Lämpel als Vater - Folge 9
Herr Regierungsschuldirektor Knirsch ist der Meinung, daß das Verhalten der Schule von Isabell Lämpel in keiner Weise zu beanstanden sei. Dies widerspricht Vater Lämpels Auffassung, deshalb beantwortet er Knirschs Schreiben wie folgt:
1. April 2001
Aufklärung der Eltern über die geltende Rechtslage in bezug auf die Rechtschreibreform
Ihr Schreiben vom 15.3.2001, Ihre Zeichen 35 51 301
Sehr geehrter Herr Regierungsschuldirektor Knirsch,
vielen Dank für Ihre rasche Antwort auf meinen Brief vom 5.3.2001 und Ihre Klarstellung, daß die Verwendung von bisherigen Schreibweisen nicht als Fehler gewertet werden darf. Damit haben Sie indirekt meine Haltung bestätigt, daß eine Vereinbarung zwischen einem Lehrer und Schülern mit dem Ziel, nur noch neue Schreibungen zuzulassen, die Verwaltungsvorschrift nicht außer Kraft setzt und deshalb nichtig ist. Doch darum ging es erst in zweiter Linie.
In erster Linie geht es um die Frage:
Wird an der Schule meiner Tochter gemäß diesen Vorschriften verfahren?
Aus der traurigen Chronik in der Anlage des Briefes lese ich folgendes heraus:
Der Lehrer meiner Tochter, Herr Strohkopf, vertritt hinsichtlich der Rechtschreibung eine Position, die nicht mit den geltenden Vorschriften zu vereinbaren ist.
Herr Strohkopf glaubte, sich rechtlich abzusichern, indem er Schüler einer 9. Klasse, die über die Notengebung von ihm abhängig sind, in einer Abstimmung seine Position bestätigen ließ.
Der Schulleiter deckt dieses Vorgehen und wirbt sogar noch dafür, es durchzusetzen und zu akzeptieren.
Gleichzeitig weigert er sich, zu Einwänden gegen dieses Vorgehen schriftlich Stellung zu beziehen.
Meine Bedenken, ob die Verwaltungsvorschrift über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung an der Realschule meiner Tochter korrekt angewendet wird, sind alles andere als beseitigt, da die obigen Verhaltensweisen eher darauf abzielen, dies nicht zu tun.
Das Bekanntmachen der Rechtslage durch einen Elternbrief scheint mir vor diesem Hintergrund nahezu geboten, denn bisher erfolgte eine Klarstellung nur durch Sie (nicht durch die Schule) und nur mir gegenüber (und nicht gegenüber allen Betroffenen). Alle Kinder glauben noch, die Vereinbarung befolgen zu müssen. Alle Eltern glauben noch, daß an der Schule ihres Kindes neue Regeln gelten, die sie befolgen müssen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, nicht konstruktiv mit der Schule zusammenzuarbeiten. Welche Verunsicherung fürchten Sie? Entweder ist die Rechtslage, wie Sie schreiben, seit Jahren allen bekannt (warum dann eigentlich nicht auch Lehrer Strohkopf?), dann wird eine bekannte Information kaum Verunsicherung verursachen (allenfalls Verwunderung, weshalb sie nochmals erfolgt). Ist sie dagegen nicht bekannt, dann sollte es im Interesse der Verwaltung eines demokratisch verfaßten Staates stehen, seinen Bürgern die geltenden Regeln zu vermitteln. Helfen Sie doch einfach mit, den Eindruck zu vermeiden, dies würde unterlassen, um jene zu unterstützen, die ungestört dagegen verstoßen wollen. In diesem Elternbrief soll doch nur die geltende Rechtslage dargestellt und unmißverständlich klargestellt werden, daß Verstöße, Umgehungen durch scheindemokratische, aber rechtlich wirkungslose Abstimmungen etc. nicht geduldet werden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Ich kann nicht erkennen, daß die Gründe für meine Forderungen an die Schulleitung in meinem Brief vom 7.1.01 entfallen sind:
Der Beschluß der Klasse 9 wird in der gleichen Form, also öffentlich vor der Klassengemeinschaft, die ihn faßte, aufgehoben bzw. für unwirksam erklärt, weil ihm die Rechtsgrundlage fehlte.
Die geltende Rechtsgrundlage (Wahlfreiheit der Schreibungen bis zunächst 2005) wird den Schülern und ihren Eltern schriftlich mitgeteilt, weil aus den Erzählungen ihrer Kinder ein anderer Eindruck entstanden sein könnte.
Eine Benachteiligung von Schülern, die ihren Überzeugungen folgend die bisherigen Schreibungen verwenden, wird in einer Erklärung von Herrn Strohkopf vor der Klasse ausgeschlossen.
Erlauben Sie mir, zum Schluß noch auf einige Ihrer zusätzlichen Bemerkungen eingehen zu dürfen.
1) Sie erwähnen, daß die Einführung der Neuregelung immerhin schon 6 Jahre zurückläge. In den meisten Schulen des Landes Rheinland-Pfalz wurde im Schuljahr 1996/97 mit der vorzeitigen Erprobung begonnen (ursprünglich war das Schuljahr 1998/99 als Start vorgesehen). Gerechnet ab dem Termin der vorzeitigen Einführung sind vier Jahre vergangen (96/97, 97/98, 98/99, 99/00). Gegenwärtig (Schuljahr 00/01) befinden wir uns im fünften Jahre der Erprobung andere Schulen sogar erst im dritten Zyklus.
