Re: Re: Wortbildung und Schreibkonvention
Zitat: Ursprünglich eingetragen von Margret Popp
Zitat: Ursprünglich eingetragen von guest
Deutsche Wortbildung und Schreibkonvention
Nach Fleischer/Barz, Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache:
Durch Wortbildung werden Wörter gebildet. Durch die Syntax werden Wortgruppen gebildet. Wörter werden zusammengeschrieben oder enthalten Bindestriche, andernfalls handelt es sich um Namen aus mehreren Wörtern
Das ist offensichtlich Unsinn. Wie Wörter geschrieben werden, kann ja wohl kein Kriterium der natürlichen Sprache sein, zur Entscheidung dessen, ob es in der Sprache als Einzelwort oder als syntaktischer (loser) Verband fungiert.
Willkommen im Untergrundforum, sehr geehrte Frau Popp! Nach dem, was Sie in anderen Foren zur Rechtschreibung und ihrer Reform geschrieben haben, habe ich mich schon darauf gefreut, hier mal mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich denke, daß ich daraus einige wichtige Dinge lernen kann; es interessiert mich, über die Beziehungen zwischen gesprochener und geschriebener Sprache eingehender nachzudenken.
Mit obiger Erwiderung scheinen Sie sich aber etwas verrannt zu haben, denn der von guest eingetragene Text sagt ja keineswegs gerade das aus, was Sie in Ihrer Stellungnahme behaupten: daß die Schreibung ein Kriterium für die Beurteilung des Unterschiedes zwischen Wort und Wortgruppe darstelle. Vielmehr sagt der Text doch bezüglich der Wörter das genaue Gegenteil: Die Schreibung richtet sich nach dem, was in der gesprochenen Sprache gilt. Die Aussage »Wörter werden zusammengeschrieben [...]« hat ja nur dann einen Sinn, wenn man schon weiß, was ein Wort ist nur dann kann man es auch als ein Wort schreiben. Wie sehen Sie das?
Die weitere Aussage »Was getrennt geschrieben wird, ist eine Wortgruppe.« ist dagegen viel interessanter, weil sie umgekehrt von der Schriftsprache zur gesprochenen Sprache weist. Ihre Gültigkeit hängt an der Logik, mit der man die erste Aussage betrachtet: Wie steht es da mit der Zuordnung zwischen gesprochenen Wörtern und Zusammengeschriebenem?
Nimmt man diese Aussage als eine vom Typ wenn A, dann B (hier: wenn etwas [nach außerschriftlichen Kriterien] ein Wort ist, dann wird es zusammengeschrieben), dann ist die (im Sinne der Aussagenlogik) zugehörige Negation vom Typ wenn nicht B, dann nicht A. Das muß so sein, denn wäre nicht B gegeben, aber trotzdem A zutreffend, ergäbe dies einen Widerspruch zu dem Ausgangsprinzip, wenn A, dann B. Die Negation lautet also: Wenn etwas nicht zusammengeschrieben wird, dann ist es kein Wort. Das paßt zu dem, was da steht: »Was getrennt geschrieben wird, ist eine Wortgruppe.« Wenn die erste Aussage gilt, muß auch diese Aussage gelten; sie sind logisch äquivalent. Das bedeutet aber nicht, daß damit die Schreibung zum Kriterium für Dinge der gesprochenen Sprache geworden ist; es ist nur eine Bedingung für logische Konsistenz bei der Zuordnung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache.
Zitat: Linguisten suchen nach ernsthaften Kriterien, die auch für das Sprachgefühl der Sprecher wichtig sind, in Aussprache und Wortgebrauch, um da die Trennlinien zu erkennen.
Die Schreibung gehört nicht dazu.
Stimmt: Die Schreibung ist kein Kriterium, das man bei der Entscheidungsfindung in Sachen der gesprochenen Sprache anwenden kann, denn sie ist nicht a priori gegeben. Vielmehr folgt die Schreibung erst aus einer solchen Entscheidung.
Das heißt aber auch, daß man anhand der Schreibung auf die getroffene Entscheidung zurückschließen kann. Was meinen Sie dazu?
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Jan-Martin Wagner
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