nmz Neue Musikzeitung
8.8.2004
Nachricht: Rechtschreibreform: Reaktion der Medien
Veröffentlicht von: nmz-red/leipzig
Bayerns Zeitungen erscheinen künftig mit unterschiedlicher Rechtschreibung +++ «Spiegel»-Chefredakteur verteidigt Rückkehr zur alten Rechtschreibung +++ Medien in Rheinland-Pfalz reagieren weitgehend positiv +++ SWR regt in der ARD Rückkehr zur alten Rechtschreibung an +++ Saarländische Medienhäuser zurück zu alter Rechtschreibung +++ «Frankfurter Rundschau» hält an neuer Rechtschreibung fest
Bayerns Zeitungen erscheinen künftig mit unterschiedlicher Rechtschreibung
München (ddp-bay). Die bayerischen Zeitungen werden künftig verschiedene Rechtschreibregeln anwenden. Die Verlage im Freistaat reagierten am Freitag unterschiedlich auf die Ankündigung des «Spiegel»-Verlags und der Axel Springer AG, zur alten Schreibweise zurückzukehren. So will die «Süddeutsche Zeitung» (SZ) ebenfalls von der neuen Rechtschreibung abrücken. Die meisten Regionalzeitungen wollen dagegen vorerst bei den jetzigen Regeln bleiben.
SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz begründete die Rückkehr zur alten Rechtschreibung damit, dass die neuen Regelungen «zu mehr Verwirrung und nicht zu mehr Klarheit» geführt hätten. In allen Zeitungen und Zeitschriften gebe es inzwischen ein Sammelsurium von Schreibweisen, die den Leser verwirrten. Kilz appellierte an Zeitungsverlage, Nachrichtenagenturen und Buchverlage, jetzt gemeinsam mit den Ministerpräsidenten und den Kultusministern der Länder zu einer Rechtschreibung zu finden, die künftig «ein einheitliches Erscheinungsbild der deutschen Schriftsprache» garantiere.
Die in Regensburg erscheinende «Mittelbayerische Zeitung» (MZ) will dagegen weiter die 1999 eingeführte neue Rechtschreibung praktizieren. Der stellvertretende Chefredakteur Manfred Sauerer sagte, der MZ-Verlag nehme den Auftrag der Rechtschreibreform an und bleibe «bis auf weiteres» gesetzestreu. Vor allem Schülern wolle man nicht zumuten, in der Zeitung ein anderes Deutsch zu lesen, als sie es in der Schule gelernt haben.
Die «Passauer Neue Presse» (PNP) will bei ihrer Entscheidung die Leser und die Schulen miteinbeziehen. In Zeitungsaktionen sollen die Leser um ihre Meinung gebeten sowie die Frage in den Schulen im Verbreitungsgebiet zum Thema gemacht werden. «Auf keinen Fall wird es bei der PNP aber eine Sonder- oder Mischform geben», betonte der stellvertretende Chefredakteur Konrad Kellermann. Auch mit den Nachrichtenagenturen werde man über eine etwaige Rückkehr zur alten Rechtschreibung diskutieren. Es gebe keinen Grund, in dieser Frage mit einer «übertriebenen Hektik» zu reagieren.
Bei den «Nürnberger Nachrichten» ist in der Rechtschreibfrage nach Aussage des stellvertretenden Chefredakteurs Alexander Jungkunz noch keine Entscheidung gefallen: «Wir sondieren noch die Lage.» Ähnlich ist die Situation bei der Münchner «Abendzeitung». Chefredakteur Kurt Röttgen betonte: «Wir werden das sorgfältig prüfen, aber eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.»
Auch beim «Münchner Merkur» steht nach Angaben des Chefredakteurs Ernst Hebeker noch nicht fest, wie die Rechtschreibregelung künftig gehandhabt werden soll. Die Münchner Boulevardzeitung «tz» und die «Augsburger Allgemeine» wollen zunächst an der neuen Rechtschreibung festhalten.
