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Sigmar Salzburg
31.01.2005 13.08
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Stimmt!

... hier wird gequackelt – und im gerade laufenden Wahlkampf in Schleswig-Holstein werden irreale Schaukämpfe unter den Parteien über das Schulsystem ausgefochten. Niemand hat sie bisher dafür vorgeführt, daß die Schreibweise von Siegfried Lenz und Günter Grass ab 1.8. in den Schulen als Fehler geahndet wird.
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Sigmar Salzburg

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Ruth Salber-Buchmüller
31.01.2005 12.47
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Die Funzel am Ende des Tunnels ist fast abgebrannt

Meines Erachtens können wir uns
in der jetzigen Situation nicht
mit der Erklärung zurücklehnen,
daß hier eben das „offene System“,
dort aber das „geschlossene System“
vorliegt.
Auch ist eine seiten- und tagelange
Unterhaltung über das „Nähen mit der
heißen Nadel“ zwar von der bloßen Sache her
interessant, aber sie bringt uns HIER
keinen Schritt weiter.
Die Reaktion einer Schule, heute vorgestellt
von Karin Pfeiffer-Stolz, ist ebenso nieder-
schmetternd wie erhellend.
Es kann noch so viel auf den Foren der SZ, des Spiegel
geschrieben und lamentiert werden, die
Zeitungen selbst nehmen sich hohngrinsend
kein Jota davon an.
Die Zeit arbeitet mit Wucht gegen uns.
Die neue Schreibe frißt sich immer mehr
in die Köpfe ein als Normalität.
Die FAZ wird verlacht, die Welt ebenso.


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Ruth Salber-Buchmueller

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Fritz Koch
31.01.2005 10.20
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Schule und Lehrer sind eben eine eigene Welt außerhalb der normalen, wirklichen.

Ein „geschlossenes System“ nennen das die Systemanalytiker. Dieses Gefühl hatte ich schon vor 50 Jahren als Schüler, und daran hat sich offensichtlich nichts geändert.
Der schulische Index für Zeitungen in normaler Rechtschreibung existiert also bereits.
Dagegen ist die normale Rechtschreibung ein „offenes System“. Geschlossene Systeme neigen zum Absterben.
Die armen Schüler, die nach der Schule mit dem wirklichen Leben konfrontiert werden, am besten werden sie auch wieder Lehrer. (Andernfalls Zahnarzt, nach dem Ratschlag in der „Feuerzangenbowle“.)

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Karin Pfeiffer-Stolz
31.01.2005 10.14
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Reaktionen von Schulen

Im Januarkatalog hatten wir unseren Kunden im Editorial mitgeteilt, daß unser Lagerbestand an Lernhilfen aus den letzten Jahren der Reformschreibung entspreche und wir uns damit den Vorgaben der Kultusminister gebeugt hätten. Gleichzeitig bekundeten wir aber auch unsere Absicht, redaktionelle Texte und Schriften, die sich nicht an Schüler wendeten, weiterhin in klassischer Rechtschreibung abdrucken zu wollen. Damit nähmen wir die laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14.08.1998 ausdrücklich gewährte Freiheit beim Schreiben in Anspruch.

Dieses Editorial hat anscheinend sehr viel Staub aufgewirbelt. Daraus wird erkenntlich, daß es beim Streit um die Reform weniger um die Schüler, sondern um rein ideologische und politische Betrachtungsweisen geht.
Das nachfolgende Schreiben, das uns per E-Mail zugegangen ist, mag dies exemplarisch beleuchten:

Sehr geehrter Herr Stolz,
ich schreibe an Sie in Ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer des Stolz Verlag.
Ihre Einstellung bzgl. der neuen Rechtschreibung (dargelegt in Ifo 45) teile ich ausdrücklich nicht. Wir, als LehrerInnen einer Grund- und Sprachheilschule, lehren und schreiben in der neuen Rechtschreibung und denken nun auch in dieser Form. Wir sind Ihr ausdrücklicher Kundenkreis. Ich spreche im Namen meiner KollegInnen: wir fühlen uns missachtet, wenn Sie sich außerhalb Ihres Kundenkreises stellen, indem Sie mit uns in alter Rechtschreibung kommunizieren.
Ebenso missfällt uns der konservative Redaktionsstil einiger Tageszeitungen, in deren Redaktionsleitung antiquierte Leute sitzen, die an einer Rechtschreibung hängen, die noch viel unlogischer, aber vertrauter, ist. Artikel dieser Tageszeitungen finden in unserem Unterricht daher keinen direkten Raum mehr.

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift


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Karin Pfeiffer-Stolz

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Fritz Koch
04.11.2004 16.56
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Die Leute, die auf der Strasse grüssen,

wollen das ß ganz abschaffen. Manche von ihnen sagen das auch. Das ist eine gefährliche Tendenz, der entgegengewirkt werden muß, sonst werden die, die auf der Straße grüßen, zur Minderheit. Vielleicht ist das sogar die unausgesprochene Absicht der Reformer.

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Karsten Bolz
04.11.2004 16.40
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Re: Aufklärung

Zitat:
Besonders drastisches Beispiel: das / dass. Die heute mehr denn je auftretende Verwechslung von „dass“ (daß) und „das“ ist beredeter Beweis für die Untauglichkeit der Neuregelung.
Muß es hier nicht heißen „beredter Beweis“?
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Karsten Bolz

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Karin Pfeiffer-Stolz
04.11.2004 16.30
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Aufklärung

Künftig wird in unseren neu erscheinenden Lernhilfen auf der Umschlagseite 3 folgender Aufklärungstext abgedruckt.

