„junge Welt“ und „Junge Freiheit“
Wer Zeitungen in anständiger traditioneller Rechtschreibung lesen will, kann das fast nur noch in der Tageszeitung „junge Welt“ und der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Erstere gibt es an Zeitungskiosken, letztere wird meist boykottiert. Interessant ist nun, was ein linker „Sprachforscher“ der „jungen Welt“ über die rechte Konkurrenz im „Wochenendgespräch“ zu sagen hat:
20.07.2013 / Wochenendbeilage / Seite 1 (Beilage)
»Sie wollen den autoritären Staat«
Gespräch mit Helmut Kellershohn. Über die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit, den »faschistischen Stil« und die Chancen des Jungkonservatismus in der Wirtschaftskrise
Helmut Kellershohn (geb. 1949) arbeitete als Lehrer an einem Gymnasium in Moers. Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und publizierte zahlreiche Aufsätze zur extremen Rechten, zum Neokonservatismus und zum völkischen Nationalismus ...
[Das private linke Institut (seit 1987) forscht „nach eigenen Angaben insbesondere nach den Ursachen von Rechtsextremismus, Rassismus, völkisch-nationalen Tendenzen, Antisemitismus und sozialer Ausgrenzung“ und arbeitet an Sprachregelungen mit:
So plante der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) 2006 die Erstellung einer Sprachfibel der diskriminierenden und rassistischen Wörter, die vom DISS wissenschaftlich begleitet werden sollte. Dieses Projekt wurde zwar nie realisiert, führte aber schon im Vorhinein, ohne dass Ergebnisse vorlagen, zu heftigen Reaktionen: Es wurde im Anti-„Pc“-Jargon von „Sprachreinigung“ gesprochen und kritisiert, dass der Begriff Rassismus vom DISS zu weit gefasst und ideologisch gefärbt sei. (Wikipedia)
Seine Kritik an der „Jungen Freiheit“ formuliert Kellershohn in der „jungen Welt“ nun unerwartet zurückhaltend:]
Von der 1994 vorhandenen Redaktion ist heute nur noch Stein übrig. Ein wichtiger Schritt für die Konsolidierung der Zeitung ist die Gründung der Freunde der Jungen Freiheit gewesen. Man hat in gewisser Weise das Modell der taz abgekupfert. Es dürfte etwa 4000 bis 5000 Förderer geben. Welche Großspender die Zeitung hatte, ist nicht bekannt. Um 2005 gelang es ihr nach einer zehnjährigen juristischen Auseinandersetzung zu erreichen, nicht mehr in den Verfassungsschutzbericht von Nordrhein-Westfalen aufgenommen zu werden. Das ist insofern ein wichtiges Datum, als nun prominente bürgerliche Autoren wie ein Hans-Olaf Henkel der Zeitung als Interviewpartner und Autoren zur Verfügung standen. Dafür hat die Junge Freiheit die extrem rechte Ideologie nur noch dosiert und häppchenweise wiedergegeben...
[ ... alles Tarnung sozusagen. Linke marschieren mit offenem Visier durch die Institute.]
In der Jungen Freiheit gibt es, was die EU betrifft, eine Kritik an der Ausschaltung demokratischer Institutionen von Brüssel her. Ist das nicht auch aus einer linken Perspektive schlüssig?
Die Autoren der Jungen Freiheit argumentieren zweistufig. Auf der ersten Stufe kritisieren sie die Entleerung demokratischer Institutionen. Sie wenden sich gegen Mechanismen, die dazu führen, daß von oben durchregiert wird. Auf dieser Ebene gibt es Übereinstimmungen mit der Linken. Das ändert sich auf der nächsten Stufe. Wenn es darum geht, wie man der Entleerung demokratischer Institutionen begegnen soll, greifen sie nämlich auf die rechten Antworten der zwanziger Jahre zurück: Zurückdrängung der Parteienmacht, Veränderung des Wahlrechts, etwa in Richtung einer höheren Gewichtung der Persönlichkeitswahl, und ein plebiszitäres Präsidialsystem.
Ich könnte mir vorstellen, daß viele Leser diese zweistufige Argumentation nicht durchschauen. Sie lesen in der Jungen Freiheit einen gut recherchierten Artikel über den Demokratieabbau in der EU und überlegen dann, bei der Bundestagswahl der Alternative für Deutschland (AfD) ihre Stimme zu geben, um das zu stoppen. Wie bewerten Sie die Erfolgsaussichten dieser Partei und die des Jungkonservatismus?
Die Forderung der AfD nach mehr direkter Demokratie klingt so, als ob man sie auch als Linker unterschreiben könnte. Doch der Kontext ist ein anderer. Die Partei ist wirtschaftsliberal orientiert. Würde die AfD langfristig Erfolg haben, was nicht ausgeschlossen ist, könnte sich daraus ein politischer Resonanzboden für den heutigen Jungkonservatismus entwickeln...
[Bemerkenswert ist aber auch folgende Passage:]
In diesem Zusammenhang spielt Armin Mohlers schon Anfang der siebziger Jahre geschriebene Aufsatz »Der faschistische Stil« eine wichtige Rolle, in dem dieser zeitweilige Berater von Franz-Josef Strauß seine Vorstellung von Faschismus erläutert. Er orientiert sich darin sehr stark an einem existentialistischen Modell. Faschist ist diesem Verständnis nach derjenige, der sich auch dann opfert, wenn es vergebens ist.
jungewelt.de 20/21.7.2013
Ist darum der vereinzelte linke Widerstand gegen die „Rechtschreibreform“ so unscheinbar und lautlos?
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