Doktor Eisenbarth
Volksliedgut,
behutsam modernisiert
von Reformdichter
Hans Flachs
Ich bin der Doktor Eisenbarth,
kurier das Deutsch auf meine Art.
Ich mach das Blinde nun schief gehn
und Lahme endlich weiter sehn.
Dem Orthografen Dudendumm
reicht ich die Hand voll Opium.
Drauf schlief er Jahre, Tag und Nacht,
und ist bis jetzt noch nicht erwacht.
In Weimar hüpft der alte Goethe
behänd zur Schreibreformerflöte:
„Ihr tut mir Leid mit eurem Treiben!“
Ganz Recht, nichts darf beim Alten bleiben.
Alsbald nahm ich den Heine her,
und seine Lore leider mehr,
denn sie macht immer während Not
leidende Flussschifffahrer tot.
Zu Prag graviert’ ich auf den Leib
Franz Kafkas Worte in Neuschreib.
Papier-Verfassung trägt solch Stress
gemäß dem Urteil im Prozess.
Und auch die Rosa Luxemburg
betreute ich als Sprachchirurg.
Wer meint, in Freiheit müsst man anders
Denkende bekehr'n – ja kann der’s?
Zu Wien kuriert' ich Siegmund Freud
und tat ihm richtig gehend Leid,
weil er nur selten etwas Krebs
erregend fand – oh Gott, vergeb’s.
Besonders freut an Thomas Mann,
dass er sich nicht mehr wehren kann.
Und wenn er auch im Grab rotiert,
bald schrieb er nur noch reformiert.
Den gräulich grauen Herrn der Zeit
verschrieb ich mehr „Behändigkeit“,
denn klarer Sinn im Jugendbuch
war immer letzten Endes Fluch.
Zu Weilheim trepanierte ich,
geschickt den frechen Friederich:
Ich schlug den Stuss ihm vor den Kopf,
belämmert kuckt der arme Tropf.
Vor Hunger war ein alter Filz
geplagt mit Schmerzen an der Milz.
Er hat Reformgift nun geschluckt,
weil Bertelsmann ihn sonst nicht druckt.
In Oggersheim der gute Kohl
fühlt sich mit seinem Buch sauwohl.
Doch Reformierer wollt er sein,
Ess-Esskulturen impft ich ein.
Der alte Rauh mich zu sich rief,
weil er seit Jahren viel verschlief.
Ich hab' ihn gleich zum „Rau“ gemacht.
Er ist bis heut nicht aufgewacht.
Mein allergrößtes Meisterstück,
das macht' ich einst zu Osnabrück:
Dem pädagogisch alten Knab
schnitt ich nur kurz die Zunge ab.
Vertraut sich mir ein Patient,
so mach' er nur kein Testament.
Es geht kein Dichter aus der Welt,
dem Konversion nicht längst bestellt.
Das ist die Art, wie ich kurier',
sie ist probat, ich bürg' dafür.
Dass jedes Mittel Wirkung tut,
schwör' ich bei meinem Doktorhut.
Chorus:
Williwillizwick, dumdum!
[nach 1., 2., 4. Zeile]
Williwill i zwick you hei-ras-sa!
[nach 3. Zeile]
[Refräng, nach jeder Strofe zwei Mal:]
Lautonia, lautonia,
Williwillizwick, jucheirassa
(Hans Flachs, Vertreter der „neuen deutschen Innigkeit“; sein Stil schon bekannt als neue „Flachsinnigkeit“)
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