Lieber Herr Wrase, Ihrer Meinung möchte ich mich anschließen. Nicht jeder durfte, wie eine handvoll Aktiver, aus nächster Nähe erleben mit allen Menschlichkeiten, Lügen, Propagandamärchen, Dummheiten, Kommerzinteressen, usw. von welchen Trotteln wir in uns in diesem Land herumschubsen lassen müssen. Wer das nicht erlebt hat, nicht den blanken Hohn bei den Verantwortlichen* gesehen hat, wenn man sich für die berechtigten Belange vieler einsetzt, der bekommt die Anspielung auf die SS sicher in den falschen Hals.
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* Nur ein Beispiel dazu: Nachdem die Volksinitiative am 14. Dezember 1996 mit der Sammlung von Unterschriften für den Zulassungsantrag des Volksbegehrens begonnen hatte und innerhalb von 3 (!) Tagen die erforderlichen 20.000 Unterschriften beisammen hatte, hielt ich es für angebracht, die Landesregierung zu einem Gespräch zu bitten, damit so rasch wie möglich eine einvernehmliche Lösung für ein Problem gefunden wird, das den Leuten offensichtlich unter den Nägeln brennt sonst hätten sich ja in der Vorweihnachtszeit kaum so viele daran beteiligt.
Das Gespräch kam auch zustande, und zwar erklärte sich der Geschäftsführer der SPD-Fraktion dazu bereit, Herr Holger Astrup. Für das Gespräch (Februar 1997) in Kiel konnte ich, trotz der langen Anreise, Herrn Prof. Ickler gewinnen. Es verlief folgendermaßen:
Guten Tag.
Möchten Sie einen Kaffee?
Frau Sabine Schröder (SPD), Realschullehrerin, war von Herrn Astrup zu dem Gespräch dazugeben worden. Frau Schörder nannte ein Beispiel, bei dem durch die Rechtschreibreform eine Vereinfachung erfolgt sei.
Prof. Ickler widersprach dem und nannte daraufhin drei Beispiele, bei der die Reform bei ähnlichen Wortbildungen zu fehlerhaften und mißverständlichen Schreibungen führt.
Damit man stelle sich das bitte einmal vor war der fachliche Teil unseres Gespräches bereits beendet!
Denn Herr Astrup sagte zu mir dann nur noch wortlich: „Aber Herr Dräger, Sie glauben doch nicht im ernst, daß Sie für dieses Thema 100.000 Unterschriften zusammenbekommen!“
Mit anderen Worten: Wir hatten keine Chance, darum brauchte man sich auch mit den Inhalten nicht weiter zu beschäftigen. Die Reform war von der SPD-Kultusministrin beschlossen, also war sie gut, hatte ganz einfach gut zu sein.
(Zum Zeitpunkt, als Herr Astrup dies äußerte, hatten wir allein für den Zulassungantrag statt der erforderlichen 20.000 schon über 70.000 Unterschriften erhalten, die Sammlung ließ sich kaum noch stoppen. Im Zulassungsverfahren haben wir dann nicht nur die benötigten 100.000, sondern gleich über 300.000 Unterschriften gegen die Rechtschreibreform erhalten, obwohl die Sammlung nicht frei war, also die Eintragung nur an behördlich genehmigten Stellen erfolgen konnte!)
Nach wenigen Sätzen war also unser Gespräch, bei dem es nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal um die zukünftige Gestalt der deutschen Rechtschreibung ging, beendet. Ich nahm mir noch einen Keks, dann konnten Herr Prof. Ickler und ich wieder unsere Heimreise nach Erlangen bzw. St. Goar antreten.
Ein weiteres Gespräch, im Frühjahr 1999, zu der ich die Spitzen der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen hatte und das in meinem Elternhaus staffand, scheiterte, weil der Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay den von mir langfristig vorbereiteten Termin zwar zugesagt hatte, anläßlich der Übermittlung der Anfahrtskizze aber wieder absagte, da, so Hays Referent, „der Termin von mir zwischenzeitlich nicht bestätigt worden sei.“
Daraufhin, da Hay nicht kam, schickten auch die anderen Parteien nur ihre zweite Garnitur, wohl nur, um zu sehen, was da geplant werde, aber ohne die Möglichkeit, daß entscheidende Leute überzeut werden konnten.
Was zu Anfang ein Viergspräch nicht vermochte, gelang später auch nicht einem größeren Kreis in mehrstündiger Debatte. Später traten in gemeinsamer Aktion einmalig in der deutschen Geschichte die Präsidenten von nicht weniger als acht deutschen Akademien auf den Plan und forderten, ebenso „radikal“ wie auch Siegmar Salzburg, die Rücknahme der Rechtschreibrform.
Und das war noch nicht alles. Die Rechtschreibreform wird weiterlaufen, bis auch der letzte Pimpf hier in Deutschland begriffen hat, von welchen Hampelmännern die Reform durchgesetzt werden soll. Dann wird es aber wirklich zu spät, das Gefüge der Rechtschreibung nachhaltig gestört sein, und die Schüler werden kaum noch ein sicheres Sprachgefühhl ausbilden können.
Pandora hat uns mal wieder eingeschenkt, nun will der Kelch, der samt Sud doch so teuer war, auch geleert werden.
Prosit! Auf den Untergang von Anstand, Geist und Wahrheit!
Trink, Bürgerchen, trink!
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