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Niedersachsen-Nachrichten [Wir gegen die Rechtschreibreform, Konto 100 176-002 Raiffeisenbank Wesermarsch-Süd BLZ 280 614 10]
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Theodor Ickler
01.03.2005 18.18
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Grüne

Was übrigens den Antrag der Grünen betrifft, den der Landtag ebenfalls abgelehnt hat, so ist er von staunenswerter Ignoranz geprägt. Allein schon das Ansinnen, die Landesregierung solle sich in einem Rechtschreibrat, dem sie gar nicht angehört, für etwas einsetzen, ist der Erwähnung wert:

Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode Drucksache 15/1253
Antrag
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Hannover, den 07.09.2004
Deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfachen
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
1. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich in der Kultusministerkonferenz und in der Ministerpräsidentenkonferenz
dafür einzusetzen, dass die 1995 beschlossene Reform der deutschen
Rechtschreibung nicht nur in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zum 1. August
2005 für die Schulen und die Amtssprache verbindlich wird, sondern auch in Deutschland.
2. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im von der Kultusministerkonferenz beschlossenen
Rat für deutsche Rechtschreibung dafür einzusetzen, dass die deutsche Rechtschreibung
konsequent weiter vereinfacht wird. Langfristig ist anzustreben, dass auch in der deutschen
Rechtschreibung wie in allen anderen europäischen Sprachen die Kleinschreibung eingeführt
wird und nur noch Satzanfänge und Eigennamen groß geschrieben werden.
Begründung
Mit der 1995 beschlossenen Rechtschreibreform wird den Schülerinnen und Schülern das Erlernen
der deutschen Rechtschreibregeln erheblich erleichtert. So wird jetzt nach Sprechsilben getrennt.
Die Schreibweisen orientieren sich am Wortstamm. Die S-Schreibung ist eindeutiger geworden.
Für die Schülerinnen und Schüler sind durch diese Rechtschreibreform, mit der die Zahl der
Schreibregeln von 212 auf 112 und die der Kommaregeln von 52 auf 9 reduziert wurden, unnötige
Hürden beseitigt worden. Nach PISA ist es in den Schulen auch dringlicher, das Leseverständnis
zu fördern, statt komplizierte, wenig logische Rechtschreibregeln samt zahlloser Ausnahmen zu
büffeln. Deshalb haben sich auch viele Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerverbände für
die Beibehaltung der Rechtschreibreform ausgesprochen.
Auch nach der 1995 beschlossenen Rechtschreibreform gibt es jedoch noch eine Reihe von Problemen
insbesondere mit der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie mit der Groß- und Kleinschreibung.
Es ist deshalb notwendig und sinnvoll, die Rechtschreibung weiter zu vereinfachen.
Hinsichtlich der Getrennt- und Zusammenschreibung wird vorgeschlagen, großzügiger verschiedene
Schreibweisen zuzulassen. Die Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung werden jedoch am
besten gelöst werden können, indem auch für die deutsche Sprache wie in allen anderen europäischen
Sprachen die Kleinschreibung eingeführt wird.
Stefen Wenzel
Fraktionsvorsitzender
(Ausgegeben am 08.09.2004)

__________________
Th. Ickler

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Theodor Ickler
01.03.2005 11.57
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Verläßlich ist anders

Die ständigen Umwälzungen der Neuregelung seit 1996 sind das Gegenteil von Verläßlichkeit. Die Lehrer sind darüber nicht auf dem Dienstwege unterrichtet worden, sondern glauben teilweise immer noch, 1996 sei das letzte Wort gesprochen worden, und danach unterrichten und korrigieren sie. Nur fleißige Zeitungsleser wissen, daß es sich ganz anders verhält.
Dieses Lügengebäude muß und wird zusammenstürzen.
__________________
Th. Ickler

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Karsten Bolz
01.03.2005 10.48
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Re: Klarstellung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Das Kultusministerium freut sich darüber, daß die Rückumstellung der FAZ (vor 5 Jahren) keine Nachfolge fand, ...
In der Stellungnahme des Niedersächsischen Kultusministeriums zur Landtagseingabe 946104/15, Gabriele und Dr. Carsten Ahrens wird behauptet:
Zitat:
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt ist, hat keine Rückkehrwelle ausgelöst; sie erscheint im Internet selbst in neuer Schreibweise.
Der (ungenannte) Verfasser dieser Stellungnahme hat wohl seit Jahren nicht mehr auf die Seiten der FAZ im Internet geschaut! Nun ja, auf eine Lüge mehr oder weniger kommt's auch nicht an...
__________________
Karsten Bolz

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rrbth
01.03.2005 09.25
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Der Vollständigkeit halber: Antrag der „Partei egal“

Zitat:
„Schülerinnen und Schüler dürfen von verantwortungsvollen Politikern Verlässlichkeit verlangen. Sie dürfen erwarten, dass ein Kultusminister sein Abstimmungsverhalten in einem wichtigen Bereich so gut durchdenkt, dass er es nicht nach wenigen Wochen radikal widerrufen muss. Sie dürfen erwarten, dass er für eine gut durchdachte Entscheidung, von der er überzeugt ist, auch einsteht.“
Das muß man genau lesen: Es geht nicht darum, zwischen richtig und falsch zu entscheiden, sondern ein „Abstimmungsverhalten“ zu durchdenken. Wenn das häufig (?) nicht in der Sache begründete „Abstimmungsverhalten“ beschlossen (?) ist, dann wird dabei geblieben.
Wirklich genau setze ich mich erst seit den Springer-/Spiegel-/SZ-Ankündigungen mit der RSR und ihrem Zustandekommen auseinander, und was ich dabei über Entscheidungsprozesse in unserer Demokratie gelernt habe, das gefällt mir ganz und gar nicht.
Zitat:
„Sie dürfen erwarten, dass er für eine gut durchdachte Entscheidung, von der er überzeugt ist, auch einsteht.“
Und was ist, wenn sich diese Überzeugung als falsch herausstellt oder objektiv falsch ist (z.B. „Leid tun“)? Herr Zehetmair hat diese Einsicht ja schon (lange) gewonnen, aber ... siehe oben ...

