Weiterbearbeitung
Liebe Frau Menges,
der Aspekt der Teamarbeit ist mir auch schon durch den Kopf gegangen und daß Sie es als problematisch ansehen könnten, sich mit jemandem zusammenzutun, der andere Ziele verfolgt als Sie. Aber tue ich das wirklich? Bei Lichte betrachtet, sind unsere Standpunkte keineswegs widersprüchlich zumindest was die Ausrichtung betrifft: Es geht (im Idealfall) um eine verbesserte Rechtschreibung, die weder die Probleme der von vor 1996 noch die Fehler (etc.) der reformierten aufweist. Sind wir uns darin einig? Welche Rolle spielt dann der jeweilige Ausgangspunkt?
Ja, Sie müssen auf jeden Fall von der reformierten Rechtschreibung ausgehen ganz egal, wie eindeutig die momentan definiert ist und wie konsequent sie (selbst in der Schule) wirklich angewandt wird. Bleiben Sie standhaft in Ihrer Lehrbereitschaft, das ist derzeit keine leichte Aufgabe (um diese wird Sie mit Sicherheit niemand hier beneiden). Aber verschließen Sie dort, wo Sie es können (nämlich hier im Forum), nicht die Augen vor den massiven Problemen in einer amtlichen Funktion stehen Sie nur den Schülern und den Kultusbehörden gegenüber, und da ist eben gelegentlich Schweigen, denn der Spielraum ist sehr eng. (Können Sie evtl. das Unterrichten von Grammatikfehlern vermeiden, indem Sie sich an den von der Kommission in ihren Berichten diskutierten Problempunkten, sagen wir, progressiv verhalten und punktuell die Neuregelung, sagen wir, dahingehend präzisieren, daß diese Problempunkte keine mehr sind?) Warum aber sollten Sie hier im Forum schweigen?
Denn überlegen Sie mal: Wollen Sie auch in Zukunft den Schülern wider besseren Wissens Falsches oder Unbrauchbares beibringen müssen? Ich weiß, daß das eine ziemlich knallharte Frage ist, aber ich denke, Sie verstehen sie (d. h. ich nehme an, daß Sie wissen, worauf ich anspiele), und ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, daß ich Sie so direkt danach frage. Ich erwarte nicht, daß Sie Ihre Karten hier völlig offen auf den Tisch legen werden. Ich bin mir aber sicher, daß Sie letztlich um diese Frage auch in Ihrem stillen Kämmerlein nicht herumkommen werden.
Deshalb weiter: Oben fragte ich danach, welche Rolle der jeweilige Ausgangspunkt spiele. Das ist keineswegs eine rhetorische Frage, denn ich denke, daß genau darin ein Schlüssel für die gemeinsame Arbeit liegen kann. Schließlich muß auch ich, der ich am liebsten von der nicht reformierten Rechtschreibung von vor 1996 ausgehen möchte, mich mit der Neuregelung auseinandersetzen, sie prüfen und fair urteilen. Wenn wir wollen, daß sich 2005 etwas zum Besseren entwickelt, dann können wir trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte etwas dazu beitragen, wenn wir jeweils genau prüfen und fair urteilen, was von den jeweiligen Vorschlägen zu halten ist unabhängig davon, ob sie mit der Aufschrift reformiert oder herkömmlich daherkommen.
Sie hatten das Pech, liebe Frau Menges, daß die bislang hier diskutierten Aspekte der Reformschreibung sehr massive und berechtigte Einwände gefunden haben. Nun, vielleicht finden sich noch Bereiche, in denen das anders aussieht. Wenn Sie aber das Gefühl haben, daß Sie damit nicht weiterkommen, dann drehen Sie doch den Spieß um und monieren Sie, was es an der herkömmlichen Rechtschreibung auszusetzen gibt und was Sie auf keinen Fall ab 2005 wiederhaben wollen. Zeigen Sie auf, warum die reformierte Schreibung in diesen speziellen Punkten besser ist, oder machen Sie einen ganz anderen Vorschlag. Aber reden Sie nicht vom beständigen Mahlen der Gebetsmühlen das können Sie auch sehr gut!
Wir müssen uns ja nicht in allen Puntken einig werden. Was Sie nicht monieren wollen, müssen Sie auch nicht monieren. Ich bin mir aber sicher, daß es einige Punkte gibt, in denen wir uns einig sind bzw. es werden können. Dafür sollten wir uns auch gemeinsam einsetzen. Denn die allerschlechteste Variante wäre doch, daß 2005 garnichts korrigiert wird (oder nur so wenig, daß es weniger ist, als worin wir uns einig sind, daß es so nicht bleiben kann). Wenn ich Pech habe, gibt es nur einen Kompromiß, etwa à la DASD. Wenn es aber nicht dabei bleibt, d. h. wenn wirklich ein Großreinemachen stattfindet was würde Ihnen das dagegen ausmachen?
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Jan-Martin Wagner
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