Lieber Stephan,
es gibt im deutschen Sprachraum eigenwillige Leute, die zwischen Apfel und Birne ebenso unterscheiden wie zwischen gleich (derselben Äquivalenzklasse angehörend) und selb (= identisch, „ein und dasselbe/dieselbe/derselbe“; dasselbe Ding). Diese Leute haben den Vorteil, daß sie sich über Dinge verständigen können, die für andere Menschen ständig zu verwirrend sind.
In Deinem Schulbeispiel ist Klasse mehrdeutig.
Klassenstufe (z.B. Obersekunda) kann als Äquivalenzklasse genommen werden, damit heißen alle Schulklassen dieser Stufe (OIIa, OIIb, OIIc – auch auf anderen Gymnasien) zueinander äquivalent, also bezüglich dieser Äquivalenzklasseneinteilung „gleich“. Bezüglich einer anderen Äquivalenzklasseneinteilung können sie ungleich sein, etwa, wenn Du nur drei Äquivalenzklassen einteilst: Jungsklassen, Mädchenklassen, gemischte Klassen; oder: Musikklasse, Sportklasse, Förderklasse, ...
Zur Selbheit:
Eine Schulklasse verliert nicht ihre Selbheit beim Wechsel von der Sexta zur Quinta; denn zwei Sextaner-Schulfreunde würden nach der Versetzung in die Quinta immer noch sagen mögen: Wir sind nach wie vor in derselben Klasse (in unserer Klasse), und sie würden nicht sagen: Wir sind jetzt alle zusammen in eine andere Klasse gekommen, sondern zum Beispiel: Vorigs Jahr hat unsere Klasse eine Klassenfahrt in den Harz gemacht.
Noch zur Selbheit:
Schon nach ein paar Wochen hat sich der größere Teil Deiner Körperatome gegen andere Atome ausgetauscht (und ist nach Bülk gerauscht); trotzdem wirst Du meistens von Dir sagen können: Ich, S.F., bin derselbe wie vorigen Monat. Das ist wie bei einer Welle: die Wassermoleküle wechseln auf jedem Meter, aber die Welle ist dieselbe. Welle ist Idee und Energie, und die halten länger vor als ihre Zusammengehörigkeit mit einem bestimmten Vorrat an grober Materie.
Stephan Fleischhauer schrieb::
Doch, eins noch! Mir wurde ja selbst auf der Schule der Unterschied von gleich und selb eingetrichtert, und das Schlimmste ist, ich habe an diesen Blödsinn auch geglaubt. Nichtsdestotrotz ist es ein Anlaß, unseren Bildungsschrott von Zeit zu Zeit ein wenig unter die Lupe zu nehmen.
Das ist der Nachteil, wenn jemand die viele Zeit in der Schule nicht dafür genutzt hat, mittels Nachdenken die vielen dargereichten Wissensangebote zu überprüfen und miteinander zu vernetzen; wer in der Schule zu unkritisch war, hat natürlich ausgiebige Veranlassung, den Lehrern und Lerninhalten zu mißtrauen.
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