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Gabriele Ahrens
01.03.2005 08.26
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Der Vollständigkeit halber: Antrag der SPD

Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/1262

Antrag

Fraktion der SPD Hannover, den 31.08.2004

Schülerinnen und Schüler brauchen Verlässlichkeit in der Rechtschreibung

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Am 3. Juni 2004 hat die Kultusministerkonferenz einstimmig, mit der Stimme des niedersächsischen Kultusministers Bernd Busemann, den Beschluss gefasst, dass die 1998 zunächst mit einer Übergangszeit eingeführte Rechtschreibreform wie geplant zum 1. August 2005 endgültig in Kraft tritt. Wenige Tage später verkündete der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, er halte das Reformwerk für gescheitert. Er plädierte dafür, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren und der Kultusministerkonferenz die Entscheidungsvollmacht zu entziehen. Am 6. August 2004 gaben Springer Verlag, Spiegel und Süddeutsche Zeitung bekannt, dass ihre Presseorgane wieder in der vor 1998 gültigen Rechtschreibung erscheinen werden. Nach dpa-Informationen war dieses Vorgehen mit den Ministerpräsidenten, die sich kritisch geäußert hatten, mit dem Ziel abgestimmt, die endgültige Entscheidung über die Rechtschreibreform zu torpedieren. Daraufhin erklärte nun auch Kultusminister Busemann, er wünsche sich „eine Einigung der Ministerpräsidenten möglichst auf eine grundsätzliche Rücknahme der Reform“.

In der Öffentlichkeit hat diese widersprüchliche Entwicklung zu heftigen Kontroversen geführt, in den Schulen hat sie große Verunsicherung ausgelöst. Um diese Unsicherheit zu beenden, stellt der Landtag fest:

1. Der einstimmige Beschluss der Kultusministerkonferenz ist unbestritten gültig.

2. Der Landtag sieht keinen überzeugenden Grund, davon abzuweichen.

3. Das Thema Rechtschreibung ist für die Lernenden jeden Alters zu ernst, als dass es nach heimlicher Absprache zwischen einzelnen Politikern und Medienvertretern zum Gegenstand einer Kampagne gemacht werden dürfte.

Daher fordert der Landtag die Landesregierung auf,

– zu Kontinuität und Verlässlichkeit im Sinne des einstimmigen Beschlusses der Ministerpräsidenten von 1996 und des internationalen Abkommens mit Österreich, der Schweiz und Liechtenstein (Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung – Wiener Absichtserklärung – vom 1. Juli 1996) zurückzukehren und

– die Auseinandersetzungen um eine durchaus mögliche Weiterentwicklung der Rechtschreibung nicht weiter auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrerinnen und Lehrer auszutragen.

Begründung

In den Jahren der Probezeit hat es zwar vereinzelt Proteste und Petitionen gegen die Rechtschreibreform gegeben. Diese haben aber über Jahre keinen Erfolg gehabt. Zudem war die Stoßrichtung der kritischen Stimmen durchaus unterschiedlich: Während auf der einen Seite bemängelt wurde, die Reform gehe nicht weit genug, wurde von anderen Kritikern jede Veränderung grundsätzlich abgelehnt. Zur gleichen Zeit vollzog sich die Einführung der neuen Rechtschreibung in den Schulen im Großen und Ganzen ohne Probleme. Auch die meisten Medien übernahmen frühzeitig die neuen Regeln, ohne dass es in der Leserschaft zu ausgeprägtem Protest gekommen wäre. Manche modifizierten sie leicht im Rahmen der von den neuen Regeln selbst gebotenen Möglichkeiten. Insgesamt wurden die Veränderungen als moderat empfunden und entsprechend kommentiert. Gerade weil Sprachentwicklung ohnehin ein ständiger Prozess ist, der auch nach den Festlegungen des KMK-Beschlusses selbstverständlich weiter begleitet werden soll, geben diese Entwicklungen keinen Anlass, die gesamte Reform zu stoppen. Schülerinnen und Schüler dürfen von verantwortungsvollen Politikern Verlässlichkeit verlangen. Sie dürfen erwarten, dass ein Kultusminister sein Abstimmungsverhalten in einem wichtigen Bereich so gut durchdenkt, dass er es nicht nach wenigen Wochen radikal widerrufen muss. Sie dürfen erwarten, dass er für eine gut durchdachte Entscheidung, von der er überzeugt ist, auch einsteht. Sie dürfen erwarten, dass ein Ministerpräsident für Kontinuität der Beschlüsse steht und sich nicht in opportunistische Macht- und Ränkespiele einbinden lässt. Wer ständig selbst für Verunsicherung sorgt, darf sich nicht wundern, wenn die Sprachbeherrschung einer Schülergeneration insgesamt Schaden nimmt.

Wolfgang Jüttner
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender
(Ausgegeben am 08.09.2004)
__________________
Gabriele Ahrens

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Gabriele Ahrens
01.03.2005 08.14
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Antrag der Grünen im Wortlaut

Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/1253

Antrag

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Hannover, den 07.09.2004
Deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfachen
Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

1. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich in der Kultusministerkonferenz und in der Ministerpräsidentenkonferenz dafür einzusetzen, dass die 1995 beschlossene Reform der deutschen Rechtschreibung nicht nur in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zum 1. August 2005 für die Schulen und die Amtssprache verbindlich wird, sondern auch in Deutschland.

2. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Rat für deutsche Rechtschreibung dafür einzusetzen, dass die deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfacht wird. Langfristig ist anzustreben, dass auch in der deutschen Rechtschreibung wie in allen anderen europäischen Sprachen die Kleinschreibung eingeführt wird und nur noch Satzanfänge und Eigennamen groß geschrieben werden.

