Schutz und Trutz
An der Vision von Herrn Lindenthal ist sicherlich viel Richtiges dran, denn ähnlich wie in der Industrie oder im Bankenwesen muß generell im gesamten Dienstleistungsbereich der Rotstift angesetzt, Stellenabbau betrieben sowie zielgerechtere und ergebnisorientiertere Arbeit geleistet werden, damit die Wirtschaft wieder flott wird.
Auch muß an einen wirtschaftlichen Grundsatz erinnert werden, der besagt, daß derjenige, der nichts produziert, vielmehr im wesentlichen nur veredelt – daß eben derjenige eine besonders edle und hochwertige Arbeit verrichten muß, damit die Dinge auch eine echte Wertschöpfung erfahren – wem auch immer zum Nutzen …
Über die „Arbeitskraft“ der Dienstleistenden und Staatsbeschäftigten denken ja sogar die Staatsmänner nach, oft mit gutem Willen, meist aber nicht in letzter Konsequenz.
Ein Beispiel:
Ministerialdirektor Hoderlein (Bayern), faßte (einen Monat vor der Unterzeichnung des sog. Wiener Abkommens) die Ergebnisse einer (längere Zeit zuvor) eigens am bayerischen Innenministerium eingerichteten Projektgruppe „Motivationsförderung“ mit folgenden Worten zusammen: „Der Weg ist das Ziel“.
(Das gesamte Konzept ist nachzulesen im hiesigen Forum unter „Dokumente“ – Seite 2 „Leitbilddiskussion“).
In kurzer Zusammenfassung: Jene philosophisch anmutenden Gedanken waren eingebettet in einem Konzept, das sich „Leitbilddiskussion“ nannte. Es versuchte allen Angestellten des
öffentlichen Dienstes Motivation und Selbstverständnis einzuhauchen, machte aber letztendlich den Beamten klar (hier in absolutem Zynismus formuliert): daß sie – die Bürokraten – eine naturgegebene, „gottgewollte“ und von den weltlichen Machthabern unterstützte Erscheinungsform des oligarchischen Staatswesens seien …
und folgerichtig wurde dieses Konzept insbesondere in der Lehrerschaft ernsthaft diskutiert.
Das heißt: Im Laufe dieser Diskussion erwarb die Lehrerschaft das Bewußtsein, daß jene – vom Schulamt, von der Regierung, aus den Länderparlamenten und auf der höchsten Regierungsebene – in jedem Falle hinter den Handlungen der angefeindeten Lehrerschaft stünden, solange sie das machte, was gewollt war.
Wer wollte in einem solchen Schutz- und Trutzbündnis Abtrünniger sein.
Ein weiterer Tatbestand fällt mir in Zusammenhang mit der Aushöhlung des pädagogischen Selbstverständnisses ein:
In den frühen 90er Jahren wurde in der Lehrerschaft Bayerns eine sog. Wertediskussion geführt, begründet durch die Feststellung eines riesigen Erziehungsdefizits. Von „Schlüsselkindern“ wurde gesprochen, denen die Grundbedingungen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens abhanden gekommen seien aufgrund der Versäumnisse ihrer Eltern; und zur Abhilfe wurden deshalb in diversen zusätzlichen Nachmittagsveranstaltungen seinerzeit Werte und Traditionen definiert, die tradiert werden müßten, damit die Gesellschaft nicht degeneriere.
Jetzt, im Ruhestand, denke ich manchmal wehmütig zurück, schwelge zwischen Zynismus, Volksweisheiten und ernsthafter Philosophie.
Zu Hoderlein („Der Weg ist das Ziel“) fällt mir die Umkehrung ein: Wo ein Wille (und ein festes Ziel) ist, dort ist auch ein Weg.
Zur Werterziehung („Wir müssen wieder die alten Werte vermitteln“) fällt mir ein: Wir müssen die Menschen wertvoll machen, denn nur mündige und selbstbewußte Menschen stützen die Harmonie.
Und zu Martin Reimers und Detlef Lindenthal fällt mir ein: Mit einem wertlosen Haufen kann man keinen Krieg gewinnen.
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nos
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