Vom Lesen
In der Diskussion um die Vereinfachung der Orthographie ist eines ganz aus dem Blick geraten: der Leser. Der einzige Zweck der Schrift ist, gelesen zu werden. Die durch die Schreibreform von 1998 erzwungenen Schriftbilder erschweren nicht nur das Schreiben, sondern vor allem auch das Lesen.
Die reformierte s-Schreibung wurde bereits vor 100 Jahren in Österreich eingeführt und wegen ihrer Praxisuntauglichkeit schon nach kurzer Zeit wieder verworfen. Die negative Erfahrung wiederholt sich: Nicht nur Erwachsene machen Fehler, sondern auch Schüler sind zunehmend verwirrt. Das eingeebnete Schriftbild „ss“ (bisschen, Esssaal, dass) bietet dem lesenden Auge keinen Halt. Die Folge: Mißverständnisse, vermindertes Lesetempo, Fehler bei der Verschriftlichung.
Das ß ist kein antiquierter Buchstabe, sondern eine wichtige Lesehilfe, die nun wegfällt – besonders für leseschwache Kinder ein wahres Unglück.

Statt weniger immer mehr Fehler
Nicht nur in Schülerheften, sondern auch in Zeitungen liest man heute: „Es ist immer wieder behauptet worden, das ...“ oder „... wird eingeführt, dass wurde heute auf der Konferenz bekräftigt.“
Selbst die Rheinland-Pfälzische Kultusministerin und derzeitige Vorsitzende der KMK, Doris Ahnen, überrascht auf ihrer Homepage den Leser mit folgendem Satz: „Wir haben grossen Wert darauf gelegt ...“. Im täglichen Schriftverkehr wundert man sich schon längst nicht mehr über die „Strassen“, aus denen die freundlichen „Grüsse“ kommen. Allerorten Verwirrung über den nach der Reformschreibung veränderten Gebrauch der Buchstaben s, ss oder ß.

Logisch, aber nicht praxistauglich
Die Regel „Doppel-s nach kurzem Vokal“ ist zwar logisch – jedoch nur für den erwachsenen Schreiber, der die klassische s-Schreibung sicher beherrscht. Für Schreibungeübte und Schulkinder hingegen ergeben sich jetzt mehr Probleme als bisher. Wie kommt das?

Die Schwierigkeiten entstehen zum Teil aus der Teilregel „ss nach kurzem Vokal“. Mit dieser Regel können nur erwachsene Umlerner etwas anfangen. Kinder und Neulerner geraten prompt in die Logikfalle (C. Ludwig). Die Verwirrung beim Schreiben von s-Wörtern wurde auch belegt durch eine wissenschaftliche Studie mit Schulkindern, durchgeführt von Professor Dr. Harald Marx von der Universität Leipzig: die Fehlerzahlen steigen, je länger der Unterricht in der Reformschreibung fortdauert.
Bei konsequenter Anwendung der Reformregel entstehen Wortkreationen wie „Misst“, „du bisst“, „Zeugniss“, „Reisebuss“. Während die konsequente Anwendung der Teilregel „ß nach langem Vokal und Zwielaut“ zu ebensolch abenteuerlichen Schreibweisen führt: „meißtens“, „Gaßgeruch“, „leißten“ usw.
Die Regel „Schreib wie du sprichst“ ist für die Praxis untauglich. Wer benutzt schon die „Bühnensprache“? Fazit: Um die s-Laute richtig schreiben zu können, müßte den Kindern vorher die „alte“ ß-Schreibung beigebracht werden. Eine bittere Erkenntnis.

Das ß – ein lesefreundlicher Buchstabe
Das „Buckel-ß“ mit seiner Oberlänge ist ein markanter Buchstabe, der beim Lesen und Einprägen der Wortbilder hilft. Schreiben lernt man nicht durch Regeln, sondern durch Lesen. Deshalb muß das Gesamtbild einer Schrift ausgeprägte und leicht zu differenzierende Merkmale besitzen – wie sie das ß hat. Dieser eigenwillige Buchstabe verdankt seine Entstehung allein dem Bemühen um leichtere Lesbarkeit. Der Doppelbuchstabe ss ist durch die graphisch einplanierte Optik schwerer lesbar als ß, besonders negativ wirkt sich das aus beim relativ häufigen Zusammentreffen von drei s (Schlussstrich, Flusssand, Esssaal, Ausschusssitzung).
Der Buchstabe ß dient außerdem der graphischen Markierung des Silben- und Wortendes. Mühelos lesbar sind: Schlußstrich, Flußsand, Eßsaal, Ausschußsitzung. Übrigens: Fehler in der s-Schreibung gab es vormals eher selten, denn die klassische s-Schreibung war ebenso logisch wie leicht zu lernen. „Doppel-s am Schluß gibt Verdruß!“ Das konnte jeder anwenden.

Lernhemmungen durch „Ranschburg“
Die Buchstaben s und ss sind einander graphisch sehr ähnlich. Da sie weder Ober- noch Unterlänge besitzen, heben sie sich nicht aus dem Text heraus. Das sogenannte Ranschburg-Phänomen führt beim Lesen und Schreiben zu Verwechslungen. Wörter, die einander formal gleichen, werden ständig verwechselt. Besonders drastisches Beispiel: das / dass. Die heute mehr denn je auftretende Verwechslung von „dass“ (daß) und „das“ ist beredter Beweis für die Untauglichkeit der Neuregelung.