Begründung

Mit der 1995 beschlossenen Rechtschreibreform wird den Schülerinnen und Schülern das Erlernen der deutschen Rechtschreibregeln erheblich erleichtert. So wird jetzt nach Sprechsilben getrennt. Die Schreibweisen orientieren sich am Wortstamm. Die S-Schreibung ist eindeutiger geworden.

Für die Schülerinnen und Schüler sind durch diese Rechtschreibreform, mit der die Zahl der Schreibregeln von 212 auf 112 und die der Kommaregeln von 52 auf 9 reduziert wurden, unnötige Hürden beseitigt worden. Nach PISA ist es in den Schulen auch dringlicher, das Leseverständnis zu fördern, statt komplizierte, wenig logische Rechtschreibregeln samt zahlloser Ausnahmen zu büffeln. Deshalb haben sich auch viele Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerverbände für die Beibehaltung der Rechtschreibreform ausgesprochen.

Auch nach der 1995 beschlossenen Rechtschreibreform gibt es jedoch noch eine Reihe von Problemen insbesondere mit der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie mit der Groß- und Kleinschreibung. Es ist deshalb notwendig und sinnvoll, die Rechtschreibung weiter zu vereinfachen. Hinsichtlich der Getrennt- und Zusammenschreibung wird vorgeschlagen, großzügiger verschiedene Schreibweisen zuzulassen. Die Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung werden jedoch am
besten gelöst werden können, indem auch für die deutsche Sprache wie in allen anderen europäischen Sprachen die Kleinschreibung eingeführt wird.

Stefen Wenzel
Fraktionsvorsitzender
(Ausgegeben am 08.09.2004)
__________________
Gabriele Ahrens

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Theodor Ickler
01.03.2005 07.48
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Gutachten

Zur leichteren Urteilsbildung folgt hier mein Gutachten, das in der Stellungnahmen des niedersächsischen Kultusministeriums erwähnt ist.

Sprachwissenschaftliches Gutachten

zur „Petition zur Beendigung des Rechtschreibreformprojekts“ sowie zur Replik des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern


Umfang der Neuregelung
Zugunsten der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist von der KMK und anderen interessierten Stellen behauptet worden, die Zahl der Regeln sei von 212 auf 112 vermindert worden, allein die der Kommaregeln von 52 (oder einer ähnlichen Zahl) auf 9. Diese Zahlen haben in der Öffentlichkeit Eindruck gemacht und werden oft zitiert. Sie sind falsch. Wie auch die Dudenredaktion (z. B. durch ihren Leiter Dr. Wermke am 12. 5. 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht) klargestellt hat, gab es im Duden von 1991 zwar 212 numerierte Richtlinien, dies waren aber keine Regeln, sondern „Adressen“, unter denen man die eigentlichen Regeln finden konnte. Das ist bei der neuen Paragraphenzählung der Reformorthographie nicht anders. Die genaue Zahl der eigentlichen Regeln läßt sich nicht bestimmen. Für die Neuregelung ist Prof. Veith (Mainz) bei sorgfältiger Zählung auf weit über 1000 gekommen, was der Größenordnung nach richtig sein dürfte. Die angebliche „Reduzierung“ der Regeln ist am Beispiel der Groß- und Kleinschreibung nachgeprüft worden. Dabei ergab sich, daß die Zahl der wirklich identifizierbaren Regeln sich zwischen Duden und Neuregelung von 82 auf 96 erhöht hat (vgl. Theodor Ickler: „Regelungsgewalt“, 2. Aufl. St. Goar 2002, S. 53 ff.). Insgesamt umfaßt die Neuregelung (ohne Wörterverzeichnis) über 90 Seiten DIN-A4, und es gibt Paragraphen von nicht weniger als vier Seiten Umfang. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man die Zahl der Paragraphen, nicht aber die Zahl der Regeln vermindert, ist § 96: „Man setzt den Apostroph in drei Gruppen von Fällen.“ – eine Regel ohne jeden Gehalt, der vielmehr erst in den Unterabschnitten geboten wird.
Hinzu kommt (aber das ist angesichts der grundsätzlichen Irreführung durch die geänderte Numerierung kaum noch relevant), daß von den 212 Richtlinien des Duden sich ein größerer Teil entweder gar nicht auf die Rechtschreibung bezog oder aus bloßen Zusammenfassungen bestand, so daß die Zahl der orthographiebezogenen Richtlinien nur 171 betrug. Interessanterweise versuchte die Dudenredaktion in der ersten umgestellten Ausgabe des Rechtschreibwörterbuchs den Eindruck zu erwecken, die Regeln seien tatsächlich reduziert worden. In einem internen Papier für die Mitarbeiter der Dudenredaktion heißt es dazu:
„Neuregelung: Das amtliche Regelwerk ist in 112 Hauptregeln gegliedert.
Umsetzung: Die Dudenrichtlinien werden auch künftig Hinweise enthalten, die über den rein orthographischen Bereich hinausgehen. Durch Neustrukturierung und vor allem durch Zusammenfassung einzelner Regeln und Regelbereiche wird die Zahl der Richtlinien von 212 auf 136 gesenkt.
Begründung: Die inhaltlich falsche, aber politisch wirksame Formel ,aus 212 mach 112‘ muß auch im Duden ihren angemessenen Ausdruck finden.“
Erst mit der zweiten Auflage im Jahre 2000 wird diese Täuschung aufgegeben; es sind nunmehr wieder 169 „Kennziffern“ verzeichnet.
Falsch ist auch die Behauptung, 52 Kommaregeln seien auf 9 reduziert worden. In Wirklichkeit haben die neuen Kommaregeln den gleichen Umfang wie die alten (rund 10 DIN-A4-Seiten), nur die Numerierung hat sich geändert.
Im Duden des Jahres 2000 verteilen sich auch die vermeintlichen „9 Kommaregeln“ auf nicht weniger als 32 Kennziffern. Die Reformerin Renate Baudusch kommt in ihrer didaktischen Aufbereitung der Zeichensetzung allein für diesen Bereich auf 227 Regeln , Dieter Berger gar auf 338. (Im Bertelsmann-Band „Wahrig – Fehlerfreies und gutes Deutsch“ von 2003 umfaßt die Rechtschreibung 202 Seiten, davon 56 Seiten für die Kommasetzung.)
Das Werk ist so unübersichtlich, daß sogar seine Urheber es kaum noch überschauen. So mußte Mitverfasser Klaus Heller erst darauf hingewiesen werden, daß nochmal laut § 55 nur noch zusammengeschrieben werden darf, und Mitverfasser Hermann Zabel behauptete in einem Leserbrief, die Trennung vol-lenden sei nicht vorgesehen; sie steht aber ausdrücklich im Regelwerk unter § 112.

