Böcke, Hirsche, hohe Tiere
Lieber Herr Schäbler,
vielleicht ist folgender Kultusministerinnen-Erfahrungsbericht hilfreich:
1998, als unser Gesetz zum Abschuß ausersehen war, habe ich zur Eröffnung einer Ausbildungs-Messe in Husum unserer Kultusministerin, Frau Erdsiek-Rave, aufgelauert, die, nachdem sie mit einigen ermutigenden Worten die Messe eröffnet und sich einige Stände angeschaut hatte, nun gelangweilt auf einem Stand herumstand. Ich also, ganz mutig und wohlvorbereitet, sprach sie an, sagte artig meinen Namen und fragte, ob ich ich sie etwas fragen dürfe. Sie, ungefähr in meinem Alter und in ihrem dunklen, halbdurchscheinenden Kostüm knusprig zurechtgemacht, lächelte mich an und flötete „Ja, natürlich!“ und blickte mir erwartungsfroh in die Augen. So überreichte ich ihr eine gegenüberstellende Wörter- und Argumenteliste zur Rechtschreibung und fragte sie, welche der beiden Seiten sie dort denn besser fände. Ihr Lächeln machte eine harte Landung, sie wendete sich zu ihrem Referenten oder Fahrer um und polterte: „Fängt der jetzt mit der Rechtschreibreform an!“ – Nein, wendete ich ein, keinesfalls fange ich mit der Rechtschreibreform an, im Gegenteil, ich möchte sie beenden. – „Das ist doch längst kein Thema mehr. Wir haben jetzt auch keine Zeit mehr“; sie zögerte etwas und wendete sich halb zu ihrem Begleiter um: „Nicht, wir sollten doch schon los?“ und dann irgendwie halblaut: „Das ist nicht gelogen.“ Es gelang mir nicht wieder, den Gesprächsfaden anzuknüpfen.
Seit diesem und etlichen weiteren Erlebnissen habe ich für mich mir die Meinung gebildet, daß die große Politik im kleinen gemacht wird, und mühe mich, meine eigenen Schul- und Hausarbeiten zu machen. – Wenn jemand von Ihnen turnusmäßig Frau Erdsiek-Rave aufsucht, um sie zu fragen, ob sie denn ihr Gewissen und ihre pralle Handtasche erleichtern wolle, dürfen Sie auch gerne mit Gruß von mir fragen, ob sie vielleicht inzwischen Zeit hat, meine Frage von damals zu beantworten. Die genannte Wörter- und Argumentenliste kann ich dafür wieder heraussuchen.
Gruß,
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Detlef Lindenthal
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