Vorletzte Reform
Ich habe gerade im Spiegel das hier gelesen:
Mit Blick auf die Ankündigung mehrerer großer Verlage, auf die alte Rechtschreibung umstellen zu wollen, unterstrich Wermke [Leiter der Duden-Redaktion] unter Verweis auf die Reform von 1903, dass die Rechtschreibung im Deutschen immer eine amtliche Sache gewesen sei. Auch damals sei die Reform von Politikern verabschiedet worden. 1998 habe das Bundesverfassungsgericht zudem bestätigt, dass die Einführung von Rechtschreibregeln an den Schulen Sache der Kultusminister sei.
(Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,312272,00.html)
Herr Ickler hatte doch im NDR neulich darauf hingewiesen, daß die ältere Reform keine in dieser Form war.
Ich finde übrigens das Heranziehen zurückliegender Reformen nicht korrekt. Man darf nicht vergessen, daß es damals eine andere Verfassung gab. Erst das Grundgesetz ist doch so aufgebaut, daß Grundrechte vor dem Staatsaufbau abgehandelt werden, also vorstaatlich sind. Und genau das war bei den beiden Verfassungen (DR und Weimar) davor genau umgekehrt.
Ich will beim besten Willen nicht einsehen, weshalb alle über die Güte der Regeln sprechen und danach die Reform beurteilen. Da hat es mich sehr erstaunt, daß Herr Rüdgers sich in diesem Sinn bei Christiansen geäußert hat.
Für mich zählt eigentlich nur, daß Sprache außerhalb der Staatshoheit liegt und die Reform daher staatsrechtlich nichtig ist. Dann kommt ja noch hinzu, daß die Kultusministerkonferenz auch nicht durch das Grundgesetz legitimiert ist. Und nun sieht man auch, warum es gut ist, daß das GG nichtföderative Beschlüsse in Kultusangelegenheiten ablehnt. Der Druck einiger Teilnehmer wie Frau Ahnen verhindert nun, daß einzelne Bundesländer aussteigen.
Abschließend möchte ich als historischer Sprachwissenschaftler der Behauptung widersprechen, es gehe um Rechtschreibung, nicht um Sprache. Die Rechtschreibung gehört zur Sprache wie das Sprechen. Man sieht das besonders an den verheerenden Konsequenzen der Auseinanderschreibung bei den Reformregeln. Während ja manche glauben, die Fehlerzahl der Schüler durch die Reform senken zu können, während ja die meisten Fehler im Umgang mit dem Deutschen Flexionsfehler sind (besonders im Umgang mit Präverbien und Determinativkomposita), verstärkt die neue Regelung das Unvermögen, Zusammensetzungen korrekt zu bilden. Die Auseinanderschreibung zerstört zudem das ausgefeilte hierarchische Denken innerhalb der Kompositionsglieder. Genau das ist doch eine der wesentlichen Vorzüge des Deutschen. Damit können nur wenige Sprachen mithalten (zB Isländisch, Sanskrit, Altägyptisch, Altgriechisch).
Und hier sieht man, wie schrecklich sich die Reform auf das Denken auswirkt. Ich persönlich glaube, daß das ganze Methode hat. Dem Drang, die Menschen in ihrem Denken und Sprechen der industriellen Verwertbarkeit zuzuführen, sind keine Grenzen mehr gesetzt.
Grüße, Daniel
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