Kieler Nachrichten v. 5. u. 4.12.07
LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?
»Mein erster KZ-Traum! In Polen geträumt, nicht in Deutschland. Würde er in Frankfurt wiederkommen? Mama sagt: Bestimmt nicht. Mama weiß: Deutschland ist der Ort des Vergessens, und in Deutschland kleistern sie dir mit ihrer falschen Reue und Anteilnahme, mit ihrem krankhaften Philosemitismus und ihrer verfickten „Trauerarbeit das Hirn zu.«
Eine Reise nach Auschwitz in einer deutsch-jüdischen Reisegruppe der Autor, der als Sohn russisch-jüdischer Eltern in Prag geboren wurde und seit seinem zehnten Lebensjahr in Deutschland lebt, beschreibt sie als makabere Besichtigung von „Stätten jüdischen Lebens und Krepierens in diesem Teil der Welt und selbstquälerische Suche nach der eigenen Identität. Provokante, oft brillante Formulierungen und ein strikt vom eigenen Erleben ausgehender Standpunkt sind die Hauptmerkmale der journalistisch-essayistischen wie auch der literarischen Arbeiten dieses Autors. Seine Kolumnen in einem Zeitgeist-Magazin der 80er Jahre machten ihn bekannt.
… Lösungen (Titel & Autor) bis 10. Dezember an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/9032895, E-mail: literaturraetsel@kieler-nachrichten.de
Maxim Biller: Die Tempojahre 1991 (natürlich in gewöhnlicher Rechtschreibung)
In diesen KN ist man mitunter recht nachlässig in der Befolgung der Reformregeln (von den ss, den –ck und den –Jährigen abgesehen:
Zahl der Hartz-IV-Aufstocker im Norden steigt dramatisch
[Ulrich Metschies] … Damit hat sich die Zahl der sogenannten Aufstocker … mehr als verdoppelt. Als Gründe … nennt die Regionaldirektion Nord der Bundesanstalt für Arbeit im wesentlichen zwei Faktoren: Zum einen …. Zum zweiten …. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hatte vor Kurzem erst darauf hingewiesen, dass in den vergangenen Jahren bundeswei gut bezahlte Industriearbeitsplätze verloren gegangen sind.
„Im wesentlichen“ ist verbotene Altschreibung. Laut Dumm-Duden ist zu schreiben: „zum einen“, aber „zum Zweiten“ (S.1149). „Vor Kurzem“ ist Duden-Empfehlung, meist aber wird trotzdem „vor kurzem“ geschrieben. „verlorengehen“ war herkömmliche Dudenempfehlung, aber von 1996-2006 verboten. Jetzt ist die Dudenempfehlung „verloren gegangen“, obwohl man damit den Satz „das kleine Mädchen war in Gedanken verloren gegangen“ nicht eindeutig ausdrücken kann.
Chefredakteur Klaus Kramer, früher eifriger Produzent von Reformklopfern, bemüht sich um Seriosität. Hier ist sogar die Großschreibung angemessen:
Koch ist es gelungen, … den Status eines Ersten unter Gleichen zu sichern.
In den KN vom Vortage, dem 04.12.07, verfällt er nur einmal in die überholte Spaltschreibung:
Doch daneben verdienen auch allein erziehende Mütter und Väter, nicht-eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern und gleichgeschlechtliche Beziehungen den Respekt der Christdemokraten.
Noch einige Meldungen aus der gleichen Ausgabe:
Venozolaner stellen sich gegen Chávez
Volksentscheid stoppt Machtzuwachs des Präsidenten
Aber Herr Präsident, Sie brauchen nicht zu verzagen: Warten Sie einfach ein paar Monate und beenden dann den unerträglichen Zustand, indem Sie den Volksentscheid annullieren – wie 1999 das Kieler Parlament im Fall der „Rechtschreibreform“.
Die Hauptakteurin will damals wie heute (in weniger politischer Funktion) keine krummen Sachen erkennen:
Heftige Kritik an Heide Simonis
Obwohl Simonis bereits Ende Mai von angeblichen Verschwendungen bei den Honoraren der Mitarbeiter und beim Umbau der Kölner UNICEF-Zentrale Kenntnis gewusst habe, habe sie den Vorstand nicht darüber informiert.
Unterstützt wurde Heide Simonis nicht nur vom Kurzzeit-Lehrer Rühe (CDU), der eigens seine Partei auf Schreibreformkurs brachte, sondern auch vom grünen Koalitionspartner, wo allerlei Kulturrevolutionäre als Basisdemokraten auftreten:
Volksinitiative: Realschule soll bleiben
VDR will 20000 Unterschriften sammeln
Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Angelika Birk „verteidigen die Realschullehrer nur ihre Privilegien“. Der VDR halte immer noch an der „Fiktion homogener Lerngruppen“ fest. „Gegen diese sozialdarwinistisch anmutende Initiave setzen wir auf gemeinsames Lernen und individuelle Förderung aller Kinder“ sagte Birk.
Solch gemeinsames Lernen habe ich, der ich mit 9 schon naturwissenschaftliche Zeitschriften bezog, als tödliche Langeweile erfahren. Frau Birk war zur Zeit der Volksabstimmung Frauenministerin und beschäftigte sich mit der Verbesserung der feministischen -Innen-Endung durch ein Nummernsystem.
Dem Wirken dieser Politiker verdanken wir die gegenwärtige Reformmüllflut:
Harry (23) britischer Prinz, hat das Rauchen aufgegeben … Er soll seine wieder gewonnene Freundin Chelsy Davy (22) drängen, sich auch von den Glimmstängeln zu verabschieden.
15-Jähriger ersticht Freundin
Ein 15-jähriger Hauptschüler hat gestanden, seine gleichaltrige Freundin …ers-tochen zu haben.
Untermalt von Cembalo, singender Säge, Streichern und verblüffenden musikalischen Ideen, versetzt die 27-Jährige Berge und Seen mit ihrer sanften, zugleich rauen Stimme.
In der „Fundgrube“ findet man manches:
Eßservice … auch …Essservice,…Dosenverschlußmaschine … Benchmantel, weissgrau …. Außenrolladen, Außen-Rolläden usw. usw.
Bei den Traueranzeigen dagegen zeigen auch Hundertjährige ihren Tod in „neuer“ Rechtschreibung an. Daran kann etwas nicht stimmen.
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