Ausblick
Etwa hundert Jahre nach dem mißglückten österreichischen Experiment wiederholt sich die bereits einmal gemachte negative Erfahrung mit der ss-Schreibung. Was ist zu tun? Das Klügste wäre der Abbruch des Experiments. Das wird auf Dauer auch unumgänglich sein. Aber schon heute ist die Einheitlichkeit unserer Orthographie zerrüttet, hat das Kulturgut Sprache einen Imageschaden erleiden müssen. Mit dieser sachlichen Aufklärung hoffe ich dazu beitragen zu können, daß wir sobald wie möglich einen besseren Weg der Verschriftung einschlagen werden können.
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Karin Pfeiffer-Stolz
21.10.2004 09.50
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Dennoch stelle ich den Text hier einmal ein ...

In Deutschland gilt derjenige als viel gefährlicher,
der auf den Schmutz hinweist als der, der ihn gemacht hat.
Carl von Ossietzky


Der „Stellvertreterkrieg“

Sprache und Demokratie
Auch in einer Demokratie entscheiden immer nur wenige, das ist nicht anders möglich. Hinter verschlossenen Türen werden von Funktionären in Gremien Beschlüsse gefaßt, die oft genug nicht im Einklang mit den Wünschen der Bevölkerungsmehrheit stehen. Der Bürger, über dessen Kopf hinweg entschieden wird, hat aufgrund seiner Lebensumstände nicht die Möglichkeit, sich direkt an allen Entscheidungsfindungen zu beteiligen: schließlich ist er vollauf damit beschäftigt, sich sein tägliches Brot zu erarbeiten und für seine Familie zu sorgen. Er vertraut darauf, daß die von ihm gewählten Volksvertreter für ihn sprechen und verantwortlich handeln. Trotzdem hat er oft genug den Eindruck, daß „die da oben“ sowieso tun, „was sie wollen“. Sofern es um den ungewollten Neubau einer Straße geht oder die nachteilige Änderung einer Gebührenordnung, wird er sich grollend fügen und die Sache irgendwann vergessen. Nicht jede Reform ist populär, manche Änderung dennoch politisch notwendig.

Wo endet die Macht des Staates? Die sogenannte Rechtschreibreform ist ein Eingriff in den persönlichsten und deshalb hochempfindlichen Bereich eines jeden von uns: sie greift in unsere Sprache und deshalb auch in das Denken ein. Die Rechtschreibung ist ein Teil der Schriftsprache, Eingriffe in sie verändern zugleich Sprache und Denken. Folgerichtig werden die willkürlich erzwungenen Veränderungen vom Volk als Zumutung empfunden; beharrliche Kritik und Gegenwehr – nun schon seit Jahren andauernd – sind dafür Beweis. Dominierend in der „Schreibreformbewegung“ ist eine kleine Gruppe von Aktivisten, die in den vergangenen Jahrzehnten gelernt hat, das in der Verfassung verankerte Instrumentarium der „Mitbestimmung“ für sich zu vereinnahmen. Sie handhaben es perfekt, haben alle wichtigen Schaltstellen der Macht besetzt und sind heute in der Lage, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Es sind dies dieselben Leute, die in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts nicht müde wurden, vor allem die heranwachsende Generation vor „Manipulationen“ durch Politik und Medien zu warnen und Kinder aufforderten, niemandem zu vertrauen, nicht einmal den eigenen Eltern.

Kritik zu üben setzt auch heute Zivilcourage voraus
Man sollte meinen, daß eine inhaltliche Diskussion über einen Gegenstand, wie es die Rechtschreibung ist, sachlich geführt werden könne. Wer so denkt und erstmals konstruktive Kritik laut werden läßt, erlebt zu seiner Überraschung folgendes: Er wird persönlich angegriffen, verlacht, für dumm oder arrogant erklärt und außerdem noch mit Kübeln übelriechender Häme übergossen. Die eigentlichen Sachargumente werden ignoriert, der Kampf auf einen Nebenkriegsschauplatz umgeleitet. Was gegen die Reform gesagt wird, interessiert nicht. Verblüfft und zunehmend irritiert fragt sich der Kritiker: Woher diese Entrüstung? Ist Rechtschreibung ein Tabu? Wer schlechte Nerven oder wenig Selbstbewußtsein hat, wird von der Bühne fliehen und sich in das scheinbar Unvermeidliche fügen. Die Reformschreibung und ihre Urheber zu kritisieren, setzt auch heute noch Zivilcourage voraus – jene Eigenschaft, deren Fehlen im vergangenen Jahrhundert gerade von den Emanzipationspädagogen am heftigsten beklagt wurde, die jetzt die Rechtschreibreform durchdrücken wollen. Und ausgerechnet sie können es am wenigsten ertragen, selbst Zielscheibe von couragiert vorgetragener Sachkritik zu sein. Hier ist in einem Teil der Nachkriegsgeneration ein Bewußtsein gekeimt, das sich selbst von den Niederungen des Menschseins ausnimmt, die Täterfrage stets nach außen transportiert und als ständiges Opfer die Schuldfrage nie an sich selbst heranläßt. Dermaßen geistig gewappnet und immun gegen Kritik, mutieren Kritiker zu „Angreifern“, ja sogar zu „Feinden“. Und entsprechend werden sie dann auch behandelt.

