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Dummdeutsche Modeworterfindung
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Theodor Ickler
14.03.2001 03.26
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Herzlichen Dank

Es ist ja nett, daß Sie mein Fachsprachenbuch ins rechte Licht rücken, lieber Herr Riebe. Zwar habe ich manche der zitierten Ausdrücke meinerseits nur zitiert, zum Beispiel gleich einleitend den Vorwurf der „schlampigen Grammatik“ und des „Fachchinesischen“ usw., aber insgesamt bestätigen Sie, was ich ja zugebe: beiläufig wird auch ein wenig Sprachkritik geübt. Dem analytischen Teil schließt sich ein Diskussionsteil über verschiedene kritische Aspekte der Fachsprachen und des Expertentums an. Neuartig ist vor allem der Teil über Para- und Pseudowissenschaften und die Sprache des Okkultismus.
Das Buch entspricht ungefähr dem Inhalt einer Vorlesung, die ich ab und zu halte.
Bücher haben ihre Schicksale, und meistens kommen Sie beim Leser ein bißchen anders an, als sie gemeint sind. Wer würde darüber klagen?
__________________
Th. Ickler

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Manfred Riebe
13.03.2001 23.51
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Ein Kritiker der Rechtschreibreform ohne sprachkritische Absichten

Theodor Ickler schreibt: „Es (das Buch, MR) hat keinerlei sprachkritische Absichten. ... Im zweiten Teil wird allerdings auch eine Bestandsaufnahme deutscher Imponiersprache (Pseudofachsprache) gegeben, aber nur beiläufig. Ich verwahre mich entschieden dagegen, daß mein Buch die „schleichende Verhunzung“ der deutschen Sprache darstelle.“

Ich meine, Theodor Ickler stellt sein Licht mit wissenschaftlichem Understatement ein wenig unter den Scheffel. Es handelt sich keineswegs um eine wertfreie „nur beiläufige“ Bestandsaufnahme deutscher Imponiersprache. Es werden außer der Imponiersprache (S. 338 ff.), insbesondere der englischen Sprache (S. 341), auch verschiedene andere Sprachbereiche nicht nur dargestellt, sondern auch kritisch kommentiert, z.B.:

1. Zum Problem der schwerverständlichen Fachsprache („Fachchinesisch“)
Ickler schreibt u.a., auf dem Gebiet des Rechts und der Politik werde eine Sprache verwandt, die nur Experten voll verständlich sei. „Wie ist das mit der demokratischen Beteiligung aller zu vereinbaren?“ (S. 327) Diese Kritik Icklers entspricht der Kritik Norbert Blüms. Als verständnishemmende Faktoren nennt Ickler
- Fremdwörter
- Komplexen Satzbau
- Verschleierung der Textgliederung (S. 334 ff.)

2. Zur Imponiersprache
„Besonders die deutsche Sprachwissenschaft hat auf diesem Wege der Nicht- und Halbübersetzung eine Fülle von unnötigen Fremdwörtern geschaffen, so daß sprachwissenschaftliche Abhandlungen seit einigen Jahren oft in einem sonderbaren Kauderwelsch verfaßt sind, ...“ (S. 341 f.

3. Zur feministischen Sprachregelung
„Das linguistische Problem der sexistischen Sprache entsteht erst dadurch, daß es thematisiert wird, ...“ (S. 372)
Zur feministischen Sprachregelung: obwohl man die feministische Thesen für Unsinn halte, beuge man sich dem moralischen Druck und stimme feministischen Formulierungen „in geradezu freudig vorauseilendem Gehorsam“ zu, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Der Wissenschaftsbetrieb werde eine „Disziplinierung“ unterworfen, die man in den USA „political correctness“ nenne. (S. 374 f.) Man kann also nicht verkennen, daß der Buchtitel noch eine weitere Bedeutung hat.

