„zur alten Rechtschreibung zurückzukehren“
Welt am Sonntag, 30.7.2006
Forum
Wie wir künftig schreiben
Editorial
von Romanus Otte
Die Rechtschreibreform hat in den vergangenen Jahren für viel Ärger gesorgt. Der Versuch, dem Volk die Macht über die Sprache zu nehmen und auf eine Kommission zu übertragen, darf als gescheitert angesehen werden. Das Experiment hat Verwirrung gestiftet, das Land gespalten und die Einheitlichkeit der Schreibweise zerstört. Nun haben wir den Buchstabensalat.
Die Rechtschreibreform taugt als Lehrstück, warum es so schädlich ist, wenn der Staat sich in Angelegenheiten einmischt, die seine Bürger wunderbar allein regeln können. Über Generationen haben Deutsche, Schweizer und Österreicher ihre Sprache und die Schreibweise selbst entwickelt. In Streitfragen entschied ein Blick in den Duden, dessen Redaktion seit 1880 nachvollzog, wie die Menschen ihre Sprache lebten. Und mit dem Wahrig gab es sogar Konkurrenz.
Dann überzeugten einige Pädagogen, Wissenschaftler und Politiker die Kultusminister der Länder, daß man die Sprache nicht den Menschen überlassen dürfe. Folge seien Wildwuchs, Anarchie und überforderte Kinder. Wenn der Staat die Experten nur regeln ließe, werde die deutsche Sprache viel logischer und einfacher zu lernen.
Was folgte, ist bekannt. Kommissionen machten sich ans Werk. Niemand nahm ihre Arbeit wahr oder ernst. Ein Aufschrei folgte erst, als alles längst beschlossen war. Dann waren Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, Leser, Eltern und Sprachliebhaber entsetzt. Mehrere Verlage, wie auch Axel Springer, in dem die Welt am Sonntag erscheint, entschieden sich, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren und die Rücknahme zumindest der schwersten Fehler der Reform zu fordern.
Seit einiger Zeit ging es nun vor allem darum, Schaden zu begrenzen und zu einer möglichst einheitlichen Rechtschreibung zu finden. In einer leicht geänderten Fassung tritt die Reform am 1. August, also am Dienstag, endgültig in Kraft. Nach zehn Jahren Streit werden die neuen Regeln verbindlich. Einige wurden entschärft, und in vielen Fällen werden mehrere Schreibweisen akzeptiert. Wer sich die Zuversicht bewahrt hat, mag es so sehen: Die Sprache ist wieder beim Volk.
Mit der nächsten Ausgabe stellt auch die Welt am Sonntag ihre Schreibweise um. Wir verwenden dann nur noch Schreibweisen, die im Rahmen der Reform liegen. Auch deren endgültige Fassung ist eher eine Verschlechterung gegenüber der alten Rechtschreibung. Die Vielzahl der Schreibvarianten gefährdet die Einheitlichkeit der Rechtschreibung. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, die Reform umzusetzen, weil wir nicht in einer Weise schreiben wollen, die Kindern in der Schule künftig als Fehler angestrichen wird.
Wir sind zudem überzeugt, daß es gelingen kann, die Einheitlichkeit der Schreibung wiederherzustellen. Wir werden daher künftig jenen Empfehlungen folgen, die der neue Duden (24. Auflage) für jene Fälle ausweist, in denen die neuen Rechtschreibregeln zu mehreren zulässigen Varianten führen. Am nächsten Sonntag werden wir sie detailliert darüber informieren, wie wir genau in Zukunft schreiben.
Artikel erschienen am 30. Juli 2006
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