KN v. 14.10.2008
Gerade blätterte ich in den von der Nachbarin abgelegten „Kieler Nachrichten“ v. 14.10.08, als eine Frauenstimme am Telefon mich animieren wollte, diese Zeitung zu abonnieren. „Gerne, sobald sie wieder in der alten Rechtschreibung erscheint“. Die war ich schnell wieder los. Fast hätte ich Lust, die Dienste der auf Seite 2 kommentierten Internet-Seite „www. rotten-neighbor“ in Anspruch zu nehmen, in der man „… unzensierte Hasstiraden gegen Jedermann“ unterbringen kann. Die graphische Substantivierung macht das Wörtchen erst richtig politisch inkorrekt.
Diese KN beginnt mit einem neuen Fortsetzungsroman von Bernhard Jaumann „Die Augen der Medusa“, natürlich in ss-Reformschreibung. Heute hat man ja genug mehr oder weniger willige Autoren zur Auswahl und ist nicht mehr darauf angewiesen, durch den Austausch nur der „daß“ gegen „dass“ (sonst aber „Kuß“, „wußte“, „läßt“, „mußte“, „blaß“) den Anschein von „Reform“ zu erwecken, wie 2000 im Roman von Nicholas Evans „Im Kreis des Wolfes“. In der ersten Spalte des Jaumann-Textes stößt einem gleich die Glanzleistung der Kultusminster auf, „Raureif“, und man verliert die Leselust.
In der Dienstagsausgabe erscheint immer die Anzeigenspalte „Fundgrube“, in der, anders als in Leserbriefen, das Volk seine tatsächlichen Schreibgewohnheiten vorführen darf, sofern sie nicht durch PC-Korrektur oder Telefonannahme verfälscht werden. So liest man … Eßbesteck … Glas-Eßtisch …Jugendstilschrank, Nußbaum …. 2 Eßzi.-Stühle …Flurkommode, Nußbaum … Spinett: Sperhake, Nußbaum … Allerdings drängt sich das „Neue“ immer stärker vor, z.B. ein „edles“ „Essservice“. Es findet sich aber auch ein „Aussenborder“ im Angebot – als Beweis dafür, daß die „Reform“ nur Chaos angerichtet hat.
|