... die das mit der Staatsräson ausgeplaudert hat.
Großes Interview mit Bildungsministerin Johanna Wanka
Experimentieren wir unser Bildungssystem kaputt?
Bildungsministerin Wanka, eine begeisterte Naturwissenschaftlerin und frühere Uni-Professorin, im Chemieraum des John-Lennon[?]-Gymnasiums in Berlin-Mitte. Die Oberschule gehört zu den Vorzeige-Gymnasien der Hauptstadt. Der Erfolgsfaktor: hohe Leistungsanforderungen an die Schüler
Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) über die Bedeutung von Noten, den Wert des Sitzenbleibens, die Rechtschreib-Katastrophe und ihre Erinnerungen an die Schulzeit in der DDR. [...]
Wanka: Noten sind und bleiben ungemein wichtig. Denn sie geben den Schülern eine Rückmeldung über ihre Leistungsfähigkeit und ihre Defizite. Und da ist eine Note präziser und eindeutiger als ein Text. Am meisten bringen für Schüler und Eltern nach meiner Überzeugung Noten, die auch erläutert sind. Noten sind im Übrigen sozial gerecht: Sie bewerten die Leistung, nicht die Herkunft eines Schülers...
BamS: Angeblich beherrscht nur jeder fünfte Neuntklässler in Deutschland die Rechtschreibung. Was bedeutet diese Bildungskatastrophe für Deutschlands Zukunftsfähigkeit?
Wanka: Schreiben und Lesen sind grundlegende Kulturtechniken, die jeder braucht – auch in einer digitalisierten Welt. Wer ein Wort im Internet suchen will, muss es richtig eingeben können. Und auch für die Kreativität in anderen Bereichen ist es nachgewiesenermaßen wichtig, mit der eigenen Sprache vertraut zu sein. Wer nicht richtig lesen und schreiben gelernt hat, kann später schnell zum funktionalen Analphabeten werden.
BamS: Wie haben Sie denn Schreiben gelernt?
Wanka: Ganz klassisch, Buchstabe für Buchstabe.
[... und – haben Sie die Reform-ss-und-ä-Regeln vermißt?]
BamS: Heute wird in Deutschland häufig die Methode „Lesen durch Schreiben“ praktiziert. Motto: Jedes Kind eignet sich nach einer anarchischen Phase des Schreibens spielerisch von selbst die Regeln an. Wie konnte die jahrhundertealte Erkenntnis in Vergessenheit geraten, dass gegen Fehler nur üben hilft?
Wanka: Ein Teil der Schulen verfährt so, längst nicht alle. Aber: Wenn sich zeigt, dass eine neue Methode ein Irrweg ist, haben die Kultusminister der Länder alle Möglichkeiten, das zu stoppen.
[… aber sie nutzen sie nicht, wie die „Rechtschreibreform“ bewiesen hat.]
BamS: Niemand in der gewiss nicht kleinen Schulbürokratie weiß, wie viele Grundschüler in Deutschland nach der sogenannten Anlauttabelle und dem Buchstabentor unterrichtet werden, deren Verbot namhafte Experten fordern. Sind das nicht Menschenversuche an Sechs- und Siebenjährigen?
Wanka: Ich frage mich: Wenn ein Kind so schreiben lernt, wie liest es dann Bücher? Überhaupt kommt es in der Bildungspolitik nicht darauf an, ständig etwas Neues zu erfinden. Die Ergebnisse zeigen doch: Länder wie Sachsen und Bayern liegen vorn, weil sie Schule ganz kontinuierlich weiterentwickeln. [...]
BamS: Wurden Lesen, Schreiben und Rechnen möglicherweise in der DDR erfolgreicher vermittelt als im Westen?
Wanka: Das kann man so nicht sagen. In der DDR wurde zum Beispiel mehr Wert auf Mathematik und Naturwissenschaften gelegt, und man musste schon intensiv lernen. Aber eine eigene Meinung war nicht gewünscht. Wer zum Beispiel in Geschichte oder Staatsbürgerkunde kritische Fragen gestellt hat, musste Nachteile in Kauf nehmen. Wenn zu guten Noten nicht die politische Überzeugung hinzukam, galt die Leistung nichts.
BamS: Sie stammen aus einfachen Verhältnissen, Ihr Vater war Landwirt. Sie haben studiert, wurden Professorin und sind heute Bundesbildungsministerin. Die Kanzlerin war vor der Wende ebenfalls als Wissenschaftlerin tätig. Nicht auch ein Qualitätsbeweis des DDR-Bildungssystems?
Das ist wohl eher ein Indiz dafür, wie in einer historisch einmaligen Situation Quereinsteiger die Chance gesucht haben, politisch zu gestalten – in Abgrenzung zur DDR.
[Das sind keine Antworten auf die Fragen! Aber jetzt ist Positives über die DDR unerwünscht.]
[...]
bild.de 23.6.2013
Siehe auch hier.
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