Auf Irrtümern beharren
Man fragt sich: Was spricht für die Fortsetzung der „Rechtschreibreform“, da die versprochenen Erleichterungen ausgeblieben sind? Wozu daran festhalten, da ihre offensichtlichen Mängel allseits beklagt werden? Und: Wie soll unser couragierter Kritiker verstehen, daß man die mangelhafte Schreibung – oder Teile davon – einzig aus dem Grunde behalten möchte, weil einige Schülerjahrgänge damit in Berührung gekommen sind? Ist nicht inzwischen durch eine repräsentative wissenschaftliche Erhebung belegt, daß Schüler seit der Einführung der Reformschreibung deutlich mehr Fehler machen, und das mit zunehmender Tendenz? Die Leseleistungen sind bislang nicht untersucht worden. Wir dürfen jedoch getrost davon ausgehen, daß auch das Lesen unter der Verschlechterung des Schriftbildes durch die Reformschreibung qualitativ leidet. Das Lesen hängt eng mit dem Schreiben zusammen und umgekehrt. Keines ist vom anderen zu trennen. Sollen Schüler, bildlich gesprochen, auch weiterhin in „löchrigem“ Schuhwerk herumlaufen, nur weil ein „vorwärtsdenkender“ Schuster die Produktion revolutionieren wollte, wobei er sein Handwerk nicht beherrschte – und die Politiker sich nun schämen, weil sie dies nicht gleich erkannt haben? Starrköpfig auf Fehlentscheidungen beharren: Ist das die Antwort des rational denkenden Menschen im 21. Jahrhundert?

Die Befreier von heute sind die Diktatoren von morgen
Es gibt Freigeister, die schwärmen vom derzeitigen Zustand der allgemeinen Schreibvielfalt. Diese sei allein schon deshalb zu begrüßen, weil nun endlich jeder so schreiben könne, wie er wolle. Ein sympathisches, schulterklopfendes, nestwärmendes Argument – und dennoch ein Trugschluß. Die Erfahrung lehrt: Wo verläßliche Wegmarken fehlen, macht sich nicht Erleichterung, sondern Unsicherheit breit. Unsicherheit aber ist ein äußerst unangenehmer Wegbegleiter.
Neben der unverhohlenen Freude an der um sich greifenden Schreibanarchie lassen sich weitere Kerngedanken aus dem reformfreundlichen Gedankengut herausschälen:
Prima! Endlich eine „heilige Kuh“ geschlachtet!
Nur senile, altmodische, kleinkarierte und eingebildete Geister sind gegen die Reform!
Ach, typisch deutsch, diese Korinthenzähler-Diskussion! Globale Anpassung ist nötig!
Gute Orthographie ist kein Bildungsprivileg – damit ist nun endlich Schluß!
Fort mit der privaten „Dudendiktatur“! Der Staat kann es besser!

Endlich haben wir also die heißersehnte „Rechtschreibfreiheit“. Haben wir sie wirklich? Wie die hitzig geführten Auseinandersetzungen zeigen, sind es gerade die selbsternannten Befreiungskämpfer in Sachen „Orthographie“, die mit größter Strenge darüber wachen, daß die neuen Schreibformen überall und von allen akribisch eingehalten werden. Also auch von der Presse, für die der kultusministerielle Erlaß keine Geltung besitzt. Hat nicht das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich garantiert, daß außerhalb der Schulen jeder frei sei, so zu schreiben, wie es ihm beliebe? Als die Springer-Presse sich diese staatlich garantierte Freiheit nahm und vor kurzem zur klassischen Rechtschreibung zurückkehrte, bezeichneten das entrüstete Stimmen als „Rechtsbruch“ und sogar als „Machtmißbrauch“.

Späte „Rache“ am Establishment
Zur Zeit haben wir ein Interregnum. Ein Rechtschreibinterregnum. Die vermeintlich autoritäre Herrschaft des Duden ist gebrochen, die neue „Macht“ noch nicht installiert. Das kommt vor allem den Schülern zugute: Ihnen werden weniger Fehler angestrichen, die allgemeine Unsicherheit und die Doppelgültigkeiten haben eine Art orthographischer „Narrenfreiheit“ geschaffen. Doch diese goldenen Zeiten gehen ihrem Ende entgegen: Nach dem 1. August 2005 wird die neue „Herrschaft“ in der Orthographie für Ordnung sorgen – mit eisernem Besen. Die Geschichte lehrt, daß die Befreier von heute die Diktatoren von morgen sind. Diese Diktatoren treten als Wissenschaftler auf, Expertokraten in fortgeschrittenem Alter, an denen die vielen Lebensjahre hauptsächlich physische Spuren hinterließen. Um es noch respektloser zu sagen: Geistig nicht von ihrem jugendlichen „Revoluzzerdenken“ emanzipiert, meinen sie immer noch, die Gesellschaft egalitär umkrempeln zu müssen. Im Verbund mit ihren gleichaltrigen, inzwischen politisch avancierten Gesinnungsbrüdern und -schwestern konnte man den umstürzlerischen Jugendträumen endlich späte Erfüllung verleihen: Die Rechtschreibreform als eine Art Vergeltung für das Böse in einer Gesellschaft, in der, wie es einmal jemand wörtlich ausdrückte, „von einem gespitzten Bleistift in der Hand des deutschen Schülers ein direkter Weg nach Auschwitz führt.“

Wozu ist sie denn da, die Schrift?
Freiheit ist ein Zustand, in dem persönliche Routine und Lebensgewohnheiten möglichst wenig gestört werden. In einem stabilen Rahmen kann man seinen täglichen Pflichten nachgehen. Unfrei ist, wem diese Lebensroutine versagt, wem Gewohntes zerschlagen, wem ständig Neues aufgezwungen wird. Der Zwang zum Umlernen der vertrauten Schriftsprache ist ein schmerzhafter Eingriff in die Gewohnheit – ein Stück Unfreiheit eben. Es ist beim besten Willen kein Vorteil darin zu entdecken, gut funktionierende Schreib- und Lesegewohnheiten ändern zu müssen, weil eine Minderheit es als persönliches Lebensziel betrachtet, eine ganze Sprachnation nach eigenem Gutdünken umerziehen zu wollen.

