Kieler Nachrichten v. 06.10.07 – der neue Stuss
Straße und Maße,
Kuss und Schluss
Teil 3 – Heute: Die neue neue ss/ß-Regelung
Hat da tatsächlich jemand behauptet, es gäbe fortan kein Eszett mehr?
Das wäre schade. Dann hätten wir nämlich nicht länger die Möglichkeit, den betonten kurzen Vokal (Selbstlaut) vor dem stimmlosen S grafisch vom langen Vokal zu unterscheiden. Klar, oder? Für uns, die wir mit der alten Rechtschreibung vertraut sind, bedeutet das: Jedes Eszett muss überprüft werden. Und zwar dahingehend, ob sich davor ein kurzer oder langer Vokal befindet. Nach kurzem Vokal wandelt sich das bisherige Eszett in Doppel-s, nach langem Vokal bleibt es auch in Zukunft erhalten. Zu den langen Vokalen zählen übrigens auch das „ie und die sogenannten Diphthonge (Doppel-oder Zwielaute) „ei, eu, äu, au.
Wie zeigt sich das in der Praxis? Die Masse die Maße, er schoss der Schoß, der Strass die Straße: Durch die Schreibung mit
Gewusst wie!
Eine Serie zur neuen Rechtschreibung
Doppel-s bzw. Eszett wird eindeutig, wie der entsprechende Vokal auszusprechen ist, und damit auch, um welches Wort es sich handelt. Die Schweiz und Liechtenstein kennen diese Unterscheidung schon seit den 30er Jahren nicht mehr. Dort kann es einem also durchaus passieren, dass das Betreten des Rasens mit Busse belegt oder man zum Essen in Massen aufgefordert wird. Das Verschwinden des Eszett in dieser Varietät des Deutschen hat verschiedene Ursachen. Die andersartige Phonologie der schweizerdeutschen Dialekte beeinflusste die Standardsprache, aber auch die Nähe zu den Fremdsprachen wie Französisch und Italienisch.
Viel ließe sich sagen über das sonderbare Eszett. Es hat im Laufe der Zeit exotische Namen bekommen: scharfes S, Straßen-s, Bu-ckel-s, Ringel-s oder auch Rucksack-s. Entstanden ist es, wie der Name schon sagt, aus der Zusammenziehung von s und z. Allerdings müssen Sie sich die Buchstaben in der Frakturschrift vorstellen. Es entsteht also eine Verbindung, die dem heutigen ß bereits recht ähnlich sieht. Da der Laut, den das Eszett bezeichnet, nur im Wortinneren oder am Wortende vorkommt, wird es nur in der Kleinschreibung verwendet. Sollten Sie doch einmal in die Verlegenheit kommen, ein großes Eszett schreiben zu müssen, können Sie es nur in Doppel-s auflösen: STRASSE oder GROSSSCHREIBUNG. Das Eszett fügt sich nicht ins Alphabet ein. Und überhaupt gibt es das Eszett nur im Deutschen. Ein echter Außenseiter also.
Die neue ss/ß-Regelung ist eine der wenigen, bei der es tatsächlich keine Ausnahmen gibt. Deshalb muss auch daß* jetzt als dass geschrieben werden. Im ersten Reformentwurf wurde übrigens noch die Aufhebung der Unterscheidung von das und dass gefordert – leider ohne Erfolg. Diese Schwierigkeiten sind allerdings grammatischer Natur und sollen uns hier nicht weiter beschäftigen. Wem innerhalb eines Wortes zu viele S, nämlich mehr als zwei, erscheinen, der sei noch einmal an den Bindestrich erinnert (s. Teil 1 der Serie). Neben Nussschokolade und Passstelle sind also auch Nuss-Schokolade und Pass-Stelle möglich.
Zum guten Schluss ein paar Beispiele für veränderte Schreibungen: Fluss, er muss, ich wusste (aber: ich weiß), Schloss, Hass, bisschen, Nuss, Verschluss, Kuss, er riss (aber: er reißt) und viele andere mehr. Vorsicht aber bei Eigennamen! Sie sind grundsätzlich nicht von der Reform betroffen. Es bleibt also bei Darß und Litfaßsäule.
Nun sind Sie an der Reihe. Entscheiden Sie selbst -Doppel-s oder Eszett?
Kompa__, Expre__, blo_, Ambo__, bla__, Gesä__, Ri__, Kongre__, na__, Kompromi__, Ma__, Fu__, Bo__, Ha__, Gefä__, Kolo__, Erla__, Spie__, verge__lieh, sü__, Schlo__, er scho__,Flu__, Flei__, Verdru__, Ru__, wei__, gro__, Regre__
Sabine Hilliger
Auflösung Teil 2: Job, num-merierte, Säcke, Pakete,
Matratze, Sakko, Klub, Popmusik, Himbeersekt, Stuckateur, Profit
* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung
Bei Fragen erreichen Sie die Autorin über http://www.ductus-comm.de/sos
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