4. Zur Rechtschreibreform
„Die 1996 in die Wege geleitete Rechtschreibreform fördert das Banausentum insofern, als sie uns zutraut, hochgelehrte Fremdwörter wie Hemistichion zu benutzen, ohne zu wissen, wie sie aufgebaut sind, weshalb wir sie nach Metzgerart sollen trennen dürfen: Hemis-tichion.“ (S. 348, Fn 169)

Gerade solche „nur beiläufige“ Sprachkritik ist die Würze in Icklers Buch.

Doch im Sachverzeichnis stehen zwar „Fachchinesisch“, „Imponiersprache“ und „Sprachverfall“, aber andere wertende Ausdrücke, die im Text enthalten sind, wie z.B. babylonische Sprachverwirrung, Banausentum, schlampige Grammatik, Kauderwelsch, political correctness, Rechtschreibreform oder wissenschaftliche Scharlatanerie sind nicht aufgeführt.

Es ist wohl eine Frage der Definition, ob man einen Unterschied zwischen schwerverständlicher Fachsprache, Kauderwelsch und Sprachverhunzung erkennen kann. Nichtsdestoweniger stellt Theodor Icklers Buch: „Die Disziplinierung der Sprache. Fachsprachen in unserer Zeit“ nicht die „schleichende Verhunzung“ der deutschen Sprache insgesamt dar, sondern die Verhunzung durch Fachsprachen, was der Titel auch ein wenig andeutet.



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Theodor Ickler
06.03.2001 04.07
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Nanu? Mein Buch „Die Disziplinierung der Sprache“ ist ein Versuch, die Entstehung der Fachsprachen zu begreifen. Es hat keinerlei sprachkritische Absichten, sondern wenn überhaupt, dann rechtfertigt es einleitend die vielgeschmähten Fachsprachen als notwendige und sinnvolle Ergänzungen der Allgemeinsprache. Der Titel ist absichtlich doppeldeutig und bezieht sich darauf, daß die Sprache durch Fachlichkeit einerseits die berühmten spanischen Stiefel der Logik verpaßt bekommt, andererseits notwendigerweise in „Disziplinen“, also Fächer eingeteilt und damit spezialisiert wird.
Wie kann man dies verkennen, wenn man auch nur eine Zeile davon gelesen hat?
Im zweiten Teil wird allerdings auch eine Bestandsaufnahme deutscher Imponiersprache (Pseudofachsprache) gegeben, aber nur beiläufig. Ich verwahre mich entschieden dagegen, daß mein Buch die „schleichende Verhunzung“ der deutschen Sprache darstelle.
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Th. Ickler

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Manfred Riebe
05.03.2001 20.01
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Verhunzung unserer Sprache durch Unwörter

Eckhard Henscheid / C. Lierow / E. Maletzke / Chr. Roth: Dummdeutsch. Ein satirisch-polemisches Wörterbuch, Frankfurt a.M., 1985
Ickler, Theodor: Die Disziplinierung der Sprache. Fachsprachen in unserer Zeit. (Forum für Fachsprachen-Forschung, Band 33). Tübingen: Gunter Narr Verlag, 1997.

Zwei verschiedene Bücher, das erste eine volkstümliche satirisch-polemische Bestandsaufnahme der schleichenden Verhunzung unserer Sprache, das zweite eine sprachwissenschaftliche Untersuchung des gleichen Vorganges.

Norbert Blüm nannte eine übertriebene und unverständliche politische Fachsprache eine Gefahr für die Demokratie. Denn damit zeigten die Politiker deutlich ihre Abschottung von der Sprache des Volkes, führten auf diese Weise nur noch eine Art Selbstgespräch und offenbarten dadurch ihre Hilflosigkeit. Blüm: „Wenn ich kompliziert rede, habe ich die Sache nicht im Griff. Wenn ich einfach rede, habe ich´s verstanden.“ (ZDF-Sendung: Berlin Mitte – Wer rettet die deutsche Sprache, 16. Februar 2001).

Die Frage ist, ob unter pädagogischen Gesichtspunkten Sprachverhunzungen in Form von „Dummdeutsch“, politischem Jargon oder Fachchinesisch wie „Trialog“ in ein normales Rechtschreibwörterbuch oder in ein Fremdwörterbuch aufgenommen oder überhaupt nicht registriert werden sollen.