Der harte internationale Wettbewerb, dem sich Deutschland künftig mehr den je wird stellen müssen: Ist es nicht nachgerade überlebensnotwendig, eine funktionierende Hochsprache zu besitzen? Sollen wir uns bewußt damit abfinden, ein schriftliches Kauderwelsch zu produzieren, bei dem ein Deutschlernender nicht mehr weiß, wo er im Wörterbuch nachschlagen muß, weil viele Begriffe ganz aus den reformierten Nachschlagewerken getilgt sind? Wozu ist sie denn da, die Schrift? Doch wohl dazu, um gelesen, um verstanden zu werden! Variantenreichtum stiftet da nur Verwirrung. Wer möchte, daß andere seine Niederschrift lesen, muß sich klar und deutlich ausdrücken können. Er wird sich freiwillig an die allgemein anerkannte Norm halten. Nach mehr als hundert Jahren Einheitlichkeit der Orthographie ist es schier unbegreiflich, daß es inzwischen nötig ist, dies überhaupt betonen und rechtfertigen zu müssen! Es geht nicht um das Schreiben. Es geht um das Lesen: Der Schreiber hat dem Leser gegenüber eine Bringschuld, nicht umgekehrt!

Die neue Schulorthographie: ein Sündenfall
Ein Text, der dem Leser Hindernisse in den Weg legt, wird ungern oder überhaupt nicht gelesen. Eine Abstimmung mit den Füßen, oder mit den Augen sozusagen. Man kann niemanden zwingen, etwas zu lesen, wenn er das nicht will. Lesen basiert auf Freiwilligkeit. Daher liegt es im ureigenen Interesse des Schreibers, den potentiellen Leser zum Lesen zu motivieren. Daher muß es im ureigenen Interesse eines jeden Verlages sein, Schriftbild und Orthographie einheitlich, normgerecht und lesefreundlich zu gestalten, um Leserschaft anzulocken und bei der Stange zu halten. Daher müssen auch die Lehrer den Zweck des Rechtschreibunterrichts begreifen: Nicht um Unterdrückung oder Selektion geht es, sondern allein darum, den Kindern das Lesen und Schreiben nahezubringen, wie es allgemein üblich ist und überall verstanden wird! Es ist geradezu ein Sündenfall, Kinder der gehobenen Kultursprache zu entfremden, indem man sie von ihr fern hält und ihnen einredet, sie sei zu schwierig zu erlernen!

Doch die Anhänger der Reformschreibung argumentieren genau umgekehrt: Für sie ist rück- bzw. unanständig, ja sogar unsozial, wer die klassische Rechtschreibung verteidigt. Man scheint sich darin einig zu sein: Wer „alt“ schreibt, ist nicht nur ein Klassen- sondern auch ein Kinderfeind. Dabei wird ganz übersehen, daß mit der Reformschreibung unsere Kinder von Tradition und Kultur abgeschnitten werden, daß ihnen das Lesen und Schreiben vermiest werden soll. Der größte Schaden entsteht durch die andauernde Diskussion über die angeblich zu schwere Schriftsprache. Das muß in den Heranwachsenden das Gefühl erzeugen, daß man es besser nicht mit ihr versuche, weil doch vergeblich. Das Neben dem Schaden am Sprachkörper selbst entsteht ein weiterer: die Abwertung der Schrift und der Schriftkultur als solcher.

Das Problem ist nicht die Orthographie, sondern der Umgang mit ihr
Oft ist beklagt worden, daß mangelnde Rechtschreibkenntnisse die Ursache für die Diskriminierung von Menschen sei. Daran ist etwas Wahres. Die Orthographie selbst ist jedoch nicht Ursache für Ausgrenzung oder Bildungshemmnisse, sie ist nur eines von unzähligen, wertneutralen Systemen, die als Unterdrückungsinstrument mißbraucht werden können. Das Problem ist nicht die Orthographie, das Problem ist der Mensch selbst. Um gesellschaftliche Toleranz gegenüber schlechten Rechtschreibleistungen zu erreichen, muß man nicht die Orthographie ändern, sondern die Einstellung der Menschen zur Orthographie. Eine Neuregelung von Rechtschreibnormen trägt nichts zur Lösung der eigentlichen Probleme bei, die da sind: Ungleichheit von individuellen Begabungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen, Lernwille, Ausdauer und so weiter. Wer meint, mit einer Änderung der Orthographie die „Chancengleichheit“ herstellen zu können, verwechselt Ursache mit Wirkung und zeigt damit, daß er die Logik hinter den Abläufen gründlich mißversteht. Es wird deutlich, daß folgerichtiges Denken nur auf der Basis einer exakten Schriftsprache gedeiht, einer Literalität, welche die Grundlage unserer Hochkultur bildet und die durch nichts anderes ersetzt werden kann. Eine Gesellschaft, die ihre Literalität preisgibt, ist dem Untergang geweiht, und kein Computer wird im Ernstfall dabei helfen, einen Bittbrief an den lieben Gott zu formulieren.
Es bedarf also keineswegs der Orthographie, um Menschen demütigen zu können. Genügt nicht bereits eine etwas schräg gewachsene Nase oder ein anatomisch erzwungenes Lispeln, um eine Person auszugrenzen? Im vorigen Jahrhundert konnte ein politisch als mißliebig erklärter Stammbaum das Todesurteil bedeuten; heute zieht man Spott, Häme und persönliche Verunglimpfung auf sich, sobald man es wagt, sachlich begründete Kritik an einer mißlungenen Reform zu üben, die uns alle betrifft und deren Folgen bislang nichts als Negatives hervorgebracht haben und weiter Negatives hervorbringen werden.

