Von der Stimmigkeit ...
Lieber Herr Wagner!
Ich muß jetzt ein bißchen weiter ausholen, Dinge erklären, die scheinbar gar nicht hierher gehören, die aber in der Summe meine Persönlichkeit, meine Einstellung zu dem Oktroi Rechtschreibreform und auch meine oft ironischen und abwertenden Bemerkungen erklären.
Daß ich am tiefen Wasser der Emotionalität gebaut habe, ist kein Geheimnis,
daß ich mit den meisten Adressaten, mit denen ich zu tun habe, Dialekt spreche, hat schon mehr Neuigkeitscharakter,
daß ich mich schließlich auch adressatengerecht – sowohl mündlich als auch schriftlich –
ausdrücken kann, ist in hiesigen Kreisen schon eher zweifelhaft, weil ich zu oft den „agent provocateur“ spiele. Da wird dann einiges polemisch …
Versichern darf ich aber:
daß ich heimlich übe, und daß ich mich auch mit Wissenschaft und Didaktik beschäftige,
daß ich mich bei meinen didaktischen Analysen (z.B. von Rechtschreibsequenzen) – zu denen war ich beim Basteln von Schulstunden staatlicherseits angehalten – ausführlich beschäftigt habe mit An-, In- und Auslauten,
daß ich manches beispielhafte Unterrichtsmedium erstellte mit sprichwörtlich demostenes’schem Übungsfleiß allerdings ohne Kieselsteine.
Auch wenn ich tiefstapele, weiß ich, was ein stimmhaftes S ist (Sahne, sanft, sauber/Wortbeispiele für den Anlaut; Reise, leise, Faser/Wortbeispiele für den Inlaut).
Meinen Schülern habe ich es als summendes S verkauft, weil man den Summton (die Vibration) spüren kann, wenn man die Fingerspitzen an den Kehlkopf hält, während der Kehlkopf beim stimmlosen „s“, „ß“ und „ss“ eher spitz, scharf, kantig und vibrationslos wird.
Nur, diese Fühlprobe bringt nichts, weil das stimmlose S sowohl ein Auslaut-S, als auch ein scharfes S (ß) wie auch ein Doppel-S sein kann.
Niemals also hätte ich folgenden Merksatz in ein Schülerheft diktiert: „Rückt der stimmhafte S-Laut vom Innern eines Wortes an das Wortende (Auslaut), dann wird er stimmlos. Geschrieben wird jedoch ein einfaches s.
Und ebenso hätte ich niemals geschrieben: Das stimmlose S, kann als „s“, „ß“ oder „ss“ geschrieben werden.
Warum? Weil das wissenschaftliche Kakologie ist, die nichts und abernichts zur Unterscheidungshilfe beiträgt, und darum alleine geht es.
Und nun lieber Herr Schubert,
klären Sie mich mal über meine Unwissenheit auf.
Gibt es denn einen Unterschied in der Stimmhaftig- oder der Stimmlosigkeit, in der Zischlautigkeit oder Kehlkopfspitzheit zwischen „ss“ und „ß“.
Wenn ja – dann müßte man doch sämtliche Rechtschreibumlerner einem Aussprachekursus oder dem örtlichen Gesangsverein zuführen.
Das ist doch einfach lächerlich, mit phonetischen Prinzipien zu argumentieren bei einem Sprachfall, der mit ganz anderen Rechtschreibmethoden gelöst werden muß.
Und die allerschönste Kapriole der Rechtschreibreformer ist wohl die, daß sie die Konjunktion „daß“ mit dem Relativpronomen bzw. dem Artikel „das“ gleichsetzen wollten. Einheitlich sollte das Wort „das“ geschrieben werden.
Nee, nee, lieber Herr Schubert, da hat die Verarschung der Phonologen ein Ende, denn den Unterschied zwischen Artikel und Konjunktion (siehe auch „denn“ und „den“) habe ich so deutlich gemacht, daß meinen Schülern beim Diktieren der Konjunktion fast die Heftblätter weggeflogen sind.
__________________
nos
|