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Offener Brief einer Schulbuchverlegerin
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Norbert Lindenthal
27.02.2006 20.06
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Schulbuchverlag

Offener Brief einer Schulbuchverlegerin
An die Medienschaffenden in Presse und Zeitungsverlagen

Die sogenannte Rechtschreibreform:
Menetekel oder Chance?


Darf man beim Vorsitzenden des Rates für Rechtschreibung, Hans Zehetmair, fundierte Kenntnisse in der Angelegenheit voraussetzen, die er moderiert? Gehört er zum Kreis der Bestinformierten? Dazu eine Anekdote: Am Rande der Novembersitzung vom 25.11.2005, als der Rat für Rechtschreibreform zum siebten Mal in Mannheim tagte, äußerte der ehemalige Kultusminister schmunzelnd, auch der SPIEGEL schreibe inzwischen wieder häufiger „dass“ zum Zeichen des guten Willens gegenüber Rat und staatlicher Rechtschreibpolitik. Ein entlarvender Irrtum: das Nachrichtenmagazin ist – entgegen der offiziellen Absichtserklärung im Jahr 2004 – nicht zur bewährten Orthographie zurückgekehrt.

Gegen die Legendenbildung

Halbwahrheiten und Fiktion bestimmen seit Beginn die Diskussion um die sogenannte Rechtschreibreform. Über den Weg von Gerüchten, Klatsch und gezielter Propaganda nahm das Lügenmärchen feste Gestalt an, behindert seither klares Denken und beeinträchtigt die Fähigkeit zu kritischem Urteilen. Manche Legenden beherrschen das Denken von Generationen. Ob auch die sogenannte Rechtschreibreform zur Legende wird, hängt davon ab, was Sie als Medienschaffende in den Verlags und Zeitungshäusern entscheiden werden.
Fragen wir uns doch einmal: Kann man uns zwingen, eine behördlich empfohlene Kunstschreibung anzuwenden? Wenn wir gehorchen, tun wir es nicht etwa aus freien Stücken? Das Beispiel „Rechtschreibreform“ eignet sich wie kaum ein anderes zur Bestätigung des Satzes: Alle Regierungsmacht beruht auf freiwilliger Zustimmung. Ihr Entzug ist daher das einzig gewaltfreie und zugleich hochwirksame Mittel gegen anmaßende Regierungsgewalt. Rechtschreibung eignet sich nicht als Stoff für Gesetzgebung, und tatsächlich existiert kein „Rechtschreibgesetz“. Privatleute, Verlage und Medienschaffende verhalten sich weder anmaßend, noch verstoßen sie gegen ein staatliches Gebot, wenn sie der sogenannten Rechtschreibreform ihre Gefolgschaft verweigern.
Abspaltung des Bewußtseins von Form und Inhalt
Wir erleben es seit zehn Jahren: Einerseits wird die Reformschreibung „frei“willig angewandt, andererseits beklagt man lauthals ihre Nachteile. Nicht wenige delegieren ihren Gehorsam an die Maschinen. In Fragen der Reformschreibung sind wir inzwischen ein Volk von passiven Verweigerern: wir tippen „daß“ ein und überlassen es den automatischen Korrekturprogrammen, daraus das Wohlverhaltenszeichen „dass“ zu erzeugen. Wir schreiben nicht mehr selbst, es „schreibt“ uns. Und die Zukunft? Wird es uns einmal sogar „lesen“? Was geschieht mit der Sprache, wenn sich die Form auf staatliches Betreiben vom Bewußtsein abspaltet?
Was heute erkennbar ist: Fehlerquoten und Nachlässigkeit verstärken einander im Regelkreis. Texte verlieren ihre Autorität. Nach der Reformschreibung zwangsläufig fehlerhafte Schriftstücke, welchen Inhalts auch immer, wirken auf den Leser tendenziell unseriös. Die Form bestimmt den Inhalt mit. Nicht nur der Rechtschreibung nach „veraltete“ Texte könnten bald auch inhaltlich obsolet wirken. Muß das nicht mit Sorge erfüllen?