Die falsche Antwort auf künftige Herausforderungen
Welchen triftigen Grund also gibt es für die Preisgabe einer hochentwickelten Kultursprache, die ihre Aufgabe so gut, ja geradezu so hervorragend erfüllt hat, daß auf ihrer Basis großartige Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsleistungen erbracht worden sind? Mit welcher Begründung wird ebendiese Sprache heute plötzlich als untauglich und sogar als „unlernbar“ hingestellt? Es gibt keine. Machen wir uns nichts vor: Der Streit um die Rechtschreibung ist nichts anderes als ein Stellvertreterkrieg. Es geht den Reformern weder um Buchstaben noch um Wörter. Sie kämpfen nicht für Verbesserungen. Sie hatten und haben anderes im Sinn.
Wer meint, die Ungleichheit der Welt nur auf gewaltsame Weise eliminieren zu können, wird das beseitigen wollen, was ihm selbst unerreichbar erscheint. Deshalb ist die Rechtschreibreform destruktiv: Sie will allgemein anerkannte und im Volkswissen verankerte Formen der historisch gewachsenen Schriftsprache ab 1. August 2005 als „falsch“ diskriminieren, weil sie ihrer Ansicht nach für Teile des Volkes eine Bildungsbarriere aufrichtet. Obwohl die Neuregelung als politischer Fehler erkannt worden ist, wollen unsere Politiker daran festhalten. Noch einmal: Ist das die Antwort des modernen Deutschland auf internationalen Herausforderungen?

Erschreckend und zugleich traurig ist es, mitzuerleben zu müssen, wie unsere Sprache durch den völlig unnötigen „Stellvertreterkrieg“ beschädigt wird. Das ist alles andere als unwichtig. Ohne diese Sprache nämlich, ohne deren Verläßlichkeit und Eindeutigkeit, werden wir keine der drängenden und überaus ernsten Fragen lösen können, die derzeit ganz Deutschland beschäftigen. Wer meint, bei den Vorgängen um die sogenannte Rechtschreibreform handele es sich um eine banale Nebensächlichkeit, verkennt die Macht des geschriebenen Wortes. Mit diesem „Rechtschreibkrieg“, in dem es nur vordergründig um Buchstaben geht, wird bewußt die Beschädigung eines Kulturgutes in Kauf genommen, auf dessen Unversehrtheit alle – Reformer wie Kritiker – so dringend angewiesen sind. Und wie bei jedem Krieg wird niemand etwas dabei gewinnen. Am Ende bleiben nichts als Trümmer.

Karin Pfeiffer-Stolz
Oktober 2004

(Zu meiner Person: Ich bin Autorin und leite mit meinem Mann gemeinsam einen kleinen Lernhilfenverlag. Gezwungenermaßen habe ich mich von 1996 an bis Anfang dieses Jahres darum bemüht, die Reformschreibung beruflich und privat zu praktizieren. Ich hatte mich zuvor weder mit sprachwissenschaftlichen noch mit politischen Hintergründen der sog. Rechtschreibreform vertraut gemacht. Dies holte ich im Februar 2004, zunehmend durch die Unstimmigkeiten der Reformschreibung frustriert, nach. Die beim Studium der Fakten gewonnene Sachkenntnis zwang mich zum Umdenken und führte zur Ablehnung sowohl der Reformschreibung als auch der politischen Begleitumstände. Die Rückkehr zur klassischen Schreibweise empfand ich als Erleichterung – sowohl des Lesens, als auch des Schreibens. Der Mühsal der Vermeidungsschreibung entronnen, darf nun wieder nach Herzenslust formuliert werden, ohne ständig auf der Suche nach Alternativen für „reformdemolierte“ Begriffe sein zu müssen. Diese Erfahrung wird jeder bestätigen, der sich beiden Schreibweisen ergebnisoffen gestellt und ihre Tauglichkeit in der Praxis überprüft hat.)

– geändert durch Karin Pfeiffer-Stolz am 22.10.2004, 08.59 –
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Fritz Koch
30.09.2004 17.19
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Wenn "lehren" den doppelten Akkusativ verlangt,

werden bei der Verwandlung ins Passiv beide Akkusative zu Nominativen. Aus Aktiv: „Der Lehrer lehrt den Schüler Mathe“ wird im Passiv: „Der Schüler wird vom Lehrer Mathe gelehrt“.
Gebräuchlicher im Passiv ist aber: „Dem Schüler wird vom Lehrer Mathe gelehrt“.

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Ruth Salber-Buchmüller
29.09.2004 14.50
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Hochachtung!

Ich muß Frau Pfeiffer-Stolz
ganz spontan meine Hochachtung aussprechen.
Dieser Brief ist erstklassig.
__________________
Ruth Salber-Buchmueller

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Heinz Erich Stiene
29.09.2004 13.47
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"Lehren" und der Dativ

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz, für den Dativ bei „lehren“ hätten Sie sich nicht bei der besserwisserischen Dame zu entschuldigen brauchen. Der ist nämlich nicht nur in der heutigen Umgangssprache gebräuchlich, sondern findet sich zuhauf bei den besten klassischen Schriftstellern und Dichtern. Im übrigen mein Kompliment für Ihren schnörkellosen Brief.
__________________
Heinz Erich Stiene

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Karin Pfeiffer-Stolz
29.09.2004 13.07
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Briefverkehr

Beitrag gelöscht
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Karin Pfeiffer-Stolz
27.09.2004 15.51
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Diese Meinung konnte sich bilden, weil die Presse jahrelang Desinformation betrieb

Ein Schreiben, dessen Inhalt nachdenklich und betroffen macht. Man muß hoffen, daß das Volk in den nächsten Jahren erfahren wird, wer die wahren Betreiber und Gewinnler der Pseudoreform wirklich waren.