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Theodor Ickler
05.03.2001 18.35
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Mit Schimpfen kommt man hier nicht weiter. Das Wort „Trialog“ beruht gewiß auf Unkenntnis des Griechischen, aber diese Sprache ist selbst unter Linguisten heute weitgehend unbekannt, und so kommt es auch in der sprachwissenschaftlichen Literatur zur falschen Analogiebildung, so daß man lesen kann „Der Dialog wird zum Trialog und Polylog“. „Dummdeutsch“ ist keine Kategorie, mit der man linguistisch etwas anfangen kann, und „Modewort“ auch nicht, weil die ganz Sprache nur ein Mode ist. Das Wort ist auch nicht in Friedman-Runden aufgekommen, sondern viel früher, und zwar in relativ gebildeten Kreisen. Ähnliche Fälle gibt es sehr viele, zum Beispiel das bekannte „posthum“ (mit einem h, das aus falscher Anlehnung an humus stammt, – und das in Zeiten, als Latein noch relativ verbreitet war!) Der bedeutende Sprachwissenschaftler Coseriu hat das mal unter dem Titel „gelehrte Volksetymologie“ behandelt. Wir haben ja eine sehr ausgedehnte Fremdwortbildung, d.h. erst im Deutschen geschaffene Neubildungen aus fremden, vor allem altsprachlichen Elementen. Wenn wir nun darauf bestehen, daß auch die Neubildung genau den Sprachgesetzen des Griechischen oder Lateinischen folgt, dann ist ein ziemlich großer Teil davon zu verwerfen: „hämophil“ usw. Das kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Wir müssen hinnehmen, daß mit dem antiken Stoff auf eine unantike Weise gewirtschaftet wird. Das haben übrigens die Alten mit der Zeit auch schon getan. Wo wir das Lateinische zu fassen kriegen, ist es in Zerfall begriffen, und irgendwann muß daraus ja schließlich das Italienische geworden sein ...
„Trialog“ ist sehr praktisch, obwohl es eigentlich „Trilog“ heißen müßte. Wie war das noch mal mit „extravertiert und introvertiert“? Oder wars extro und intra oder intro und extro? Schauen Sie bloß nicht in mein Wörterbuch, da stimmt auch was nicht!

Ich greife mal eben in meine Zettelkästen und hole noch folgendes hervor:

Giscard für Trialog Europa – Afrika – Araber (SZ 23.5.79)
Zwischen Telefonistin und Computer einerseits und dem Kunden andererseits entsteht so eine Art Trialog. (Gerd Antos in: Antos/Augst: Textoptimierung. Frankfurt 1989:153)
ob es sich in der gesprochenen Sprache um monologische, dialogische oder polylogische Rede handelt (Sommerfeldt/Starke 1988:295)

Man beachte die Jahreszahlen!

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Manfred Riebe
05.03.2001 17.41
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Dummdeutsche Modeworterfindung „Trialog“

„Trialog“? Warum nicht auch „Quadrolog“ im Literarischen Quartett oder „Konzertierte Aktion“ des „Bündnisses für Arbeit“? Man stelle sich die Sendung „Vorsicht! Friedman“ vor, wie alle gleichzeitig durcheinanderreden. „Trialog“ gehört zum Dummdeutsch, sofern man überhaupt von Deutsch reden kann. Woher kommt das „Wort“ eigentlich? Man sollte es als „Unwort“ des Jahres vorschlagen.

Es gibt nur dann einen ordentlichen Dialog, wenn der Gesprächsparter einen nicht ständig unterbricht, sondern zuhört und erst dann antwortet. Anstatt der verdummenden internationalisierenden Modeworterfindung „Trialog“ oder „Konzertierte Aktion“ sollte man es bei „Diskussionsrunde“ oder „Gesprächsrunde“ belassen, bei der jeder nacheinander drankommt. Kein Wörterbuchmacher ist gezwungen, Worthülsen bzw. deklamatorischen Leerlauf der Politiker aufzunehmen.

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