Kompromißverhandlungen hinter den Kulissen
Bei der SZ und möglicherweise auch im Spiegel ringt man offensichtlich hinter den Kulissen um einen „Kompromiß“. Damit kann nur die Heysesche s-Schreibung gemeint sein.
Wer für die Kompromißlösung, und damit für die ss-Schreibung votiert, scheint nicht zu bedenken, daß er damit der teuersten Lösung überhaupt das Wort redet. Neben der klassischen Orthographie und der seit 1996 inkonsequent umgesetzten „Reformschreibung“ wird eine dritte große Schreibvariante in die Welt gesetzt: die auf der Reform basierende „Kompromißschreibung“. Ergebnis: Der gesamte jetzige Buchbestand wird zu 100% unbrauchbar – sowohl die klassisch gedruckten wie auch die seit 1996 in Reformschreibung erschienenen Druckwerke sind dann nur noch Makulatur.
Die Kompromißlösung hätte zur Folge, daß sämtliche literarischen Werke neu zu drucken, alle Schulbücher auszutauschen, alle Wörterbücher dem Reißwolf zu überantworten, alle Softwareprogramme auszutauschen wären – ausnahmslos alle, ob „alt“ oder „neu“!
Würde man bei der „neuen“ Orthographie bleiben oder aber zur „alten“ zurückkehren, wäre nur ein Teil des Schrifttums entwertet und der wirtschaftliche Schaden überschaubar.
Ich sage es noch einmal: Mit Einführung einer neuen Reformschreibung – und nichts anderes ist dieser „Kompromiß“ – würden die Buchbestände in den Bibliotheken nicht nur zu 30, 50 oder 80, sondern zu 100% entwertet!
Bei dem, was man in den letzten Monaten zu hören und zu lesen bekam, drängen sich berechtigte Zweifel daran auf, daß Befürworter dieser Kompromißlösung die eben geschilderten Folgen bedacht haben. Hat sich doch auch 1996 keiner um die Praxisfolgen der sog. RSR gekümmert. Die Reihenfolge „erst Handeln, dann Denken“ ist den Kinderschuhen entwachsen und heute auch in höheren Sphären üblich und salonfähig.
Im Grunde können SZ und andere „Kompromißler“ darauf verzichten, sich mit der „Rückkehr“ zu schmücken, denn das ist Humbug. Der ganze Blödsinn der Getrennt- und Zusammenschreibung, vermehrter Großschreibung und zum „schnäuzeln“ komischen Hobbyetymologien hätten sich mit der Zeit von ganz allein erledigt. Nicht so die ss-Regel. Auch die wird sich geben, aber bis alle kapiert haben, welche Nachteile das hat, vergehen Jahre!
Also noch einmal: Der Kompromiß ist nichts anderes als eine dritte große Rechtschreibvariante, womit wir die Sprachgemeinschaft nicht nur spalten, sondern jetzt sogar dreiteilen: erstens die klassischen Rechtschreiber, zweitens die „Kompromißler“ und drittens die Schreiber der „reinen“ Neuschrieblehre. Wird das dem Rechtschreibfrieden dienen? Und: Wer richtet hier das eigentliche Chaos an?
Glauben die Kompromißler wirklich, daß das eine gute Idee ist, der sich die beiden anderen Parteien fahnenschwenkend und singend zum gemeinsamen Versöhnungsfeste anschließen werden?
Meine persönliche Meinung dazu ist: Wer in der Presse den Kompromiß vorschlägt, handelt noch verantwortungsloser als die „Hardliner“. Die SZ soll es doch gleich ganz bleiben lassen!
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Karin Pfeiffer-Stolz
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