Spekulative, widerlegte Konzepte
Krankenkassen sollen sich Homöopathie sparen
Deutschlands Krankenkassen wirtschaften am Rande des Bankrotts kann sich dieses System noch Zuschüsse für homöopathische Behandlungen leisten? …
Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen, sagte Karl Lauterbach, SPD-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, dem SPIEGEL. Dass mittlerweile mehr als die Hälfte aller gesetzlichen Krankenkassen die Leistungen von Homöopathen erstatten, kritisiert der Experte: Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie.
Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Ärzten und Krankenkassen, Rainer Hess, hält die jetzige Situation für extrem unbefriedigend. Es gebe nach Hunderten medizinischen Studien bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Homöopathie. Trotzdem müssen die Krankenkassen sie bezahlen. Es hat schon viele Anläufe gegeben, die Schutzvorschrift für derartige Mittel zu streichen, aber einflussreiche Politiker haben dies immer wieder verhindert", sagt Hess.
Jürgen Windeler, der zum 1. September seinen Job als Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) antritt, nennt die Homöopathie im SPIEGEL ein "spekulatives, widerlegtes Konzept". Bis heute sei nicht erwiesen, dass die Methode einen medizinischen Nutzen habe. Dazu muss man auch gar nicht mehr weiterforschen, die Sache ist erledigt", sagt der künftige oberste Medizinprüfer im Land. …
Die Homöopathie basiert auf den Vorstellungen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann. Ab 1796 argumentierte dieser, Krankheiten sollten[,] dem sogenannten Ähnlichkeitsprinzip folgend[,] am besten durch Medikamente geheilt werden, die bei Gesunden die gleichen Symptome hervorrufen könnten wie die Krankheit. Weil das teils nur mit Giftstoffen zu erreichen war, ersann Hahnemann die Potentierung genannte extreme Verdünnung der Wirkstoffe. …
spiegel.de 10.7.2010
Karl Lauterbach – ein Vernünftiger in der SPD!
Der Glaube an die Wirksamkeit der Homöopathie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Glauben der entscheidenden Politiker an die Wirksamkeit der „Rechtschreibreform“. Und in beiden Fällen konnte bis heute kein realer Nutzennachweis geführt werden. Bei der Rechtschreibreform ist er auch aus ideologischen Gründen bewußt vermieden worden und die Rücknahme von „einflußreichen Politikern“ immer wieder verhindert worden. Nach aller Erfahrung und nach unabhängigen Untersuchungen ist sie ein „spekulatives, widerlegtes Konzept“.
Freunde der „natürlichen“ Rechtschreibung sind mitunter auch Anhänger der vermeintlich natürlichen Homöopathie. Deshalb zögere ich mit Kritik außerhalb des Themas. Ich vermute, daß Hahnemann das Prinzip der immunisierenden Impfungen, das gerade durch Edward Jenner entdeckt worden war, unzulässig auf nichtbakterielle Stoffe übertragen hat. Eigene Erfahrung: Ein anthroposophischer Arzt behauptete, mit homöopathisch verbleiten Kügelchen das Hirnwachstum unserer geistig behinderten Tochter anregen zu können. Ich erregte seinen Zorn, als ich fragte, wieso sein Blei positiv wirken sollte, während gleichzeitig die damals noch verbleiten Autoabgase ein Vielfaches an Blei in den Körper brachten und anerkannt schädlich waren. – Lit.: Irmgard Oepen: Unkonventionelle medizinische Verfahren; Otto Prokop: Mehrere Veröffentlichungen.
Nachtrag:
Aufregung auch in der Pharmaindustrie: Barbara Sickmüller, Vize-Chefin des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, … Die Kassen böten die Wahlleistungen an, weil Zehntausende mit der Homöopathie gute Erfahrungen gemacht haben und dafür zahlen, so Sickmüller in der Frankfurter Rundschau…. Herr Lauterbach vertritt damit eine Einzelmeinung, sagte Carola Reimann, SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, der Zeitung.
spiegel.de 13.7.2010
Zehntausende haben sicher auch gute Erfahrungen mit der Astrologie – oder der „Rechtschreibreform“ gemacht.
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