Defizite
Die Neuregelung enthält in der Tat „frei erfundene Regeln, die der deutschen Sprache nicht gerecht werden“. Bekannte Beispiele sind das Verbot der Zusammensetzung mit Adjektiven, die zufällig auf -ig, -isch oder -lich enden (neu: grünlich blau, fertig stellen), oder mit -einander- (auseinander setzen), oder die Auseinanderreißung von sogenannt (neu: so genannt). Hierfür gibt es in Schreibgebrauch und Sprachentwicklung keinerlei Grund. Die Reformer haben wiederholt bekundet, ihre Neuregelung solle „der Tendenz der Sprachgemeinschaft zur Zusammenschreibung entgegenwirken“. Damit ist die Sprachwidrigkeit und Rückwärtsgewandtheit zum Programm erhoben.
Die Petenten haben noch nicht einmal die schlimmsten Inkonsistenzen der Neuregelung aufgegriffen. Drei Beispiele mögen genügen:
„Das Wort weitgehend müßte laut § 36 nunmehr getrennt geschrieben werden, weil der erste Teil gesteigert werden kann: weiter gehend. Just dieser Komparativ steht jedoch in der geschlossenen Liste zusammenzuschreibender Zusätze unter § 34 (1), also: weitergehend. Zusammengenommen ergeben die beiden Regeln: weit wird getrennt geschrieben, weil es gesteigert werden kann; wird es jedoch gesteigert, tritt obligatorisch Zusammenschreibung ein!
„Noch komplizierter verhält es sich mit richtiggehend. Dies müßte zusammengeschrieben werden, weil (in der üblichen Bedeutung) keine Steigerung des ersten Teils möglich ist. Dem steht aber die schon erwähnte neue Regel entgegen, wonach Adjektive auf -ig überhaupt nicht zusammengeschrieben werden. Daraus folgt Getrenntschreibung: richtig gehend. Nun bestimmt allerdings das amtliche Wörterverzeichnis, daß es zu dieser Regel eine einzige Ausnahme gibt, eben richtiggehend. (Bezieht es sich jedoch zum Beispiel auch eine korrekt gehende Uhr, so wird es getrennt geschrieben ...)
„Bei den neu verordneten Getrennt- und Zusammenschreibungen adverbialer Ausdrücke läßt sich schlechterdings nicht vorhersagen, was nun richtig sein soll: zu Grunde, zu Gunsten, zugute, zulasten, zu Leide, zuliebe, zu Mute, zurate, zu Schulden, hier zu Lande, heutzutage usw. Es ist nicht einzusehen, warum unterderhand obligatorisch aufgelöst wird (unter der Hand), während vorderhand und kurzerhand unverändert bleiben. Diese willkürlichen Eingriffe hinterlassen den Eindruck, daß man jederzeit mit irgendwelchen Änderungen durch die Reform rechnen muß, aber nie sicher sein kann, welche es sein mögen und ob es überhaupt welche gibt.
Die Getrenntschreibung von kennen lernen war von den Reformern mit der Behauptung begründet worden, dieser Komplex sei strukturell nicht von tanzen lernen usw. verschieden. Das ist unhaltbar. Beispielsweise bedeutet schwimmen lernen 'lernen, wie man schwimmt', aber kennenlernen bedeutet nicht 'lernen, wie man kennt', sondern den Beginn des Kennens. Solche Unterschiede spiegeln sich intuitiv in der unterschiedlichen Schreibweise. Man kann darauf verzichten, aber ein Verlust ist es allemal, und „ohne Belang“ ist die Änderung ganz sicher nicht.
pleite gehen ist keineswegs von in die Pleite gehen abgeleitet (das es als Wendung nie gegeben hat); vielmehr handelt es sich um das Adjektiv pleite, und die Konstruktion ist genau die gleiche wie bei kaputt, verschütt, verloren, entzwei + gehen. Mit Substantiven kann gehen nicht verbunden werden. Dasselbe gilt für bankrott gehen (neu Bankrott gehen). Bei Pleite machen ist die Großschreibung selbstverständlich richtig, da es sich um eine andere Konstruktion handelt.
Bei recht haben liegt nachweisbar eine Desubstantivierung vor, vgl. wie recht du hast. Hier verbietet sich offenbar die Großschreibung.
Besonders kraß ist der Fall Leid tun. Bei leid handelt es sich um ein altes Adjektiv; auch der Komparativ leider ist ja noch vertraut. Substantiv ist es auf keinen Fall. leid tun ist genau wie weh tun, gut tun, wohl tun usw. konstruiert (die Getrennt- und Zusammenschreibung ist hier zu vernachlässigen). Schreibweisen wie so Leid es mir tut usw. verbieten sich offensichtlich von selbst. Schon für Konrad Duden war der Fall klar:
„Bei Ausdrücken wie leid tun, not tun, weh tun, schuld sein, gram sein; mir ist angst, wol, wehe, not ist von selbst klar, daß das zum einfachen Verbum hinzugetretene Element nicht als Substantivum fungiert; (man erkennt) die nicht substantivische Natur jenes Zusatzes am besten durch Hinzufügung einer nähern Bestimmung. Man sagt er (...) hat ganz recht, hat vollständig unrecht u. dgl. Die Anwendung von Adverbien, nicht von Adjektiven, zeigt, daß man einen verbalen Ausdruck, nicht ein Verb mit einem substantivischen Objekt vor sich hat.“ (Die Zukunftsorthographie, Leipzig 1876, S. 70)
Ein Akt der Willkür ist es weiterhin, wenn im vierten Bericht vorgeschlagen wird, die Kleinschreibung wieder zuzulassen, aber nur in Verbindung mit Zusammenschreibung: leidtun. Warum bleibt allein die bisher übliche Schreibweise leid tun verboten und wird durch gleich zwei Schreibweisen ersetzt, von denen eine noch dazu grammatisch falsch ist?
Daß bei Schifffahrt ist Not etwas nicht stimmt, dürfte schon ein intelligenter Gymnasiast bemerken. Im Deutschen Wörterbuch (Grimm) könnte die Kommission nachlesen, wie es vor 500 Jahren zu einem Adjektiv not = 'nötig' gekommen ist. Im dritten Bericht war bereits erwogen worden, auch nottun zur Wahl zu stellen, aber: „Die frühere Schreibung not tun (getrennt und klein) sollte nicht wiederbelebt werden.“ Das ist dieselbe Willkür wie bei leidtun.
Die wiederbelebten, sogar obligatorischen Großschreibungen im Allgemeinen, des Öfteren usw. sind zwar grammatisch möglich, führen aber tief ins 19. Jahrhundert zurück. Damals haben die Orthographen diese allmählich aufgekommenen (auf der grundschultypischen Artikelprobe beruhenden) Großschreibungen als übertrieben gebrandmarkt und allmählich wieder zurückgedrängt. Im vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission wird bereits erwogen, die altertümliche Großschreibung auch auf bei Weitem und vierzehn weitere artikellose adverbiale Wendungen auszudehnen. (Zur Frühgeschichte der Einführung und Wiederabschaffung dieser Übertreibungen vgl. Karin Rädle: Groß- und Kleinschreibung des Deutschen im 19. Jahrhundert. Heidelberg 2003.)
Zur Neuschreibung heute Abend: Wie die Reformer selbst vor Jahren gezeigt haben, kann an der syntaktischen Position nach der Datumsbezeichnung kein Substantiv stehen. Es ist dabei ohne Belang, für welche Wortart man sich entscheidet: im Zweifelsfall ist nach den Grundsätzen der Neuregelung ohnehin klein zu schreiben: heute abend. Um das Sprachrichtige zu verdrängen, mußten die Reformer auch hier das Falsche obligatorisch vorschreiben und sehen auch für die Revision nicht einmal eine Variante vor. Übrigens wäre analog Dienstag Abend zu erwarten, aber hier soll nur Zusammenschreibung zulässig sein: Dienstagabend – eine weitere Inkonsequenz.

