Grenzgängertum
Zitat: Merke: Einen Grenzbereich gibt es immer, und die hier angeführten Wörter sind hübsche Beispiele, um den Grenzbereich auszuleuchten.
Das, lieber Herr Lindenthal, führt aber doch automatisch zur Diskussion über die Grenzfestlegung!
Ist Grenzfestlegung eine Sache der Sprachgemeinschaft?
Oder ist sie im einzelnen Sache der Dichter, der Professoren, der Politiker, der wortgewaltigen Stammtischbrüder und Unikümer; Sache einer bibliographischen Anstalt oder gar Angelegenheit der zwölf Apostel von der Rechtschreibreformkommission, nebst deren Schirmherren.
Mit welchem Recht? frage ich mich, holt die Kommission etwas völlig Verblaßtes aus der Versenkung zurück und behauptet, daß „auf dem laufenden bleiben“ oder „beim alten lassen“ oder „durch dick und dünn gehen“ künftighin wieder unverblaßt und ursächlich zu schreiben sei.
Sicher habe auch ich kein Recht, „Schritt fahren“ in den Zustand des allmählichen Verblassens überzuführen, sprich „schrittfahren“ zu schreiben, doch erinnere ich daran, daß die Herren Rechtschreibreformer genau dieses Vakuum der Schreibung (dieses Metápherische) als Begründung für die Notwendigkeit ihrer Verschlimmbesserungen anführten.
Auch schon früher habe ich mir die Freiheiten herausgenommen, „radfahren“ genauso wie „autofahren“ zu schreiben, dann nämlich, wenn ich die Tätigkeit (das Tunliche/Tunwortartige) im Vordergrund sah. Ich kenne doch die Wortart, in die ich transferieren will. Da brauche ich doch keinen Duden, keine Regel, keine neuen Wortpapierkörbe, sondern lediglich grammatisches Gespür.
Genau jenes aber wird mir durch den Rechtschreiberlaß extrem verwehrt; und das war mir auch durch die Einzelwortfestlegung des Duden (allerdings in geringerem Maße) ebenfalls nicht so recht gestattet.
Übrigens: Man kommt nie an die Grenzen, wenn man sich ausschließlich im bequemen Wohnzimmersessel tummelt.
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