Ihre Idee, Entgegnungsstrategieen zu sammeln, sozusagen um sich scharf zu machen, ist im Prinzip gut. Nur ein Haken ist dabei: Da die Befürworter der Reform sich meistens sowieso nicht auf qualifiziertere Debatten einlassen, rennt man auf diese Weise oft gegen die Wand.
Ein paar Argumente gibt es allerdings, die meistens aus den Fehlern der Reform oder ihrer Einführung selbst resultieren:
1. „Das kann man jetzt nicht mehr (rückgängig) machen, das kostet doch die Verlage zuviel!“
Auf folgendes ist hier hinzuweisen: Die RSR war anfangs als „kostenneutral“ versprochen worden und die Menschen, die sie zuerst ausarbeiteten, bekamen dafür tatsächlich nichts. Diejenigen aber, die letztlich darüber entschieden haben, standen oft in direkter Verbindung (oder zumindest unter Druck) mit eben diesen Verlagen (Wörterbücher, Lexikas etc.), die dabei mächtig verdient haben. Diese Chance bestünde bei Rücknahme der RSR ein weiteres Mal.
2. „Das tut ja die armen Kinderlein jetzt nur umso mehr verwirren!“
a) Das hatte man aber nicht bedacht, als man die RSR einführte, oder gab es da keine Verwirrung?
b) Die wirklich irritierenden Veränderungen treten noch nicht in der Grundschule hervor. Richtig schätzen lernt man die „Alte Version“ erst bei der Beschäftigung mit anderer Literatur als Schul- und Sachbüchern.
3. Schließlich eines der primitivsten, aber leider häufigsten „Argumente“, die Basta-Deutung:
„Das ist jetzt so beschlossen worden, da muß man sich dran halt halten bzw. da gibt es nichts mehr zu ändern!“
Und ob!
Diese Leute haben sich nur selbst nie richtig mit der RSR oder gar ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Die einzigen Informationen darüber entnehmen sie aus den Schlagzeilen der Medien.
Man muß hier versuchen, ihnen klarzumachen, warum man jetzt durchaus noch das „Recht“ hat, „alt“ zu schreiben:
a) Weil jetzt ersteinmal beschlossen wurde, sie Juli nächsten Jahres für verbindlich zu erklären,
b) Weil selbst dieser Zeitplan von der KMK absichtlich vorgezogen wurde, die Kommission hatte sich die „Erprobung“ ganz anders vorgestellt. (siehe Beitrag „Ein Reformer packt aus“ mit Zitaten von Hr.Munske in Foren/ Dokumente)
c) Als man die Einführung offiziell beschloß, ist diese Übergangszeit (egal wie lange) gleichzeitig auch ausdrücklich als Probezeit festgelegt worden, nach der es immer noch die Option geben sollte, zurückzukehren.
4. Zuletzt bleibt noch ein Problem, aber da gibt es kaum eine greifende Strategie dagegen, das sind nämlich die Medien selbst. Bis auf wenige verzichten sie auf sachliche, neutrale und informative Artikel/ Beiträge, die einem z. B. etwas über die ursprünglichen Hintergedanken der RSR, die ja ganz anders aussahen, sachlich berichtet. Stattdessen war neulich überall zu lesen:
„Neue Rechtschreibung jetzt verbindlich“, "... endgültig beschlossen“ oder ähnliches – womit die (vorgesehene!) Gesetztlichkeit der RSR im nächsten Jahr schon vorweggenommen wurde. Solche Medienarbeit hatte auch ja dazu geführt, daß die Reform schon viel früher (und überstürzter), als von der Kommission geplant, eingeführt wurde (siehe auch o. g. Beitrag von Hr. Munske!). Auch Duden und die Schulbuchverlage sind dafür verantwortlich.
Hier ist noch viel dringende Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung gefragt, die sich wegen dieser einseitigen Informationen oft kein richtiges Bild machen kann.
Aber dann geht es wie bei mir, und sicherlich geht es jedem hier so:
Früher lief die Deutsche Sprache bei mir sozusagen von selbst, aber jetzt, da ich, um sie zu verteidigen, gezwungen bin, mich mit ihr wirklich intensiv zu beschäftigen, mache ich fast jeden Tag neue Entdeckungen. Ich schätzte sie schon immer, weil ich damit so gut spielen konnte, jetzt sehe ich, warum das geht und wann es nicht mehr so gehen würde.
Ich liebe meine Sprache jetzt nicht nur, jetzt weiß ich auch warum.
Bernhard Schühly
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Bernhard Schühly
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