Silbentrennung
Die neue Silbentrennung ist grundsätzlich bildungsfeindlich, da sie unnötigerweise bei unzähligen durchaus noch durchschaubaren Wörtern die morphologische Trennung durch eine bewußt ignorante silbische zu ersetzen erlaubt (hi-nauf, vol-lenden, Atmos-phäre). Gerade dadurch wird aber ein Zwei-Klassen-System geschaffen, wie es ja eigentlich verhindert werden sollte: der Gebildete trennt weiterhin Re-spekt und bedient sich der so getrennten Bestandteile re- und -spekt in vielen anderen Kombinationen. Wer es nicht besser weiß, stellt sich durch Trennungen wie Res-pekt bloß, und da dies den neuen Regeln und den Intentionen der Reformer vollkommen entspricht, hat auch der Lehrer kein Argument mehr in der Hand, um die Schüler davon abzubringen.
Die Einlassung des Ministeriums, „Teenager werde (bei korrekter Aussprache) nach Sprechsilben und nach Wortbestandteilen eindeutig Teen-ager getrennt“, ist falsch. Die Trennung nach Wortbestandteilen (morphologische Trennung) ist gerade nicht mehr verbindlich, und die korrekte Syllabierung des englischen Wortes ergibt Tee-nager, das daher so auch im neuen Duden steht. Die Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben ist ebenso überflüssig, denn es gibt gar keinen „richtigen und sinnvollen Umgang“ mit einer solchen Regel, außer sie zu ignorieren. Ihre Anwendung ergibt ausnahmslos sinnstörende Bruchstücke vom Typ Seeu-fer, Bi-omüll, Sitze-cke, a-brupt usw. Genau dies war der Grund, weshalb sie bisher nicht vorgesehen war.

Kommaregeln
Gegen die neuen Kommaregeln ist das meiste schon von führenden Reformern selbst gesagt worden, nämlich von Peter Gallmann und Horst Sitta in ihrem „Handbuch Rechtschreiben“ (Zürich 1996). Die Autoren plädieren dafür, im wesentlichen die frühere Kommasetzung vor Infinitivgefügen beizubehalten. So halten es auch alle anspruchsvollen umgestellten Texte. Daß beim Fehlen eines solchen Kommas kein Fehler angerechnet werden soll, kann, wenn es denn aus pädagogischer Sicht wünschenwert sein sollte, durch Anweisung an die Lehrer erreicht werden. Die frühere Kommaregelung war vielleicht im Duden nicht optimal formuliert, aber in ihrem Gehalt ein wertvolles Instrument der stets sinnvollen Satzgestaltung. Auch stimmt die Wiedereinführung des „rhetorischen“ Kommas anstelle des „grammatischen“ ganz und gar nicht mit der sonstigen Verabsolutierung grammatischer Kriterien für die Wortschreibung zusammen.
Die beiden neuen, aber kaum beachteten obligatorischen Kommas haben zu außerordentlich vielen Fehlern geführt: das Komma vor (auch nichterweitertem) Infinitiv nach hinweisendem es und das Komma als drittes Satzzeichen nach Anführungszeichen und Frage- bzw. Ausrufezeichen.

