Friedeburg
Zum Wirken des Ludwig von Friedeburg, zu den hessischen Rahmenrichtlinien wie zur damals populistischen Kleinschreibbewegung findet man gewichtige Gegenstimmen.
„Hier wird vermutlich eine Strategie entwickelt: Wenn es gelänge es ist eine praxisanregende Utopie , jeden Text zu einem Augenpulver und jedes Lesen zu einem Rätsellösen, einem Lesepuzzle zu machen, dann würde jede Zeitung ungelesen den Händen entsinken. Und wenn die Lust, die identifikatorische Lust an der Hochsprache richtliniengetreu sänke, so stürzte die Leserei bald nach. ... Hinderlich ist die Literatur. ...
Ich bitte zu glauben, daß Golo Mann recht hat, wenn er sagt: „Die Literatur, versichert man uns, erhalte in den Rahmenrichtlinien nur einen neuen Stellenwert.
Den erhält sie: im Mülleimer“. ...
Vielleicht gelingt einmal die ganz zeitgemäße, die perfekte, geruchlose Bücherverbrennung, die niemand merkt, weil es nicht einmal eine Zensur gegeben hat. Die Bücher bleiben. Der Inhalt ist herausgezaubert. Alle Literatur erlischt dem, dessen geistiges Leseorgan ertaubt.“
(Paul Stöcklein) -
„Golo Mann hat in seiner herben Kritik an den hessischen Rahmenrichtlinien den bedenkenswerten Satz geschrieben: „Wer die schönsten deutschen Gedichte kennen und lieben lernt, besonders auch, wer sie sich selber hersagen kann, der wird freier, unabhängiger; der stärkt die eigene Identität. Der kann, wenn das Praktische, Nützliche nachgewiesen werden muß, Trost finden in allerlei Notlagen, die auch in der emanzipierten Gesellschaft uns früher oder später nicht erspart bleiben.“ Ich bin nicht sicher, ob man Golo Mann auch dann folgen sollte, wenn Gedichte dem Raster des Entlarvungszusammenhangs unterworfen werden: Wenn aus John Maynard der nützliche Idiot wird, der sein Leben wegwirft für die Stabilität des Aktienkurses seiner Schiffartsgesellschaft, während die upper class am Heck des lecken Schiffes überlebt; wenn aus dem alten Ribbeck der zynische Junker wird, der Birnen an Kinder verschenkt, statt enteignet zu werden; wenn Arbeiterdichtung als der zu denunzierende Versuch entlarvt wird, von der industriellen Kapitalverwertung abzulenken.“
(Fritz Holthoff) -
„Wie kommt es, daß in einigen deutschen Ländern sozialdemokratische Kultusminister Lehrpläne für den politischen Unterricht in Kraft setzen, die mit marxistischem Gedankengut in einem Ausmaß durchsetzt sind, daß man fragen muß, worin sich ihr Grundtenor von denen der DDR eigentlich noch unterscheide? So daß es also gar nicht mehr verwundern kann, wenn man hört, daß sie spaltenweise direkt aus den offiziellen Schriften der DDR abgeschrieben sind und auch junge Lehrer aus den Lehrbüchern der DDR ihren politischen Unterricht bestreiten?“
(Hugo Andreae) -
Stöcklein und Andreae in „Klassenkampf und Bildungsreform“, Herder TB 9502, 1974.
Das Internet-Antiquariat ZVAB verzeichnet 6 lieferbare Exemplare. Holthoff, ehemals SPD-Kultusminister NRW, in einem vom VBE 1975 nachgedruckten Vortrag.
Die westdeutschen Lehrer wurden demnach durch die Lehrpläne und Richtlinien offenkundig zu Undercoveragenten Margot Honeckers gemacht, der ewigen DDR-Kultusministerin, genannt Miß Bildung.
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Rolf Genzmann
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