorübergehende Verwirrung
hinnehmen?

Augst: Eine Rechtschreibreform macht man nicht für drei, vier Jahre. Die
letzte, von 1901, trat 1902 in Kraft. Da gab es übrigens dieselben
Phänomene, die Sie beklagen.


Mit ein paar entscheidenden Unterschieden: Es gab damals nicht bereits zuvor eine überregional einheitliche deutsche Orthographie, die allen lebenden Menschen in der Schule beigebracht wurde und im weit überwiegenden Bestand schriftlicher Medien vorliegt. Außerdem wurden damals keine Schreibweisen eingeführt, die zu der Zeit überhaupt nicht üblich waren, sondern es wurden lediglich per Abstimmung der Konferenzteilnehmer Varianten gestrichen. Und es herrschte damals das wilhelminische Kaiserreich. Unser heutiger deutscher Staat jedoch hat eine demokratische Verfassung aus keinem anderen Grund als dem, politisches Handeln gegen den Willen des Volkes auszuschließen.

Erklärt das schon die harsche Kritik? Hat die Kommission keine Fehler
gemacht?

Augst: Möglich, dass wir die Öffentlichkeit mehr auf die neuen Regeln
hätten hinweisen müssen. Und ein Versäumnis war, das Regelwerk
nicht vor Inkrafttreten mit den Wörterbuchredaktionen durchzuarbeiten:
Die Nachschlagewerke erschienen 1996 wegen des Marktvorteils ja
mitunter schon vor dem Erlass.


Das ist ein ganz erhebliches Versäumnis; wie Theodor Ickler bereits kommentiert hat, haben die Reformer, Schulbehörden usw. das ja nicht einfach nur tatenlos mitangesehen, sondern an der vorgezogenen Schaffung von Tatsachen eifrig mitgewirkt.

Und: Nun – inzwischen ist die Öffentlichkeit mehr auf die neuen Regeln hingewiesen; deren Folgen lassen sich schließlich tagtäglich beobachten. Doch immer noch werden sie nur von 10 % der Betroffenen befürwortet.

Wird Rechtschreibung durch den Streit nicht überbewertet? Wozu
überhaupt Orthografie?

Augst: Aus der Erfindung des Buchdrucks, mit der sich auch das
Lektüretempo verzehnfacht hat, ergibt sich das Bedürfnis, eine
Schreibung stets in der gleichen Form geboten zu bekommen...


Sonderbar, wie man daraus den Schluß ziehen kann, man müßte also am besten einfach mal die Form der Schreibung verändern.

Trotzdem lässt Ihre Reform so viele Varianten zu?

Augst: Sie können versuchen, eine Rechtschreibung einzubetonieren.
Aber es wird nie gelingen: Orthografie unterliegt dem historischen
Wandel. Es ist möglich, den ein bisschen zu bremsen. Mehr aber nicht.
Den Willen der Schreiber können weder die beste Reform noch
diktatorische Maßnahmen je unterdrücken.


Da kann er natürlich aus Erfahrung sprechen. Wobei die gegenwärtige Reform nicht nur ein „bißchen bremsen“, sondern die Rechtschreibung eben doch einbetonieren sollte, allerdings auf einem entsetzlich rückschrittlichen Stand.

Kraft kultusministeriellem Erlaß gegen den Volkswillen darf den Schülern gegenwärtig nur eine Rechtschreibung beigebracht werden, an dessen Erfolg nicht einmal mehr der Oberreformer und Vorsitzende der Rechtschreibkommission glaubt.

Witzigerweise zieht Augst in seinem Schlußwort nicht in Erwägung, man könnte auch den Versuch unterlassen, eine Rechtschreibung einzubetonieren oder die Sprachentwicklung zu bremsen. Weder scheint ihm das enorm Anmaßende so eines Versuches aufzufallen, noch spricht er über die Möglichkeit, die Rechtschreibung einfach so zu nehmen und zu beschreiben, wie sie ist und alle sie kennen. Dabei liegt doch auf der Hand, daß mit so einem Ansatz garantiert weniger Probleme aufkommen, als wenn man mit erzwungenen Umstellungen für unnötige Reibungsverluste sorgt.
– geändert durch Christian Melsa am 11.05.2002, 20.11 –

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