Sehr geehrte Frau Pfeiffer,

mein Name ist F., und ich bin Grundschullehrerin einer 3. Klasse in Hessen.
Ich halte mich durchaus für eine engagierte Lehrerin, welche den Kindern immer wieder kleine Highlights verschafft, ansonsten aber darauf achtet, ihnen „Inhalte fürs praktische Leben“ zu vermitteln. Im Moment bin ich jedoch ein wenig irritiert und sauer betreffend aktueller Ansätze, die nun schon 2 Jahre laufende Rechtschreibreform zu kippen. Es kann echt nicht wahr sein!
Die Verantwortlichen haben einige Jahre damit zugebracht, sich Regeln auszudenken, die (zugegeben, nicht in jedem Fall) die Schreibung vereinfachen sollen. Es ist ja auch nicht so, dass diese Reform aus heiterem Himmel auf uns herabgefallen ist. Im Vorfeld sind, soviel ich weiß, durchaus auch Leute einbezogen wurden, die mit Sprache und deren Schreibung zu tun haben. Ich kann nun nicht sagen, wie viele sich schon da gegen die Neuerungen geäußert haben und nicht erhört worden sind, doch für mich blieb immer der Eindruck, dass sich eigentlich nur Wenige wirklich dafür interessierten. Dann kam die Reform und es wurde allerorten darüber geredet und sich natürlich furchtbar aufgeregt. Reform ja oder nein? Verlage stellen ihre Schreibweise um, dann machen sie es doch wieder rückgängig! Ein hin und her, wie so typisch für unser Land! Nun haben sich die meisten Bundesländer FÜR die neue Rechtschreibung ausgesprochen, Schulbücher wurden geändert, und der Unterricht entsprechend umgestellt. Was das an Kosten für Verlage, Länder, Schulen und nicht zuletzt die Eltern bedeutete, kann man sich leicht ausmalen.
Wie schwerwiegend die Änderungen tatsächlich im täglichen Leben für den Einzelnen sind, kann man an 5 Fingern abzählen. Und ob alt oder neu, es wird immer Wörter geben, bei denen man, egal wie alt man ist, besser noch mal in den Duden schaut...!

Ich habe ihr Interview mit Frau Claudia Ludwig aufmerksam gelesen. Sicher haben viele Ihrer Aussagen Hand und Fuß, aber wieso bitte schön, kommt sie erst jetzt mit solchen Überlegungen an die Öffentlichkeit? Zumindest muss ich zugeben, dass ich in den letzten 2 Jahren kaum noch Gegenstimmen gegen die Rechtschreibreform wahrgenommen habe;aber vielleicht lese ich auch nur die falschen Zeitungen...! Es macht mich im Moment schlichtweg wütend, dass zum Beispiel im Juni diesen Jahres an unserer Schule neue Sprachbücher für sehr viel Geld angeschafft wurden und im Juli/ August man plötzlich anfängt, und sagt „Ätschibätsch! War alles nur ein Spaß! Die Bücher könnt ihr gerade so wieder einäschern!“.
Worum geht es hier eigentlich??? Mir kommt das Ganze wie ein großes Geschäft vor, bei denen in erster Linie die Verlage ordentlich Geld machen können! Sich nämlich dann zu mokieren, wenn man schon einmal den großen Reibach gemacht hat, find ich ziemlich fadenscheinig!

Weiterhin sind wir nun an einem Punkt angelangt, wo ich als Lehrerin gar nicht recht weiß, was ich meinen Kindern nun beibringen soll! Gerade im 3. Schuljahr, wo man anfängt die Kinder mit Rechtschreibregeln vertraut zu machen, stehe ich nun ehrlich auf dem Schlauch! Erwartet man, dass ich heute sage, wir schreiben muss mit Doppel-S und morgen: " Ach nein, dann doch mit ß.“! Nicht nur, dass meine Glaubwürdigkeit darunter leidet. Ein intelligentes Kind hat vielleicht wenig Schwierigkeiten sich entsprechend umzustellen, aber was ist mit denen, für welche Rechtschreibung eh ein Krampf ist, oder den vielen ausländischen Kindern in meiner Klasse?! Gibt es überhaupt jemanden, der sich mal Gedanken darüber macht, wie wir – Leute an der „Basis“ – mit der Willkür der Verantwortlichen umgehen sollen???

Der größte Hohn ist ja, dass wir nun soweit sind, dass jeder macht was er will. Die eine Zeitung alt, dann neu, dann doch wieder alt...Verlage wechseln ebenso spontan zwischen alt und neu, und in Deutschland herrscht, was Rechtschreibung betrifft, nun ein „buntes Durcheinander“!

Kann mir nun mal jemand sagen, wie lange das jetzt so weiter geht? Ich wäre dankbar für eine klare, eindeutige, unbürokratische Aussage, die Hand und Fuß hat und einheitlich für ganz Deutschland zu erwarten ist. Ist es nicht schon schlimm genug, dass jedes Bundesland seine eigene Schulpolitik betreibt? Müssen wir uns das Leben noch weiter erschweren?!

