Reuters
Großverlage verabschieden sich von Rechtschreibreform
Freitag 6 August, 2004 17:25 CET

Umstrittene Rechtschreibreform: Die Süddeutsche Zeitung erklärte, sie werde im Grundsatz dem Beispiel von Springer und Spiegel, die wieder zur alten Schreibweise zurückkehren wollen, folgen. (Archivfoto: Reuters)
Berlin (Reuters) Mit der Rückkehr des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und der Zeitungen des Springer-Verlags zur alten Schreibweise ist die Debatte über die Rechtschreibreform voll entbrannt.
Grund für die Entscheidung seien die zunehmende Verunsicherung und die mangelnde Akzeptanz des neuen Regelwerks, erklärten die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag am Freitag in Berlin. Deswegen würden alle Publikationen beider Verlage so schnell wie möglich wieder zu den alten Regeln zurückkehren. Auch die Süddeutsche Zeitung kündigte an, im Grundsatz wieder die alten Regeln anzuwenden. Springer und Spiegel appellierten an Verlage und die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen, sich ihrem Schritt anzuschließen. Die Nachrichtenagenturen Reuters und Deutsche Presse-Agentur (dpa) erklärten, sie wollten bei den Kunden ein Meinungsbild einholen und sich dann mit den anderen deutschsprachigen Agenturen beraten. Der Vorstoß beider Verlage stieß auf ein unterschiedliches Echo.
AUCH DIE SÜDDEUTSCHE WILL ZURÜCK ZU ALTEN REGELN
Die im August 1998 in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeführte Rechtschreibreform war von Anfang an heftig umstritten. Namhafte deutschsprachige Schriftsteller weigerten sich, in der neuen Schreibweise zu veröffentlichen, die Frankfurter Allgemeine Zeitung kehrte kurz nach Start der Reform wieder zu den alten Regeln zurück. Zuletzt hatten mehrere CDU-Ministerpräsidenten gefordert, die Rechtschreibreform zurückzunehmen.
Die Süddeutsche Zeitung erklärte, sie werde im Grundsatz dem Beispiel von Springer und Spiegel folgen. Es müssten aber noch einige Detailfragen geklärt werden. Der Hamburger Bauer-Verlag, bei dem unter anderem die Jugendzeitschrift Bravo erscheint, begrüßte die Ankündigung von Springer und Spiegel. Wir würden mitmachen, wenn dies auf einer breiten Basis geschieht, sagte ein Verlagssprecher. Der Bund Deutscher Zeitungsverleger erklärte, die Entscheidung der Großverlage könne durchaus Signalwirkung haben. Die Rückkehr zu den alten Regeln erwägt nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auch die FDP-Bundestagsfraktion. Auch der Suhrkamp-Verlag sprach sich gegen die neuen Regeln aus. Verlegerin Ulla Unseld-Berkévicz sagte der Bild-Zeitung, die Politik sollte die Reform schnell außer Kraft setzen.
Dagegen wandte sich der Burda-Verlag, bei dem das Magazin Focus und das Gesellschafts-Blatt Bunte erscheinen, gegen eine Rückkehr zu den alten Regeln. Dies würde insbesondere Jugendliche verunsichern. Auch der Stern will bei der neuen Rechtschreibung bleiben.
Ich rechne mit einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken. Mit der Rückkehr von Spiegel und Springer zur alten Schreibweise sei die Reform nicht zu halten.
KULTUSMINISTERKONFERENZ KRITISIERT WECHSEL ZU ALTEN REGELN
Die Präsidentin der Kultusminister-Konferenz, Doris Ahnen (SPD), kritisierte die Entscheidung der Verlage, wieder zu den alten Regeln zurückzukehren. Ich habe kein Verständnis für diesen Schritt, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin der Nachrichtenagentur Reuters. Die Reform habe dazu beigetragen, die Zahl der Regeln zu vermindern und so den Schülern das Erlernen der Rechtschreibung zu erleichtern. Ahnens Regierungschef Kurt Beck (SPD) kritisierte die Entscheidung der Verlage ebenfalls. Deren Schritt habe viel mit Kampagne und wenig mit Inhalt zu tun, sage Beck dem Berliner Tagesspiegel. Ähnlich äußerten sich auch Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Regierungschef Harald Ringstorff und die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU). Für eine Rücknahme der Reform sehe sie weder bei den Regierungschefs noch bei den Kultusministern eine Mehrheit, sagte Schavan.
Dagegen begrüßte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) die Bewegung hin zur alten Rechtschreibung. Ich sehe mich in meiner Forderung, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, bestätigt, sagte er der Tageszeitung Die Welt (Samstagausgabe). Der bayerische Ministerpräsident Stoiber sagte im ZDF, ein Teil der Regeln werde wieder geändert werden müssen. Er gehe Anfang Oktober ergebnisoffen in die Diskussion der Ministerpräsidenten-Konferenz. Die Akzeptanz der Reform sei außerordentlich schlecht.
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