Toleranz ist keine Einbahnstraße

Tatsächlich wäre die Beilegung des Rechtschreibstreites eine Angelegenheit guten Willens, den man bei den Machthabenden in unserer demokratischen Staatsform lehrbuchmäßig voraussetzen müßte. Allein, der einzig mögliche Kompromiß auf dem Weg zum Schreibfrieden ist „aus Gründen der Staatsraison“ (Johanna Wanka) politisch nicht gewollt. Wer trägt Verantwortung, und wofür? Um die Gefahr eines drohenden Kulturbruchs abzuwenden, bedarf es der entschlossenen Entscheidung kulturtragender Gesellschaftsschichten, dem ReformSignalwort „daß“ entschieden und ohne jedes Verfallsdatum seinen Platz zu sichern. Der zweite Schritt wäre dann die Aufhebung der Ächtung von bewährten Schreibweisen an den Schulen. Um der Sprache Raum zu Erholung und Selbstheilung zu geben, soll sie sich wie seit jeher, der Intuition der Schreibenden gemäß, ungehindert entfalten dürfen. Die frei erfundenen Rechtschreibregeln sind von der Sache her nicht zu rechtfertigen, wozu sollten wir ihnen dann folgen, und das freiwillig?
Wer nach Liberalisierung der Orthographie ruft, soll sie haben – es sei jedoch gleich dazugesagt, daß damit Toleranz auch gegenüber der herkömmlichen Rechtschreibung eingefordert ist. Wir wollen keine Einbahnstraße, die das eine vorschreibt, während sie das andere ausschließt. Wer „dass“ schreiben will, solle dies an den Schulen und in den Amtsstuben tun dürfen. Doch auch dem dürfen keine Nachteile daraus erwachsen, wenn er sich für „daß“ entscheidet.

Entscheidung von historischer Tragweite

Als Medienschaffende finden Sie sich in diesen Tagen mitten in eine heikle Diskussion eingebunden. Ob Ihnen das gefällt oder nicht: Wofür Sie sich auch immer entscheiden werden, Sie befinden über die Zukunft der Schriftsprache für eine MillionenSprachgemeinschaft. Wer von uns hätte sich 1996 ausmalen wollen, welch beeindruckendes orthographisches Durcheinander eine sogenannte Rechtschreibreform in nur wenigen Jahren hervorrufen würde? Es ist die „Vorbildfunktion“, mit der Sie als Medienschaffende maßgeblich den Kurs bestimmen, den das Kulturgut Schriftsprache künftig nimmt: Aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht befreien, ob Sie es wollen oder nicht. Allein die selbstbewußte Pflege der bewährten Orthographie durch beispielgebende Medien kann den Weg zurück zur Einheitlichkeit anbahnen. Weitere substantielle und wirtschaftliche Verluste werden sich in Grenzen halten, wenn wir uns voller Vertrauen darauf rückbesinnen, daß Sprache ihr eigener Herr ist und es auch bleiben wird. Wir appellieren an alle Medienschaffenden, sich nicht von kurzsichtigen Erwägungen leiten zu lassen. Ein selbstbewußtes Beharren auf Bewährtem ist keine Entscheidung gegen die Vernunft, sondern eine für Liberalität – und somit für die Stärkung des demokratischen Prinzips in einer freien, zivilisierten Gesellschaft.
Nennen wir es beim Wort: Das Durchpeitschen einer künstlich geschaffenen Reformschreibung gegen den erklärten Willen des Volkes ist Mißbrauch von Staatsgewalt. Beschädigt wird nicht nur die Sprache, sondern auch die liberaldemokratische Grundordnung des Staates. Die sogenannte Rechtschreibreform – Menetekel oder Chance? Erinnern wir uns: Alle Regierungsmacht beruht auf Freiwilligkeit. Wir erleben zur Zeit, wie uns eine „Reform am Rande“ herausfordert, über Staatsmacht und ihre Grenzen, über Gewalt und freiwillige Unterwerfung, über das Wesen von Demokratie und Diktatur nachzudenken. Allen Befugten in den Pressehäusern wünschen wir die nötige Weitsicht sowie persönlichen Mut und Durchhaltevermögen, um im eigenen Einflußbereich das für richtig Erkannte und zum Allgemeinwohl Notwendige verwirklichen zu können.

Karin PfeifferStolz

Autorin und Verlegerin
Stolz Verlag, Düren
21. Februar 2006

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