NDR Norddeutscher Rundfunk
Interview
08.10.2004 07:50
Reform der Rechtschreibreform gescheitert?
Christian Wulff, Ministerpräsident von Niedersachsen
Die Ministerpräsidenten der Bundesländer tagen im Moment in Berlin und ein Thema auf ihrer Tagesordnung haben sie im wahrsten Sinne des Wortes schon abgehakt: die Rechtschreibreform. Niedersachsens CDU Ministerpräsident Christian Wulff hätte sie ja gerne gestoppt, doch die Rechnung hat er offenbar ohne seine Ministerpräsidentenkollegen gemacht. Der Rat für deutsche Sprache soll sich noch einmal mit der Reform befassen, so der Beschluss in Berlin. Bis auf weiteres bleibt es offenbar bei der verbindlichen Einführung zum nächsten August.
Fragen dazu an Christian Wulff.
NDR Info: Herr Wulff, haben Sie noch Hoffnung, die Reform stoppen zu können?
Wulff: Man handelt ja immer erst einmal auf eigene Rechnung und schließt keine Verträge zu Lasten Dritter. Man kann in der Ministerpräsidentenkonferenz erkennen, dass natürlich viele auch das Problem haben, dass sie selber verfrüht die bewährte alte Rechtschreibung abgeschafft hatten und jetzt Probleme haben, die Fehlentwicklung auch einzuräumen. Aber ich habe Hoffnung, dass wir gleich bei der Fortsetzung der Ministerpräsidentenkonferenz dann doch übereinkommen, dem Rat für deutsche Sprache ein bisschen Beine zu machen, dass er schneller arbeitet, dass bestimmt Ergebnisse noch einfließen können vor der verbindlichen Einführung zum 1. August nächsten Jahres.
NDR Info: Sie werfen der KMK, der Kultusministerkonferenz, vor, sie handle nicht entschlossen. Deshalb steigt Niedersachsen auch aus dieser Runde aus. Aber dabei ist gerade die Rechtschreibreform doch ein Beispiel, wo die KMK entschlossen gehandelt hatte, alle waren sich einig.
Wulff: Die Kultusministerkonferenz hat bei der Rechtschreibreform über viele Jahre versucht, die Sprache gegen das Sprachgefühl der Mehrheit der Deutschen weiterzuentwickeln, nicht zu erkennen, dass die deutsche Sprache ein Kulturgut ist, dass das nur im Konsens geht, getragen von Menschen, dass sie es weitergeben von Generation zu Generation, wie das auch bei der Duden-Redaktion immer gewesen ist. Und man hat statt dessen neue Regeln kreiert, eben vom grünen Tisch her. Aber das ist nicht der Grund für die Kündigung der Kultusministerkonferenz. Der Grund ist, dass die Dinge dort zu lange dauern, zu teuer sind, zu aufwendig, zu schwerfällig.
NDR Info: Jetzt wollen Sie dem Rat für deutsche Sprache Beine machen, auch der ist ja ein Gremium, das aus der Kultusministerkonferenz entstanden ist. Sie wünschen sich, weil Sie die Rechtschreibreform so wie sie ist nicht gut finden, dass sich da noch einiges ändert, dass im Detail nachgebessert wird. Hat Niedersachsen nicht durch seine Kündigung der Mitgliedschaft in der KMK die Einflussmöglichkeit auch ein bisschen verspielt in der Runde?
Wulff: Wir bleiben dabei bis zum 31. Dezember 2005. Dann erst tritt die Kündigung in Kraft und löst sich die Kultusministerkonferenz auf, wenn nicht bis dahin eine Vereinbarung getroffen ist, über eine bessere, sparsamere und effizientere Kultusministerkonferenz.
NDR Info: Trotzdem, einige sind ein bisschen sauer auf die Entscheidung von Niedersachsen, auch Kollegen aus der CDU. Noch mal die Frage: Sie wollen ja was erreichen über das Gremium der KMK und sagen ’Mensch wir müssen da noch einmal was machen, wir müssen nachbessern bei der Rechtschreibreform, so darf sie nicht kommen’. Glauben Sie, dass Sie da Gehör finden, jetzt wo Niedersachsen ausgestiegen ist aus der Runde?
Wulff: Wir sind nicht ausgestiegen aus der Runde, sondern wir haben sie gekündigt. Wir haben ein uns gegebenes Recht wahrgenommen, das kann man überhaupt niemandem vorwerfen, um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Und eingeschnappt sein, beleidigt sein, muss ich sagen, würde ich bei Kultusministern nicht unbedingt erwarten. Die haben es vor allen mit Vorbildfunktionen, Pädagogen zu tun und sollten da doch, finde ich jedenfalls, den Ball flach halten. Es ist ja ohnehin so, dass sich die Betroffenen aufregen. Ich habe manchmal das Gefühl, man hat in einem dunklen Raum den Lichtschalter betätigt und die handelnden Akteure meinen jetzt, sie müssten sich für ihr Treiben und Tun rechtfertigen. Jetzt findet im Lichte der Öffentlichkeit eine Debatte um die Zukunft der Kultusministerkonferenz statt, das ist eine gute Sache, es ist gut, dass die Bevölkerung ihre Erwartungen an bessere Schulen und Hochschulpolitik zum Ausdruck bringt und sagt, da darf nicht mit mehr Leuten als manches Kultusministerium hat, für 50 Millionen Euro im Jahr Bürokratie verwaltet werden, sondern da sollen schnelle Entscheidungen getroffen werden.
NDR Info: Bei der Vorbildfunktion, Herr Wulff, würde ich gerne noch einmal einhaken. Die Springerpresse und die FAZ halten ja nach wie vor fest an der alten Rechtschreibung. Ist das vorbildlich, halten Sie das für politisch korrekt?
Wulff: Wir in unserem Bereich des Landes Niedersachsen werden uns an die Vereinbarungen Punkt und Komma halten, denn wir wollen, dass die Kinder bei uns das lernen, was sie generell im Leben brauchen werden. Und wir leiden darunter, dass an Restaurants das Wort anders steht als es in Zukunft in Diktaten geschrieben werden muss, dass auf Ketchupflaschen Ketchup anders steht, als es in Zukunft geschrieben werden muss. Und natürlich wäre es auf Dauer ein Problem, wenn die Zeitungen, die die Kinder lesen sollen, mit denen sie sich beschäftigen sollen, anders schreiben, die Orthographie anders anwenden als in den Schulen gelehrt wird. Insofern wird hierüber weiter gesprochen werden müssen, aber ich habe den Verlagen natürlich keine Vorgaben zu machen, aber ein Problem entsteht daraus, dass hier offenkundig unterschiedlich die deutsche Sprache weiterentwickelt werden könnte.
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