Drei gleiche Buchstaben
Daß drei gleiche Buchstaben schwerer lesbar sind, bedarf keines Beweises. Die bayerische Schulorthographie hatte schon vor über 100 Jahren stets zu zwei Buchstaben vereinfacht (also ohne die bekannte Ausnahme – Sauerstoffflasche – des alten Duden). Natürlich wußte man damals so gut wie heute, daß in Schiffahrt „eigentlich“ drei f stecken. Jacob Grimm rechnete die drei Buchstaben zur Bezeichnung eines einzigen Lautes zum „Pedantischen“ in der deutschen Sprache. Die „neue“ Regel ist rückschrittlich, aber insgesamt eine Marginalie. Ins Auge fallen ihre Wirkungen erst in Verbindung mit der Heyseschen s-Schreibung, wodurch sich Fälle wie Schlussstrich ungewöhnlich vermehrt haben.

[Volks-]Etymologie
Es handelt sich ausschließlich um ein Steckenpferd des Reformers Gerhard Augst. (Einige dieser sonderbaren Einfälle sollen erst nach den letzten Wiener Gesprächen, ohne Beratung und Billigung durch den Internationalen Arbeitskreis, in den Text eingefügt worden sein. Der Arbeitskreis trat bekanntlich nach 1994 nie mehr zusammen und hat auch auf das von Klaus Heller und Jürgen Scharnhorst erstellte Wörterverzeichnis keinen Einfluß mehr gehabt.)
Die neue Schreibweise – fast stets obligatorisch – hat großenteils keine Grundlage im Schreibbrauch. Außerdem ist sie widersprüchlich. Während bei schnäuzen, belämmert ein künstlicher Zusammenhang mit Schnauze, Lamm und bei behände ein zwar richtiger, aber historisch verschütteter Zusammenhang mit Hand hergestellt wird, soll bei rauh der etymologisch wohlbegründete Zusammenhang (vgl. Rauchwaren = Pelzwaren) unzulässig sein – zugunsten einer vagen Analogie zu blau, genau, übrigens lauter Wörter, die anders als rau, aber in Übereinstimmung mit anderen Vollwörtern eine Ober- bzw. Unterlänge besitzen. (Auf diese interessanten Zusammenhänge hat zuerst Friedrich Roemheld hingewiesen, dem wir Einsichten in das „Blickfang-h“ verdanken.) Das ist so willkürlich wie unnötig. Es ist leicht nachzuweisen, daß die Sprachgemeinschaft seit Jahrhunderten keinen Zusammenhang zwischen behende und Hand mehr herstellt (vgl. mit behenden Schritten usw.). Trotzdem soll diese Schreibung obligatorisch gelten. Von ähnlicher Willkür sind die übrigen Änderungen dieser Art. Es gibt Hunderte von Wörtern, die ebenfalls einer etymologischen und zwar durchaus korrekten Umlautschreibung unterworfen werden könnten, bei denen die Reform aber nichts dergleichen ändern will: Spengler (von Spange), kentern (von Kante), Heu (von hauen) usw. Geradezu unerträglich ist es, daß objektiv falsche Etymologisierungen wie Quäntchen, Zierrat, belämmert und einbläuen nun obligatorisch gelten und an Schüler vermittelt werden sollen

Zusatz zum Partizip
Aus dem vierten Bericht geht nicht klar hervor, wie weit die Korrekturen an dem völlig mißglückten Paragraphen 36 der amtlichen Regelung reichen sollen. Erfaßt und geändert werden auf jeden Fall Hunderte von neuen Schreibweisen (Energie sparend, Eisen verarbeitend [?], zufrieden stellend ...). Die Wörterbücher haben unterderhand, aber nach Absprache mit der Zwischenstaatlichen Kommission, bereits blutsaugend und manches andere wiederhergestellt. Man braucht nur den Duden 2000 s. v. Blut (saugend usw) mit der authentischen Regelauslegung durch Zabel (Widerworte 1997, S. 101) zu vergleichen, um das Ausmaß der stillschweigend voranschreitenden Auflösung der Neuregelung zu erkennen; vgl. die Listen in „Regelungsgewalt“, 2. Aufl. St. Goar 2002, S. 59ff. und S. 283f.
Wie brisant dieses Kapitel der Neuregelung ist, läßt sich an zahllosen Beispielen zeigen. Viel zitiert wird ein Satz von Erich Kästner, dem die erzwungene Getrenntschreibung den Garaus machen würde:
Die Wirtschafterin kämpfte in der Küche wie ein Löwe. Doch sie brachte die heißersehnten und heiß ersehnten Bratkartoffeln trotzdem nicht zustande.
Hier erzwingt die Neuregelung in beiden Fällen Getrenntschreibung, zerstört also die Pointe.