2) Sie befürchten, daß ein ständiger Wechsel zwischen der alten und neuen Schreibweise pädagogisch in höchstem Maße verwirrend und bedenklich wäre. Dies trifft für absolute Schreibanfänger, also die jüngeren Schüler, sicher zu. Doch über 90 Prozent des Bücherbestandes außerhalb der Schule liegen in traditioneller Schreibung vor. Diese Bücher können doch nicht nur deshalb den Schülern vorenthalten werden, weil sie in alter Rechtschreibung verfaßt sind, d.h. lesende Schüler kommen ohnehin mit mehreren Schreibweisen in Berührung. Selbst von der Schule erhält meine Tochter des öfteren Arbeitsblätter in konventioneller Orthographie.
3) Sie vertreten den Standpunkt, daß es nicht Aufgabe der Schule sei, eine Diskussion über den Sinn einer Neuregelung der Rechtschreibung zu führen. Wer eigentlich dann soll eine Diskussion über den Sinn von Neuregelungen jedweder Art führen, wenn nicht die Betroffenen selbst?
Mir liegt an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Schule schon im Interesse meiner Tochter. Aber auch die Schule muß ihren Teil beitragen, und dazu gehört die Beachtung der Spielregeln. Dies sicherzustellen, und zwar nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber allen anderen, die sich vielleicht nicht so intensiv mit der Materie beschäftigt haben, darum möchte ich Sie bitten. Dazu sehe ich die oben aufgestellten Forderungen an die Schule angesichts der gezeigten Verhaltensweisen als hilfreich und geeignet an.
Mit freundlichen Grüßen
Fridulin Lämpel
Anlage: zusammengefaßte Chronik der Ereignisse
Chronik der Ereignisse
8.11.2000: Der Lehrer meiner Tochter, Herr Strohkopf, wird von mir telephonisch auf einen gekennzeichneten und gezählten Fehler aufmerksam gemacht, der laut der Verwaltungsvorschrift vom 16. August 1996 nicht als Fehler gewertet werden darf an sich eine Nichtigkeit, die zu allem Überfluß nicht mal Auswirkungen auf die Note hatte. Der Lehrer weigert sich, dieses zu korrigieren.
8.11.2000: Aufgrund dieser Weigerung erfolgt ein Anruf beim Schulleiter, der die Angelegenheit prüfen will.
9.11.2000: Lehrer Strohkopf führt in der Klasse meiner Tochter eine Abstimmung durch, mit der festgelegt werden soll, daß künftig Diktate nur noch nach der neuen Rechtschreibung zu korrigieren sein sollen.
15.11.2000: In einem Brief an den Schulleiter, Herrn Feigenhansel, erläutere ich ihm den Grund meiner mündlichen Beschwerde vom 8.11.2000. Ich teile ihm auch mit, worüber in diesem Zusammenhang in der Klasse meiner Tochter abgestimmt wurde und stelle die Frage nach der Zulässigkeit.
20.12.2000: In dem Antwortschreiben des Schulleiters bestätigt er die erfolgte Korrektur der Fehlerzahl, wendet also die Verwaltungsvorschrift korrekt an. Gleichzeitig ergeht folgende Bitte an mich: Zukünftig bitte ich auch Sie herzlich, uns bei der schulischen Arbeit zu unterstützen und auch bei der Durchsetzung der Vereinbarung mit der Klasse Ihrer Tochter zu helfen. Mit der Lerngruppe wurde vereinbart, dass, nachdem entsprechende Teile des neuen Regelwerks besprochen und geübt wurden, die geänderte Rechtschreibung unbedingt anzuwenden ist. Im zweiten Satz glaubt er also, eben diese Verwaltungsvorschrift durch eine Abstimmung in der Klasse aushebeln zu können (und bittet mich noch um Unterstützung dabei). Damit wird durch den Schulleiter die Verletzung dieser Vorschrift nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich gebilligt.
7.1.2001: In einem Schreiben wird der Schulleiter darauf hingewiesen, daß nur solche Maßnahmen Unterstützung verdienen, die geltenden Gesetzen und Verordnungen entsprechen. Er wird gebeten, die Abstimmung für nichtig zu erklären und den Beteiligten (Eltern wie Schüler) die geltende Rechtslage schriftlich mitzuteilen.
9.1.2001: Die Schulleitung lädt ein zu einer finalen Aussprache über den Disputgrund und ... die aufgestellten Forderungen.
11.1.2001: Brief an die Schulleitung mit der Bitte, zuvor eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Dieser Bitte wird auch nach Erinnerungsschreiben vom 4.2. und 18.2.2001 nicht entsprochen.
19.2.2001: Mündliche Mitteilung an meine Tochter, daß mit einer schriftlichen Reaktion nicht zu rechnen sei. Kurioserweise bezieht sich diese Verweigerung sogar darauf, mir lediglich den Eingang meines Schreibens zu bestätigen.
5.3.2001: Mein Schreiben an Sie
– geändert durch Stephanus Peil am 02.04.2001, 13:49 –
|