Der «Spiegel»-Verlag und die Axel Springer AG hatten am Freitag mitgeteilt, in allen Print- und Online-Publikationen schnellstmöglich auf die alte Rechtschreibung umstellen zu wollen. Das Nachrichtenmagazin «Focus» lehnte dies dagegen ab. Das Magazin werde weiterhin so schreiben, wie in den Schulen gelehrt wird, sagte «Focus»-Sprecher Uwe Barfknecht in München. Er betonte: «Wir werden die Diskussion um die Rechtschreibreform keinesfalls auf dem Rücken der jungen Leser austragen.»
Antje Pöhner und Herbert Mackert
«Spiegel»-Chefredakteur verteidigt Rückkehr zur alten Rechtschreibung
Berlin (ddp). Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», Stefan Aust, hat die Entscheidung seines Hauses verteidigt, wieder die alten Rechtschreibregeln anzuwenden. Aust begründete den Entschluss am Samstag im RBB-Inforadio mit der nach wie vor mangelnden Akzeptanz der neuen Regeln durch die Bevölkerung. «Als jetzt die Kultusministerkonferenz entschieden hat, dass im nächsten Jahr diese merkwürdige Reform auch noch Pflicht werden soll, da haben wird gedacht, jetzt müssen wir etwas tun, um diesem staatlicherseits verordneten Schwachsinn Grenzen zu setzen», sagte Aust.
Aust räumte ein, dass die Entscheidung zur Rückkehr hätte früher gefasst werden können, wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» das vorgemacht hat. «Das war damals sehr mutig und der richtige Schritt. Wir hätten im Grunde gleich mitmachen sollen», fügte er hinzu.
Der «Spiegel»-Verlag und die Axel Springer AG hatten am Freitag angekündigt, dass sie in allen ihren Publikationen «schnellstmöglich» zu den alten Regeln zurückkehren wollen. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen (SPD), kritisierte diesen Schritt. Die Entscheidung der Verlage führe zu Verunsicherung bei Kindern und Jugendlichen, sagte Ahnen in Mainz. Gegner der Rechtschreibreform hingegen feierten die Entscheidung als Erfolg im Kampf für die Rücknahme der neuen Regeln.
Medien in Rheinland-Pfalz reagieren weitgehend positiv
Mainz (ddp-swe). Die rheinland-pfälzischen Medien stehen einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung grundsätzlich positiv gegenüber. Sowohl die in Mainz und Koblenz erscheinende «Rhein-Zeitung» als auch die Mainzer «Allgemeine Zeitung» und der «Trierische Volksfreund» gaben am Freitag an, sie wollten in dieser Frage aber zunächst die Entscheidung der Nachrichtenagenturen abwarten.
Die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag hatten am Freitag bekannt gegeben, in all ihren Print- und Online-Publikationen «schnellstmöglich» zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen. Gleichzeitig appellierten die Verlage an andere Medienunternehmen sowie an die Nachrichtenagenturen, sich diesem Schritt anzuschließen.
Ministerpräsident Beck sagte, die Ankündigung der Verlage habe «viel mit Kampagne und Public Relations, wenig mit Inhalt zu tun». Er sehe keinen Handlungsbedarf, da es aus den Schulen keine Klagen gebe und die Änderungen ohnehin nur 0,2 Prozent jedes Textes beträfen.
Der Chefredakteur der «Rhein-Zeitung», Martin Lohmann, befürwortet hingegen eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Die neue Rechtschreibung sei im Moment noch in der Erprobungsphase und es habe sich gezeigt, dass sie weder sinnvoll noch vernünftig sei, sondern eine «bürokratisch-elitäre Missgeburt». Er wolle die Entscheidung aber von der Haltung der Nachrichtenagenturen abhängig machen.
«Chaos pur», nannte der Chefredakteur der Mainzer «AZ», Klaus Beck, die neue Rechtschreibung. Er würde deshalb «laut applaudieren, falls die Reform endlich kippt», unterstrich Beck. Er fügte hinzu, man habe jetzt noch ein Jahr Zeit, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren und «vielleicht kleine, aber sinnvolle Veränderungen vorzunehmen».