Zusammenfassende Bemerkungen
Die Rechtschreibreform kümmert sich um die Schreibweise entlegenster Wörter (Ständelwurz), beseitigt jedoch mit ihren dichten neuen Regeln nicht einmal die so oft beschworenen Fehlerquellen der Groß- und Kleinschreibung, der (grammatischen) Unterscheidung von das und daß/dass oder der notorisch schwierigen Einzelfälle brillant, verwandt usw. Erst nach und nach werden die Folgen einer konsequenten Anwendung erkennbar, zum Beispiel – um beim Anliegen der Juristen zu bleiben –, daß die rechtsprechende Gewalt jetzt zur Recht sprechenden wird, während die gesetzgebende unverändert bleibt. Von einer systematischen, sprachgerechten Bearbeitung des komplizierten Gegenstandes kann keine Rede sein.
Während die Einführung der „gemäßigten Kleinschreibung“, immer noch das eigentliche Hauptziel der Reformer, eine zwar unerwünschte, aber in sich stimmige Maßnahme gewesen wäre, ist mit der Neuregelung und den jüngsten Korrekturvorschlägen eine willkürliche und rückwärtsgewandte Ausweitung der Großschreibung verordnet worden, die zum Teil sogar gegen die Grammatik verstößt. Die wirklich beobachtbare Großschreibung von Nominationsstereotypen („festen Begriffen“) wird dagegen vernachlässigt. Ähnliches gilt für die Getrennt- und Zusammenschreibung. Beide Bereiche sind irreparabel mißlungen, weil sich die Urheber sowohl über die sprachgeschichtliche Entwicklung als auch – nach dem Scheitern früherer Reformpläne – über ihre eigenen Überzeugungen hinweggesetzt haben.
Bei Silbentrennung und Zeichensetzung sind angeblich im Interesse von Schreibanfängern und „Wenigschreibern“ neue Regeln eingeführt worden, die sich nicht ohne Verlust an Deutlichkeit und Lesbarkeit anwenden lassen.
(Eine umfangreiche Dokumentation der Folgeschäden sowie der nach dem vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission entstandenen Lage findet man in Th. Ickler: „Rechtschreibreform in der Sackgasse – Neue Dokumente und Kommentare“. Leibniz Verlag St. Goar 2004.)

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Th. Ickler

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Theodor Ickler
01.03.2005 05.20
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Klarstellung

Da ich im Text des niedersächsischen Kultusministeriums erwähnt werde, stelle ich fest:
Neue Argumente gegen die RSR brauchte ich in meinem Gutachten nicht vorzutragen, da die alten nicht widerlegt sind. Sie haben im Gegenteil dazu beigetragen, daß die Reform von 1996 durch zwei Revisionswellen bis zur Unkenntlichkeit verändert worden ist.
Daß ich die Mängel des alten Duden übersehen haben sollte, ist grotesk. Meine Kritik am alten Duden war ja der Anlaß für die Anfertigung meines eigenen Rechtschreibwörterbuchs. In meinen Vorschlägen zur Wiederherstellung einer sprachrichtigen Einheitsorthographie wird stets klargestellt, daß eine Wiedereinsetzung des alten Duden nicht in Frage kommt.
Das Kultusministerium freut sich darüber, daß die Rückumstellung der FAZ (vor 5 Jahren) keine Nachfolge fand, übergeht aber die Tatsache, daß inzwischen der Axel Springer Verlag und andere rückumgestellt haben.
Das Ganze beweist noch einmal, daß auf die Politik nicht zu hoffen ist. Wer die Macht hat, braucht sich um die Qualität seiner Argumente keine Gedanken zu machen, er kann auch täuschen, lügen usw.
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Th. Ickler

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Fritz Koch
28.02.2005 17.29
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Die Eltern begreifen nicht, daß mühsameres Lesen

sich erschwerend in allen Schulfächern auswirkt, in denen nicht deutsch geschrieben werden muß, sondern in begrenzter Zeit Übersetzungen vom Deutschen in eine Fremdsprache oder mathematische, physikalische oder chemische Textaufgaben bearbeitet werden müssen. Dieser Anteil am Prüfungsstoff ist größer als der im Fach Deutsch.

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Theodor Ickler
28.02.2005 16.31
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Der Kernpunkt

„Eine Rücknahme der Reform würde großen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Der Verband der Schulbuchverleger hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach mit Schreiben an die Kultusminister gewandt und vor einer Rücknahme der Reform gewarnt.“

Ja, das wissen wir. Die Schulbuchverleger verkünden es ja selbst, wie „massiv“ sie auf die Politiker „eingewirkt“ haben.

Den früheren Redebeitrag von Frau Korter kannte ich schon und habe ihn in mein Papier „Die Grünen und die Rechtschreibreform“ eingearbeitet. Daß die Grünen sich zum Handlanger der Schulbuchverleger machen lassen, ist wohl nicht erstaunlicher als die Einbindung der Elternräte, also der natürlichen Feinde der Schulbuchverlage, in deren „bewährte Verbändeallianz“.

Frau Korter meint natürlich, wie fast alle Grünen, daß die Kleinschreibung besonders modern sei. In Wirklichkeit ist sie ja mittelalterlich, weshalb auch der Romantiker Jacob Grimm sie wiedereinführen wollte.
Auf den Einwand, daß die moderne Großschreibung das Lesen erleichtert, würden die Grünen wohl antworten: „Wer spricht denn vom Lesen! Die Kinder sollen in der Schule fehlerfrei schreiben und gute Noten bekommen; zu lesen brauchen sie nicht.“ Bei Augst kommt das Lesen praktisch nicht vor. Damit ist über die Reform eigentlich alles gesagt.

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Th. Ickler

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Gabriele Ahrens
28.02.2005 11.53
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Korrektur

Ich muß mich korrigieren. Frau Korter hielt ihre Rede erst jetzt am 23.2.05. Es war die zweite Beratung zu diesem Thema. Im Netz findet man hierzu folgende Notiz:

12. Zweite Beratung:
a) Deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfachen
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 15/1253
b) Schülerinnen und Schüler brauchen Verlässlichkeit in der Rechtschreibung
Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 15/1262
Beschlussempfehlung des Kultusausschusses – Drs. 15/1658
(Erste Beratung zu a und b: 42. Sitzung am 17.09.2004)
(Ausschussempfehlung zu a und b: Ablehnung)
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Gabriele Ahrens

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Gabriele Ahrens
28.02.2005 11.46
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Was die Grünen wollen (wurde immerhin vom Kulturausschuß abgelehnt)

Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode Drucksache 15/1658
Beschlussempfehlung

Kultusausschuss Hannover, den 21.01.2005

a) Deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfachen
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 15/1253

b) Schülerinnen und Schüler brauchen Verlässlichkeit in der Rechtschreibung
Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 15/1262

Der Kultusausschuss empfiehlt dem Landtag,
1. den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 15/1253 – abzulehnen,
2. den Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 15/1262 – abzulehnen und
3. die Einsender der in die Beratung einbezogenen Eingaben 00946 (01-05) über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten.