So, nun habe ich mich lang und breit ausgelassen und meinen Frust abgeladen. Sollten Sie die falsche Adresse gewesen sein, tut es mir leid! Aber ich habe den Eindruck, Ihnen liegt die Bildung unserer Kinder ebenso am Herzen wie mir, und somit bin ich bei Ihnen doch nicht so verkehrt.
Gern würde ich einige Bücher aus Ihrem Angebot bestellen, da sie mich inhaltlich wirklich ansprechen, aber solange es noch keine einheitliche Regelung gibt, werde ich mich hüten, auch nur einen Pfennig für neue Bücher auszugeben!

Bis dahin! Haben Sie eine gute Zeit!

Mit freundlichem Gruß
F.

P.S. Fehler in Rechtschreibung und Kommasetzung in meinem Text entdeckt? Sehen Sie es mir nach!;-)


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Karin Pfeiffer-Stolz

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Fritz Koch
27.09.2004 15.46
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Warum sollte hier nicht auch über die Schwächen

der alten Rechtschreibung diskutiert werden
und welche davon durch die Reform verbessert werden?

Dazu müssen die Reformanhänger Beispiele bringen.

Deren Hauptargument scheint zu sein: Man muß die Regeln lernen (die der Duden gerade wieder geändert hat oder selbst nicht mehr befolgt), dann braucht man nicht viel lesen, um richtig schreiben zu können. Andernfalls könnte man die falschen Bücher lesen und als Vorbild nehmen. Verkürzt: Bücherlesen behindert die Durchsetzung der Reform.
Ab 3. Oktober müssen die Reformdurchsetzer sogar Nichtlese-Empfehlungen für die größten deutschen Zeitungen aussprechen, weil deren Lesen die Schulrechtschreibung gefährdet. Vielleicht müssen die dann von Gerichts wegen Warnhinweise drucken wie „Die Kultusminister: Das Lesen dieser Zeitung gefährdet Ihre neue Rechtschreibung!“

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Karin Pfeiffer-Stolz
27.09.2004 15.38
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Ein fast schon sympathisches Outing

Dieses Schreiben enthält viel Einsichtiges, aber zur Synthese des Wesentlichen kommt es leider nicht ...

Ihr Lieben vom Stolzverlag,
Euren Katalog mit Gedichten, Kritiken, Kommentaren usw. lese ich immer mit Begeisterung und habe auch schon so manches bei Euch bestellt oder von Euch übernommen. Aber jetzt muss ich mich doch mal zu Wort melden! Dass Ihr zur Rücknahme der „neuen Rechtschreibung“ aufruft, bringt mich in Rage! Ich bin Jahrgang 52 und somit mit der „alten Rechtschreibung“ groß geworden. Diese hat mich als Schülerin total verwirrt, weil ich mit unfehlbarer Sicherheit immer sofort auf die Ausnahmen von den Regeln gestoßen bin. Jedes Diktat meiner Schullaufbahn habe ich 5 oder 6 geschrieben, nur die Aufsätze haben mich immer wieder in höhere Regionen der Noten gebracht, weil ich da seltsamerweise so gut wie keine Rechtschreibfehler gemacht habe, weil ich nicht an irgendwelche Regeln gedacht habe. Ich habe es so sogar zur Grund- und Hauptschullehrerin gebracht (allerdings mit den Fächer „Kunst“ und „Mathematik“!). Als ich nun selber den Schülern Rechtschreibung beibringen musste, stieß ich immer wieder auf unlogische Dinge und hatte wirklich oft Probleme den Schülern die Rechtschreibung verständlich zu machen. Es ist allerdings auffallend, dass Kinder, die viel lesen wesentlich weniger Fehler machen. Meine Meinung ist deshalb, dass sich vieles nicht über Regeln einprägt, sondern über das immer wieder gelesene Wort. Ich hätte mir von der „neuen Rechtschreibung“ erhofft, dass es nur noch Großschreibung von Namen gibt, wie im Englischen. Und es gäbe sicher weniger Verwirrung mit „ss“ und „ß“, wenn letzteres ganz weggefallen wäre. Aber Probleme damit haben nicht die Schüler, die jetzt die „neue Rechtschreibung“ lernen, sondern wir „Alten“, die einfach noch an andere Regeln gewöhnt sind. Und dann gibt es die Leute, die irgendetwas von „ss“ und „ß“ gehört haben, dass da was anders sein soll und jetzt das gar nicht richtig „Verdaute“ versuchen anzuwenden.
Jede Umstellung braucht ihre Zeit, bis die Menschen sich daran gewöhnt haben, deshalb gleich wieder alles umzukehren, finde ich unverantwortlich!
Wir sollten uns zurücknehmen und den „Jungen“ Zeit geben (und auch uns!) mit der „neuen Rechtschreibung“ zurechtzukommen. Weisen wir uns einfach gegenseitig auf anderes oder Fehler, die wir gemacht haben, hin und amüsieren uns über „Süssmost, frisch gepreßt“. Oder ist es wirklich so schlimm, wie ich bei „Stängel“ kurz zu stoppen und dann weiter zu lesen?!
(Ich bin natürlich nur Grundschullehrerin, die es, ehrlich gesagt, nicht für all zu wichtig im Leben findet zu wissen, was ein „Adverb“ ist! ) Und von dem allen abgesehen, überlegen Sie doch mal, was eine Rücknahme der „neuen Rechtschreibung“ kosten würde! Können wir dieses Geld nicht besser ausgeben?!
Mit freundlichen Grüßen (und keiner Garantie für Rechtschreibung – alt oder neu!)
A. H.-B.


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Karin Pfeiffer-Stolz

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