Der Holtzbrinck-Verlag wollte keinen Kommentar abgeben. Auch beim «Trierischen Volksfreund», der zum Verlag gehört, wollte man sich noch nicht festlegen. Man wolle sich zunächst mit den Gremien zusammensetzen und die Situation prüfen. Außerdem sei die Entscheidung der Nachrichtenagenturen miteinzubeziehen.
Auch der Südwestrundfunk (SWR) prüft eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Intendant Peter Voß sagte, er wolle diese Überlegung auch in die ARD einbringen. In internen Korrespondenzen hatte es Voß den Mitarbeitern bei der Einführung der neuen Rechtschreibung ausdrücklich frei gestellt, bei den alten Regeln zu bleiben.
Jessica Friedrici und Stephanie Stallmann
SWR regt in der ARD Rückkehr zur alten Rechtschreibung an
Stuttgart (ddp-bwb). Der Südwestrundfunk (SWR) prüft eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Intendant Peter Voß sagte am Freitag in Stuttgart, er wolle diese Überlegung auch in die ARD einbringen. Das betrifft beim SWR vor allem Pressemitteilungen, Geschäftsberichte und den Briefverkehr des Senders, wie SWR-Sprecherin Ariane Pfisterer auf ddp-Anfrage erläuterte.
In internen Korrespondenzen hatte es Voß den Mitarbeitern bei der Einführung der neuen Rechtschreibung ausdrücklich frei gestellt, bei den alten Regeln zu bleiben. In eigenen Publikationen hatte er stets an der alten Rechtschreibung festgehalten.
Der «Spiegel»-Verlag und die Axel Springer AG hatten zuvor mitgeteilt, in allen Print- und Online-Publikationen schnellstmöglich auf die alte Rechtschreibung umstellen zu wollen.
Saarländische Medienhäuser zurück zu alter Rechtschreibung
Die Medienhäuser des Saarlandes haben mitgeteilt, «schnellstmöglich» in allen Print- und Online-Publikationen der Verlage zur alten Schreibung zurück zu kehren. Sie folgten damit dem Beispiel der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Grund für den Entschluss sei, «mangelnde Akzeptanz und die zunehmende Verunsicherung bezüglich des vorgegebenen Regelwerks für die deutsche Schriftsprache». Nach fünf Jahren praktischer Erprobung in den Druckmedien und sechs Jahren in den Schulen habe die Reform «weder für professionell Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht».
Die einzige saarländische Tageszeitung, die «Saarbrücker Zeitung» aus dem Holtzbrinck-Verlag, will weiter bei der neuen Rechtschreibung bleiben. Chefredakteur Friedhelm Fiedler nannte den Vorstoß der Kollegen eine «Tollhausnummer». Eine Rückkehr sei den Grundschülern nicht zuzumuten. Offenbar hätten einige auch die Kosten der Umstellung vergessen. Auch der Saarländische Rundfunk will bei der neuen Schreibung bleiben.
«Frankfurter Rundschau» hält an neuer Rechtschreibung fest
Frankfurt/Main (ddp-swe). Die «Frankfurter Rundschau» («FR») hält an den gültigen Rechtschreibregeln fest. Verlagsgeschäftsführer Günter Kamissek sagte am Freitag auf ddp-Anfrage, solange die Kultusminister der Länder keinen neuen Rechtsrahmen beschließen, werde sich an der Haltung dieser Zeitung auch nichts ändern. Die Neuorientierung anderer Verlage trage nicht zu einer einheitlichen Rechtschreibung bei, sondern werde die Verwirrung nur vergrößern.
Es gebe innerhalb der «FR» auch keine Diskussion über eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung, sagte Kamissek. Man habe sich auf die neuen Regeln festgelegt. «Es hat sich nichts verändert», fügte Kamissek hinzu.
Der «Spiegel»-Verlag und die Axel Springer AG hatten zuvor mitgeteilt, in allen Print- und Online-Publikationen schnellstmöglich auf die alten Regeln umstellen zu wollen. Die «Süddeutsche Zeitung» ist bereit, von der neuen Rechtschreibung wieder abzurücken.
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