Lothar Koch
Vorsitzender
(Ausgegeben am 31.01.2005)



Rede Ina Korter (7.9.2004):

a.) Deutsche Rechtschreibung konsequent weiter vereinfachen;
b.) Schülerinnen und Schüler brauchen Verlässlichkeit in der Rechtschreibung

LTF|LTF/ik|PM 0|23.02.2005 Anrede,
Die Zeit ist ein wenig über die heute noch einmal vorliegenden Anträge zur Rechtschreibung hinweg gegangen: Fast alles davon ist inzwischen durch KMK-Beschlüsse geregelt. Christian Wulff hat versucht, mit diesem seinem Herzensthema bundesweit Beachtung zu finden. Mit seiner Forderung, die Rechtschreibreform zurück zu nehmen, ist der Ministerpräsident kläglich gescheitert. Zum Glück kann ich nur sagen! Die Schulen haben wahrlich wichtigere Dinge zu tun, als den von Christian Wulff inszenierten Zirkus um die Rechtschreibreform nachzuvollziehen.

Medienaufmerksamkeit hat der niedersächsische Ministerpräsident im Sommer damit allerdings bekommen – keine Frage. Nach diesem persönlichen Medienerfolg – um mehr ging es ja ohnehin nicht – folgte gleich die nächste Attacke des Niedersachsen: Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz. Auch der hat dann nicht stattgefunden, aber wieder waren die Medien erst einmal begeistert.

So wird’s gemacht, wenn man vorn auf der Liste der bekanntesten Politiker landen will: Mit großen Ankündigungen provozieren, egal auf wessen Kosten – zurücknehmen kann man ja später immer noch.

Endlich kann sich der niedersächsische Ministerpräsident als Kanzlerkandidat in Stellung bringen. Frau Merkel wird begeistert sein über diese solidarische Unterstützung! Aber, ich muss sagen, uns kann es nur recht sein, wenn Sie sich in der Frage der Kanzlerkandidatur immer weiter selbst zerlegen in der CDU und CSU!

Ich bin nur gespannt, mit welchem populistischen Aufschlag es weiter geht. Wird Christian Wulff demnächst die Nationalmannschaft aufstellen?

Wichtig wäre nur, die spielt dann nicht wieder so, wie die Landesregierung hier re-giert – rückwärtsgewandt und immer nach hinten!

Zurück zur Rechtschreibreform – Aufhalten kann Wulff sie nicht mehr – der erste Teil unseres Antrags ist deshalb erfüllt. Im 2. Teil geht es um die weitere konsequente Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung. Dazu gehört auch langfristig die gemäßigte Kleinschreibung. Herr Busemann hat sich in der Plenardebatte im Herbst dagegen ausgesprochen, weil die Verständlichkeit darunter leiden würde. Zur Verdeutlichung hat er uns mit Details aus seinem Privatleben unterhalten und gesagt, man könne den Satz, „er habe in Saarbrücken liebe genossen“ in Kleinschreibung nicht klar verstehen. Abgesehen davon, dass man einem gesprochenen Satz nicht anhören kann, was groß und was klein geschrieben ist, fand ich den Satz in seinem Kontext sehr eindeu-tig: Da Herr Busemann als Nicht-SPD – Mitglied nirgends Genossen hat, kann er auch in Saarbrücken keine haben. Und wo er alles Liebe genossen hat, interessiert den Landtag nun wirklich nicht.

Ohne Kontext sind Sätze übrigens auch mit Großschreibung nicht immer eindeutig zu verstehen. So gibt es für den folgenden Satz bei gleicher Schreibweise zwei sehr verschiedene Lesarten:

Entweder: Die Landesregierung geht mit der Zeit – Oder: Die Landesregierung geht mit der Zeit!

Sie sehen, wir Grünen sind mit unserem Antrag einfach der Zeit voraus.

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Gabriele Ahrens

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Fritz Koch
28.02.2005 11.28
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Die Parlamente sind mal voller und mal leerer,

aber immer voller Lehrer.

Bei jedem Verbrechen ist die erste Frage: cui bono? Wer hat einen Vorteil davon?
Wem bringt die Primitivisierung der Rechtschreibung Arbeitserleichterung? Den Lehrern.

Wer ist von berufswegen gewöhnt, das Volk für unmündig zu halten und zu seinem Glück zwingen zu müssen? Die Lehrer. Wie können Lehrer das am besten und auch bei Erwachsenen durchsetzen? Indem sie Abgeordnete werden.

Was ist die Steigerung von Politikverdrossenheit? Wut auf die Politiker. Woran ist die Weimarer Republik gescheitert? An der Wut des Volkes auf die Politiker. Was lernen wir daraus? Nichts.

Was ist die erste Staatsbürgerpflicht? Der Obrigkeit gehorchen und sie für allwissend halten. Was ist typisch deutsch? Eben dieses. Es wird böse enden.
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– geändert durch Fritz Koch am 28.02.2005, 15.29 –

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Theodor Ickler
28.02.2005 10.34
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Was wollen die Grünen?

Fast noch mehr als das gewohnte Gebräu der Politiker interessiert mich der beiläufige Hinweis, daß die Grünen beantragt haben, die Rechtschreibung noch weiter zu vereinfachen. Weiß man darüber Näheres?
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Th. Ickler

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Gabriele Ahrens
28.02.2005 09.14
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Ergänzende Angaben

Entschuldigung! Das Schreiben und die Stellungnahmen sind vom 23. Februar 2005. Und: Ja, das hat wirklich ein Beamter aus dem Niedersächsischen Kultusministerium verfaßt. Leider weiß ich nicht, wer.
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Gabriele Ahrens

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