Von Exkrementen und Maiglöckchen
Gestern habe ich mir ein lesenswertes Buch gekauft: ‚Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt‘.
Ich habe es sogleich mit großer Ernsthaftigkeit gelesen und Gewinn daraus gezogen. Natürlich kommen darin keine neuen Erkenntnisse aufs Tapet. Wie denn auch, da alle Ungeheuerlichkeiten der Reform seit langem ausführlich und detailliert festgehalten sind: die heillose Verwirrtheit der Reformregeln und ihrer Urheber, der Betrug hinsichtlich der angeblichen Vereinfachung, die kaltschnäuzige Verachtung der öffentlichen Meinung seitens der politischen Machthaber – in Schleswig-Holstein haben die Volksvertreter ihr eigenes Stimmvieh ausgelacht , die klebrige Unterwürfigkeit der Journaille, die würdevolle Weisheit unserer Oberrichter in Karlsruhe, die sich wie alberne Backfische von einer Handvoll ehrenwerter Gesellschafter haben vor- und verführen lassen usw. usw. Nein, Neues bietet das Büchlein nicht, schon gar nicht für Diskutanten dieser Seiten. Aber es bündelt die Argumente noch einmal in kluger, einprägsamer und geschmeidig formulierter Weise, und ich wünsche ihm deshalb die verdiente weite Verbreitung. Reiner Kunzes 'Aura' erscheint in diesem Jahr bereits in dritter Auflage. Möge die Denkschrift der Bayerischen Akademie der Schönen Künste ebenso erfolgreich sein!
Eine Einsicht wurde mir noch einmal deutlich: Wer nach der Lektüre des Buches immer noch die voranflatternde Fahne der Reform meint grüßen zu müssen, ist entweder taubblind oder wird dafür bezahlt. Mit den Vertretern beider Seiten scheint mir allein der Versuch der Verständigung unmöglich. Mir fällt nur noch eine hübsche Formulierung ein, die ein namhafter Schriftsteller einmal gefunden hat: Keine Propaganda kann Exkremente in Maiglöckchen verwandeln.
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Heinz Erich Stiene
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